Wie unsere Städte künftig aussehen sollen - und was die Politik dazu beitragen kann
Wie sollen unsere Städte künftig aussehen? Und wie kann die Politik dazu beitragen, die Entwicklung in die entsprechenden Bahnen zu lenken? Über diese Fragen sprach TPP anlässlich der polis Convention 2015 in Düsseldorf mit Michael Groschek (SPD), Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
TPP: Herr Minister, wie sieht für Sie die Stadt der Zukunft aus?
Michael Groschek: Die Stadt der Zukunft ist eine nachhaltige Stadt, und das ist nicht abgedroschen. Nachhaltigkeit ist dreidimensional. Sie beinhaltet soziale Verantwortung, das Bekenntnis zum ökologischen Denken und Handeln und die wirtschaftliche Vernunft. Die Stadt der Zukunft ist also eine Stadt, die Platz hat für alle sozialen Schichten. Das ist mir ganz wichtig. Die europäische Tradition darf nicht dadurch ad absurdum geführt werden, dass ich zu einer Polis zurückkomme, die nur für eine Elite offen ist. Die Polis der Zukunft muss eine Stadt sein, wo Arm und Reich, Jung und Alt unter einem „Dach“ leben können. Die zweite Dimension bedeutet, dass die Stadt der Zukunft auch nach ökologischen Kriterien handelt.. Wir haben Flutregen mit mehreren Toten in Münster gehabt, auch Tornado-Ereignisse treten häufiger hier bei uns in Deutschland auf. Das zeigt, dass sich alle staatlichen Ebenen, auch die kommunale, der Verantwortung stellen und sich bewusst sein müssen, dass der Umgang mit Fläche, der Umgang mit Stadtklima, der Umgang mit Stadtdurchgrünung sowie mit Wasser- und Hochwasserführung elementar wichtig ist. Der „Pantoffelpark“ vor der Haustür ist nicht nur für die Naherholung wichtig, sondern auch ein Beitrag zu Klimaverantwortlichkeit. Die dritte Dimension ist natürlich die der wirtschaftlichen Vernunft. Wir können keine Dauersubventionstatbestände organisieren, um künstlich Quartiersvielfalt aufrecht zu erhalten. Dienstleistungen, gastronomische Angebote und kulturelle Angebote müssen sich auch rechnen. Es kann nicht alles subventioniert werden. Und nur, wenn diese wirtschaftliche Vernunft auch die Stadtentwicklung prägt, ist das nachhaltig im Sinne von langlebig. Diese Dreidimensionalität muss die Stadt der Zukunft gewährleisten.
TPP: Wie kann Politik aktiv in diese Prozesse eingreifen beziehungsweise diese auch mitgestalten?
Das können wir auf vielfältige Weise, z.B. durch die Objektförderung als auch über die Subjektförderung. Praktisch gelingt es uns dadurch, dass wir Bündnisse schmieden. Auf Landesebene haben wir ein Bündnis für Wohnen zusammen mit den wichtigen wohnungswirtschaftlichen Verbänden, der Architektenkammer und der NRW-Bank als Förderbank. Hier entwerfen wir gemeinsam Förderkulissen die nachfragegerecht sind. Es ist dann Aufgabe der kommunalen Ebene, Grundstücke zu mobilisieren und dafür Sorge zu tragen, dass auf diesen Grundstücken in nachfragestarken Regionen auch eine Sozialpflicht von mindestens einem Drittel liegt. Sozial geförderter Wohnungsbau muss auf neuen Grundstücken selbstverständlich werden. Das gilt auch unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit. Wir haben überdies beim DIFU ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben, wie das Land selbst mit unterschiedlichen Förderinstrumenten soziale und funktionale Vielfalt fördern kann und welche Hinweise wir für die privaten Investoren dabei beachten müssen. Ich glaube, wir sind in Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg.
TPP: Können Sie das an einigen Beispielen darstellen?
