Eine schwierige Auftragslage, stockende Projekte und Fachkräftemangel: Die Bau- und Immobilienwirtschaft hat mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Wie schaffen es Unternehmen, die Motivation der Mitarbeitenden hochzuhalten und neue Talente zu gewinnen? Und welche Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur? Darüber sprach The Property Post mit Matthias Höppner, Geschäftsführer von RecToCon Deutschland, und Stefanie Egbers, Geschäftsführerin von Rebel HR.
The Property Post: Einige Unternehmen kommen mit den aktuellen Herausforderungen der Bau- und Immobilienbranche deutlich besser zurecht als andere. Welche Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur?
Matthias Höppner: Der Immobilienbranche ging es sehr lange sehr gut. Eine belastbare Kultur haben viele Unternehmen in dieser Zeit nicht als notwendig erachtet. Ein Fehler. Jetzt, da sich der Wind gedreht hat, haben diejenigen mit starker Kultur einen klaren Vorteil. Denn sie betreiben in Zeiten des Wandels meist auch ein besseres Change-Management. Zum einen kommunizieren sie offen mit ihren Mitarbeitenden über geplante Änderungen und beziehen sie in Entscheidungsprozesse ein, weil die Belegschaft grundsätzlich als wichtiger Teil des Unternehmens gesehen wird. Zum anderen erleben sich die Führungskräfte solcher Unternehmen meist selbst als „empowert“. Sie besitzen die Fähigkeit, ihre Mitarbeitenden gut durch Krisen und Umbrüche zu lotsen, denn wer ein klares Ziel hat und dies transparent kommuniziert, kommt auch in turbulenten Zeiten nicht so leicht vom Weg ab.
Stefanie Egbers: Ein zweiter entscheidender Punkt ist die Mitarbeiterbindung. In kritischen Zeiten sind vor allem die guten Leute weiterhin sehr gefragt am Arbeitsmarkt, sodass sie sich die besten Positionen aussuchen können. Unternehmen, denen die Kultur wichtig ist, sind eher in der Lage, diese Mitarbeitenden zu halten. Denn sie schaffen es, die Mitarbeiterzufriedenheit hochzuhalten und das Commitment zum Unternehmen zu stärken.
TPP: Welche Möglichkeiten haben Unternehmen konkret, um die Mitarbeiterbindung zu steigern beziehungsweise auf einem hohen Level zu halten?
MH: Ein zentrales Element sind durchdachte Karrierekonzepte, die es den Mitarbeitern ermöglichen, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Eine solche Perspektive fördert nicht nur die Loyalität der Mitarbeitenden, sondern auch ihre Bereitschaft, sich für das Unternehmen einzusetzen, wenn es mal holprig wird. Zudem können regelmäßige Mitarbeiterbefragungen die Kommunikationskanäle offenhalten und frühzeitig anzeigen, wo Verbesserungspotenzial beim Personalmanagement besteht. Und dann gilt es natürlich, Konsequenzen aus den Erkenntnissen zu ziehen und Dinge zu ändern, die nicht gut laufen.
TPP: Das Gehalt spielt also eine untergeordnete Rolle?
SE: Natürlich sind auch finanzielle Aspekte wichtig. Dabei ist jedoch meist nicht die konkrete Höhe des Gehalts maßgeblich. Viel entscheidender ist, dass es individualisierbare Benefits und transparente Gehaltsstrukturen gibt, die einer nachvollziehbaren Grundstruktur folgen. Auch durch die Beteiligung am Erfolg von Projekten, etwa über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme oder Aktienprogramme, können das Engagement der Belegschaft und die Identifikation mit den Unternehmenszielen gestärkt werden.
TPP: Gute Leute im Unternehmen zu halten, ist die eine Sache. Die andere ist es, neue Talente zu rekrutieren. In Zeiten des Fachkräftemangels keine leichte Aufgabe, auch weil die Immobilienbranche nicht gerade als „sexy“ gilt.
SE: Meiner Erfahrung nach ist die Immobilienbranche weit attraktiver als oft angenommen. Das gilt insbesondere für das Thema „Purpose“, das gerade jungen Leuten besonders wichtig ist. Denn in wenigen anderen Branchen kann man gesamtgesellschaftlich so viel bewirken wie in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Die Gestaltung von Wohnraum und Stadtbildern bietet die Möglichkeit, direkt auf das Leben der Menschen einzuwirken. Und die Dekarbonisierung von Gebäuden ist eine Mammutaufgabe, die junge Talente direkt mitgestalten und selbst vorantreiben können.
TPP: Der Fachkräftemangel ist in bestimmten Bereichen besonders spürbar, etwa bei Finance oder IT. Wie können Immobilienunternehmen genau solche Fachkräfte anziehen?
MH: Gerade wenn es um Fachkräfte geht, die aus anderen Branchen kommen beziehungsweise in vielen Branchen gesucht werden, ist eine dynamische Kultur unabdingbar. HR muss dabei in die Pflicht genommen werden und sich vom reinen „Personalverwalter“ zum aktiven Macher wandeln. Und: Die Idee des „People Business“ muss ernst genommen werden und auf allen Hierarchie-Ebenen und in allen Abteilungen spürbar sein.
TPP: Zum Abschluss: Wie können Unternehmen herausfinden, ob sie eine starke Unternehmenskultur etabliert haben?
SE: Um ein umfassendes Bild zu erhalten, bieten sich regelmäßige Mitarbeiterbefragungen inklusive Benchmarking mit ähnlichen Unternehmen, Exit- und Stay-Interviews sowie Fluktuationsanalysen an. Außerdem hilft es, sich die sogenannten kulturellen Artefakte genauer anzuschauen: Wie sind die Büros gestaltet? Welche Kleidung tragen die Mitarbeitenden? Welche Kommunikationsstile werden gepflegt? Wie viel Flexibilität herrscht bei Arbeitszeiten und Arbeitsort? Diese sichtbaren Elemente spiegeln die Werte und Normen oft sehr gut wider. Gleiches gilt für Erfolgsgeschichten: Welcher Mitarbeitertypus ist im Unternehmen besonders erfolgreich? Welche Verhaltensweisen gelten als erstrebenswert? Welche Charaktereigenschaften werden besonders geschätzt?
MH: Und zu guter Letzt schadet es auch nicht, immer mal wieder einen Blick auf das Mission Statement des Unternehmens und die Unternehmenswerte zu werfen und zu prüfen, ob das, was man einmal aufgeschrieben hat, auch wirklich so im Unternehmen gelebt wird.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RecToCon Deutschland & Rebel HR
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2024