07.03.2018

Unbemerkte Zinswende?

Prognose und Auswirkungen auf die Immobilienpreise

Marc Drießen, Geschäftsführer, HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH
Marc Drießen

Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist seit August 2016 um knapp 100 Basispunkte gestiegen. Den Immobilienmarkt hat das bislang wenig beeindruckt. Doch wie geht es weiter? Im Interview prognostiziert Marc Drießen weitere Zinsanstiege und erläutert die Auswirkungen auf die Immobilienpreise.

TPP: Herr Drießen, wie schätzen Sie die weitere Zinsentwicklung ein? Werden wir einen Anstieg der Zinsen in einem signifikanten Ausmaß sehen?

M.D.: Hier stellt sich zunächst einmal die Frage, was eine signifikante Zinssteigerung ist. Blickt man in die Vergangenheit und zieht beispielsweise die zehnjährigen Bundesanleihen heran, dann konnten wir bereits einen nicht unbeträchtlichen Zinsanstieg beobachten. Diese langfristigen Zinsen sind seit August 2016 knapp 100 Basispunkte gestiegen. Das ist nicht wenig. Ich bin der Meinung, dass wir weiter steigende Zinsen sehen werden, aber ich glaube nicht, dass sich die Entwicklung im selben Tempo fortsetzt. Wir haben jetzt wieder ein Niveau erreicht, das wir im zweiten Quartal 2015 hatten. Das heißt: Absolut ist das Zinsniveau immer noch niedrig, aber die Phase, in der auch die zehnjährigen Zinsen negativ waren, ist vorbei.

Durch die „Deutsche Brille“ betrachtet sind diese Zinsen angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung hierzulande zu niedrig. Aber aus einer europäischen Perspektive ist das Zinsniveau durchaus angemessen. Das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass wir keine rasant steigenden Zinsen sehen. Die EZB orientiert ihre Geldpolitik an der wirtschaftlichen Entwicklung der Eurozone. Hier haben wir im Durchschnitt betrachtet eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, aber bei weitem keine Boom-Situation. Das ist übrigens auch der große Unterschied zu den USA, wo die Auslastung am Arbeitsmarkt sich nun auch auf die Löhne durchzuschlagen scheint, was die Inflation anheizen könnte.

TPP: Wie reagieren Immobilien Asset Manager und Fondsanbieter? Bereiten diese sich auf deutlich steigende Zinsen vor oder sind sie eher entspannt?

M.D.: Als Service-KVG haben wir einen guten Überblick über das, was Asset Manager in Deutschland hinsichtlich der Zinsen erwarten. In meiner Wahrnehmung ist der Marktkonsens mehr oder weniger, wie ich ihn eben beschrieben habe: Die meisten Immobilienakteure erwarten weiter steigende, aber keine rasant steigenden Zinsen.

TPP: … und das heißt für den Immobilienmarkt?

M.D.: Die Nachfrage nach Immobilien wird durch leicht steigende Zinsen nicht zurückgehen. Solange sich der Zinsanstieg im Rahmen hält, wird dies keine großen Auswirkungen auf die Kaufpreise haben. Dafür ist der Immobilienmarkt hierzulande zu gesund und die Nachfrage insgesamt zu hoch. Auch wenn Teile der Käuferschaft wegbrechen, weil ihnen das Fremdkapital zu teuer werden sollte, gibt es ausreichend Investoren, die die Lücke füllen. Dazu zählen beispielsweise viele Altersvorsorge-Institutionen, die ohne bzw. mit sehr wenig Fremdkapital arbeiten, aber auch ausländische Investoren. Insofern sehe ich momentan keinen erheblichen Druck auf die Preise.

TPP: Wenn die Preise nicht fallen werden, steigen sie dann weiter?

M.D.: Ich gehe nicht davon aus. In allen drei wichtigen Segmenten – Wohnen, Einzelhandel und Büro – haben wir eine Grenze erreicht. Ich würde von einem Hochplateau sprechen. Noch höhere Preise und damit geringere Renditen sind für das Gros der Investoren schlicht nicht akzeptabel.   

TPP: Führt das Preisplateau nicht dazu, dass Investoren sagen, jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um zu verkaufen? Beobachten Sie das bei Ihren Kunden?

M.D.: Bei uns im Haus sind viele Investoren Kunden, die sehr langfristig orientiert sind. Selbst bei Fonds, die schon lange investiert sind und die bereits eine substantielle Preissteigerung mitgemacht haben, sehen wir keine großen Verkaufsneigungen. Diese Investoren sind nicht primär IRR-getrieben, sondern haben langfristige Verpflichtungen gegenüber Pensionären bzw. Versicherten. Wenn diese Anleger heute Wohnimmobilien verkaufen würden, die sie beispielsweise vor zehn Jahren gekauft haben, hülfe ihnen das nur sehr eingeschränkt. Erstens, wären sie damit stabile Cashflows los und zweitens stünden sie dann vor dem Problem, wie sie das Geld reinvestieren sollen. Wenn diese Investoren derzeit doch Verkäufe tätigen, dann handelt es sich meist um Portfoliobereinigungen, d. h. sie trennen sich von kleineren Objekten oder Objekten, die nicht mehr zur Strategie passen.

Anders agieren dagegen angelsächsische Investoren mit Private-Equity-Background. Diese Gruppe hat qua Geschäftsmodell keinen langfristigen Investitionshorizont und wird die hohen Preise nutzen, um Gewinne mitzunehmen. 

TPP: Gehen wir mal hypothetisch davon aus, dass die Zinsen stärker steigen als von Ihnen skizziert. Ab welcher Grenze würden sich Auswirkungen auf den Immobilienmarkt zeigen?

M.D.: Als moderat und damit ohne größere Effekte auf den Markt würde ich einen Anstieg um 100 Basispunkte in 24 Monaten bezeichnen. Gingen die Zinsen hingegen um 200 Basispunkte innerhalb von zwölf Monaten nach oben, hätte dies tatsächlich Auswirkungen auf die Preise. Allerdings wären bei einem solchen Zinsanstieg auch die realwirtschaftlichen Folgen erheblich, sodass ich dieses Szenario als sehr unwahrscheinlich einstufe. 

TPP: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2018

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