23.02.2022

Stadt - und Quartiersentwicklung

Widerstand durch Bürgerinitiativen

Agnes Petra Müller, Co-Head of Development, DLE Deutsche Landentwicklung Holding AG
Agnes Petra Müller

Im Zuge von Stadt- und Quartiersentwicklungen treten zunehmend Bürgerinitiativen auf, die Planungs- und Genehmigungsprozesse nicht nur zeitlich verzögern, sondern teilweise sogar erfolgreich verhindern. Wie man als Entwickler diesem Umstand begegnet und ihn gar für das eigene Projekt nutzen kann, erklärt Agnes Petra Müller, Co-Head of Development der DLE Deutsche Landentwicklung Holding AG.
 
Frau Müller, gibt es Stadt- oder Quartiersentwicklungen, bei denen man von vornherein mit Widerständen in Form von Bürgerinitiativen rechnen muss?
Widerstände gab es bei Vorhaben mit gewisser Relevanz eigentlich schon immer. Früher waren es zu einem großen Teil schützenswerte Flora und Fauna, die in diversen Naturschutzbünden eine große Lobby fanden. Und heute sind es oft ganz menschliche Gründe, die sich aus Befürchtungen wie Lärmbelastung oder Parkdruck ergeben. Gerade in Großstädten erleben wir aber auch, dass sich Widerstände oft erst dann formieren, wenn das jeweilige Projekt eine gewisse Sichtbarkeit in Gestalt von Bauzäunen und schwerem Gerät erlangt. Es hätte die Möglichkeit gegeben, sich im Rahmen der öffentlichen Beteiligung zu artikulieren und einzubringen. Das wird jedoch oft versäumt und schließlich versucht, dieses Versäumnis mit Radikalität und Lautstärke zu kompensieren.

Wie begegnen Sie solchen Bürgerinitiativen?
Am besten gar nicht, indem man es nicht soweit kommen lässt. Der Nachbar ist oft kein sachkundiger Bürger, der sich im Beteiligungsverfahren engagiert. Für ihn sind diese Prozesse Black Boxes. Wenn ich die Chance nutze, Anwohner und Nachbarn möglich frühzeitig inhaltlich abzuholen, anstatt auf die in der Baurechtschaffung obligatorische Bürgerbeteiligung zu warten, habe ich schon viel erreicht und wir demokratisieren damit auch ein Stück weit den sonst so hermetisch erscheinenden Prozess.

Nicht wenige Projektentwickler scheuen bis zum so wichtigen Aufstellungsbeschluss ebendiese Offenheit, da sie befürchten, ihre Planungen anpassen zu müssen. Immerhin muss man neben Stadtplanungsämtern und Mandatsträgern mit einer weiteren, einer dritten Partei verhandeln.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle das etwas vertrackte Verhältnis der Stakeholder aufdröseln. Neben meiner früheren Tätigkeit als Architektin komme ich auch aus der Politik. Ich war unter anderem planungspolitische Sprecherin im Rat der Stadt Aachen, Mitglied des Architektenbeirats und Sprecherin für Stadtentwicklung der FDP-Bundestagsfraktion. Sowas verändert die Perspektive auf die Stadtentwicklung. Heute sind Nachbarn und Anwohner nicht selten Stakeholder, die sich ob der neuen Bebauung vor der Haustür Sorgen um den Wert ihres eigenen Zuhauses machen. Die ehrenamtlichen Politiker in den Stadtverordnetenversammlungen der Republik erhielten ihr Mandat von genau diesen Menschen und fühlen sich dem verpflichtet. Uns als Projektentwickler kommt dagegen die Rolle zu, die Interessen der künftigen, der neuen Nachbarn zu vertreten. Gemeinsam mit den Kollegen der Stadtplanungsämter sind wir verpflichtet, funktionierende und lebenswerte Quartiere zu erstellen. Damit haben wir als Projektentwickler die Stadtplanungsämter sozusagen als natürliche Verbündete. Treten wir als Projektentwickler mit unserem städtebaulichen Konzept und den Entwürfen jedoch als Mittler zwischen behördlichen und politischen Entscheidern auf und holen die Nachbarn und Anwohner frühzeitig ab, befinden wir uns meist in einem sehr erfolgversprechendem Prozess.

Wie sieht ein solcher Prozess in der Praxis aus?
Ganz verschieden. Oft lassen sich solche Probleme recht schnell auf kommunikativer Ebene lösen und da lassen wir uns auch gern beraten. Einmal standen wir mit einem überzeugenden städtebaulichen Konzept vor einer Stadtverordnetenversammlung, bei der die politischen Fronten derart verhärtet waren, dass sie generell kaum beschlussfähig war. So führten wir eines Abends einen moderierten Workshop mit verschiedenen parallelen Arbeitsgruppen durch, der den Verordneten half, gemeinsame Ziele zu formulieren, die schließlich sehr nah an der ursprünglichen Planung waren. Spannend zu beobachten, wie sich die Politiker am Abend durch kreative Arbeit näher kamen. Das positive Ergebnis kommunizierten die Verordneten dann an ihre Wähler. Bei einem weiteren Projekt luden wir im Rahmen eines Sommerfests Anwohner zu einer „Zukunftswerkstatt“ ein. Dort konnten Wünsche und Anforderungen an die benachbarte Projektentwicklung geäußert werden, die zeitgleich von Zeichnern auf einer großen Leinwand festgehalten wurden. Nachfrage, Beteiligung und Ergebnis waren überwältigend und wir hatten am Ende sehr gute Argumente für unser Projekt auf Leinwand.

Welchen Tipp würden Sie Ihren Mitbewerbern geben?
Keine Angst vor dem Diskurs! Und wenn doch: lassen Sie sich kommunikativ beraten. Es ist besser, proaktiv den Prozess unter Berücksichtigung aller Beteiligten anzugehen, als sich später in einer Situation wiederzufinden, in welcher Sie nur noch eingeschränkt reagieren können. Sich hinsichtlich der Qualität eines Quartiers – also seiner Nutzungen – zu öffnen, bedeutet nicht zwangsläufig, Abstriche hinsichtlich Quantität – also BGF – hinnehmen zu müssen. Das Gegenteil ist eher der Fall.  

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DLE Deutsche Landentwicklung Holding AG
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2022

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