TPP: Von Design and Build über das niederländische Bauteam-Modell bis hin zu Mehrparteienverträgen – die Modelle für das partnerschaftliche Planen und Bauen sind zahlreich und unterschiedlich. Haben Sie einen Favoriten?
Thomas Richter: Nein. Zunächst freut es mich, dass Sie nach einem Favoriten fragen und nicht nach dem „besten" Modell. Ein „One Size fits all“ gibt es nicht. Jede Projektorganisation muss auf das jeweilige Projekt und die Erfahrungen und Kenntnisse der Projektbeteiligten, oft auch schlicht auf deren Vorlieben, angepasst werden. Dementsprechend habe ich auch keinen echten Favoriten. Wichtig erscheint mir vor allem, dass das gewählte Modell in sich schlüssig und nicht lediglich an deutsche Gewohnheiten und traditionelle Abwicklungsmodelle angepasste „Light-Varianten" (Stichwort GU-Vertrag mit GMP) ist und dass Projektorganisation und Vertragsmodell zusammenpassen. Damit meine ich z.B., dass zu einer Beteiligung der Ausführenden an der Planung regelmäßig auch die Übertragung des Planungsmanagements gehört. Diese sollte sich wiederum im Organigramm widerspiegeln, das auf Seiten der Ausführenden u.a. eine Leitungsfunktion ausweisen sollte, auf der spezielle Planungs- und Projektmanagementkompetenz gefordert ist. Aber wenn ich mich festlegen soll: Für den deutschen Markt halte ich aber aktuell immer noch in vielen Fällen das klassische „Construction Management At Risk“ für ein erfolgversprechendes partnerschaftliches Modell, zu dem es ausreichend kompetente Anbieter gibt. Natürlich sind die aktuellen Pilotprojekte, in denen Project Alliancing, aktuell eher unter Integrierter Projektabwicklung bekannt, ausprobiert wird, besonders spannend. Sie versprechen mit dem Ansatz von „Sharing of Pain and Gain" von allen Modellen die weitestgehende Auflösung von Interessenkonflikten.
TPP: Sorgt die VOB/B dafür, dass die Projektbeteiligten sich eher konfrontativ als kooperativ verhalten?
TR: In einer bilateralen Vertragsbeziehung halte ich die VOB/B für ausgewogen und über viele Jahrzehnten erprobt und bewährt. Sie enthalten auch viel, was selbst in partnerschaftlichen Modellen gut brauchbar ist. Die VOB/B gehen aber auch von einer Rollenverteilung aus, die nicht vollständig derjenigen bei Partnering-Modellen entspricht. Zuerst sehe ich da die Projektmanagementleistungen und die Rolle des Ausführenden als Berater, gleichsam als Projektsteuerer des Auftraggebers. Dieses Rollenverständnis samt zugehörigen Leistungen muss dann im Vertrag ergänzt werden. Beispiel: Fehlen Mitwirkungshandlungen des AG, kann man im Partnering nicht einfach die Mechanismen des § 6 VOB/B und der §§ 642, 643 BGB lostreten. Der Unternehmer hat hier in der Regel die Rolle, den Auftraggeber darauf hinzuweisen und wie ein Projektsteuerer die Entscheidungen des Auftraggebers vorzubereiten. Für Mehrparteienverträge passt dagegen vieles nicht in der VOB/B, insbesondere die Auftraggeberstellung mit einseitiger Anordnungsbefugnis und alle rein auf die einseitige Zuweisung von Pflichten, Verantwortlichkeiten und Haftung ausgerichtete Bestimmungen.
TPP: Die Bundesregierung bekennt sich mittlerweile offen zu neuen Vergabeverfahren wie beispielsweise dem Mehrparteienvertrag. Erwarten Sie nach der 2018 erfolgten Baurechtsreform einen neuen Anlauf auf der Gesetzgebungsebene?
TR: Das muss und wird hoffentlich auch passieren. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind noch nicht optimal und müssen in den einzelnen Projekten schon ziemlich gedreht, gewendet und gedehnt werden. Aber auch auf politischer Ebene - nicht alle Bauten sind Bundesbauten - bestehen gegenüber Änderungen des Status quo erhebliche Widerstände. Immer noch gilt grundsätzlich das Primat der unmittelbaren Mittelstandsförderung und damit die Bevorzugung der Einzelvergabe. So haben wir z.B. für ein großes Infrastrukturprojekt in einem ausführlichen Gutachten die Möglichkeit nachgewiesen, unter Beachtung des öffentlichen Vergaberechts das Projekt in einem partnerschaftlichen Modell abzuwickeln. Das fand aber weder in der Politik noch bei den Juristen der beteiligten Behörden ausreichend Anklang. Dieses Primat sollte unter konkret definierten Voraussetzungen für spezifische Projekte entfallen.
TPP: Sind die beteiligten Branchen überhaupt auf den Gesetzgeber angewiesen? Oder reicht das zur Verfügung stehende Instrumentarium für die Umsetzung partnerschaftlicher Vergabemodelle aus?
TR: Man liest immer wieder, dass das aktuelle Vergaberecht ausreichend Instrumentarien bietet, um selbst Mehrparteienverträge auszuschreiben und zu vergeben. Das mag im Einzelfall stimmen, wenn für Pilotprojekte ausreichend politischer Wille vorhanden ist. Auf Dauer bleiben aber zu viele Hürden und Herausforderungen. Hier seien nur einige Aspekte angesprochen: Haushaltsrechtlich schwierig wird es schon, wenn die Bauaufgabe zum Vergabezeitpunkt – zwangsweise bei frühzeitiger Beteiligung der Ausführenden - noch nicht konkret beschrieben werden kann. Die genaue Vergütung und damit z.B. die nötigen Haushaltsmittel stehen bei Vergabe noch nicht fest. Die Preiskomponente kann deshalb bei frühzeitiger Beteiligung der Ausführenden auch nicht das gewichtigste Kriterium sein, was aber aktuell immer noch als Regelfall definiert ist. Die Wertung des Preises kann zwar derzeit unter bestimmten Voraussetzungen schwächer ausfallen, nicht aber völlig wegfallen. Deshalb sollte bei Partnering-Modellen in erster Linie auf die Zuschläge fokussiert werden. Das sehe ich als Widerspruch zum Partnering-Ansatz. Niedrigere Zuschläge erhöhen nicht die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs. Kumulativleistungsträger sind vergaberechtlich nur ganz ausnahmsweise zulässig, die losweise Vergabe ist weiterhin nur schwer mit partnerschaftlichen Modellen in Einklang zu bringen. Vergaberechtlich zumindest umstritten ist z.B. auch die Zulässigkeit des Haftungsausschlusses bei Mehrparteienverträgen. Häufig wird schließlich der wettbewerbliche Dialog als Königsweg genannt. Auch das erscheint zweifelhaft, dieses Vergabeverfahren muss in der Regel mit Erfordernissen des Projekts begründet werden. Jedes Projekt kann aber auch in traditionellen Modellen abgewickelt werden, so dass die Argumente für einen wettbewerblichen Dialog oft etwas gezwungen klingen.
Haushaltsrecht und Vergaberecht stellen aktuell ein stimmiges System dar. Partnerschaftliche Abwicklungsmodelle sollten schlicht als zulässige Alternativen ausdrücklich in diesem System vorgesehen werden. Dann kann man sich die aktuell noch notwenigen argumentativen Klimmzüge sparen.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, August 2022