Nordrhein-Westfalen ist zum Beispiel Vorreiter bei dem Bekenntnis, Wohnraumförderung und Städtebauförderung miteinander zu verzahnen. Wir haben ein überjähriges Wohnraumförderprogramm: Bis 2017 stellen wir Jahr für Jahr mindestens 800 Millionen Euro zur Verfügung. Ergänzt wird dies durch ein Tilgungsnachlassprogramm, also einem Bargeld-Förderprogramm mit über 40 Millionen Euro. Dies ermöglicht bestimmte Impulse, die im öffentlichen Raum wichtig sind. Dieses Programm ist wiederum mit der Förderkulisse Städtebauförderung verknüpft, die in Nordrhein-Westfalen jährlich über 300 Millionen Euro mobilisiert. Dieses Milliardenprogramm ist zielgruppenspezifisch ausgerichtet, wartet auf Nachfrager und lädt ausdrücklich die privaten Partner ein, sich zu beteiligen.
TPP: Berlin führt zum Beispiel flächendeckend die Mietpreisbremse ein. Halten Sie das auch für NRW für zielführend – oder wie werden Sie als Land damit umgehen?
Wir haben jetzt eine Gebietskulisse erarbeitet, unter die rund zwei Dutzend Städte und Kreise fallen. Im Wesentlichen sind das die allseits bekannten, sehr nachfragestarken Städte und ihr Umland, wie Köln und sein Umland, Düsseldorf und sein Umland, Münster … Insgesamt haben wir aber 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Folglich können wir das Instrument wirklich nur dort einsetzen, wo es notwendig ist, Wirkung zeigt und nicht zur politischen Schimäre verkommt.
TPP: Das heißt, Sie halten die Mietpreisbremse für ein wirkungsvolles Instrument in Städten, wo der Markt sehr eng ist? Immerhin wird ja dadurch keine einzige neue Mietwohnung gebaut …
Nein, natürlich nicht. Man darf das nicht als faule Ausrede nutzen, um ansonsten nichts zu tun. Die Städte sind aufgefordert, Stadtentwicklung zur Chefsache zu machen, und das in Verbindung von Wohnungswirtschaft und Städtebauförderung. Verantwortliche Kommunalpolitik zu betreiben, bedeutet dem Beispiel des Landes zu folgen, und aktiv Quartiersentwicklung zu betreiben. Ehrlich gesagt haben in dieser Hinsicht viele Städte ihre Lektion noch nicht gelernt.
TPP: Was haben Sie in NRW vor, um die städtebauliche Entwicklung voranzutreiben und gleichzeitig sozialverträgliche Lösungen wie z. B. bezahlbaren Wohnraum etc. umzusetzen?
Wir haben jetzt mit den ersten nachfragestarken Städten Bündnisvereinbarungen über Flächenmobilisierungen. An den Standorten Dortmund, Köln und Münster läuft die Flächenmobilisierung schon nachfrageorientiert und auch zügiger als in der Vergangenheit mit Sozialbindung. Außerdem werden wir die Landesbauordnung in diesem Jahr reformieren und praktikabler gestalten, wenngleich die Forderung nach unbürokratischem Handeln immer zum Bumerang werden kann. Dennoch bemühen wir uns, Regeln so zu formulieren, dass sie handhabbarer werden für diejenigen, die bauen wollen. Und der dritte Punkt ist: Wir wollen uns an der bundesweiten Überlegung beteiligen, Städte mit mehr Kompetenz auszustatten. Die Haushaltskonsolidierung im kommunalen Bereich hat auch dazu geführt, dass die Planungsbehörde Stadt längst nicht mehr so kompetent und gut besetzt ist, wie in der Vergangenheit. Daraus resultieren auch manche Engpässe und Verzögerungen. Hier soll eine nationale Gesellschaft gerade auch PPP im kommunalen Bereich durch dienstleistende Beratung fördern.
TPP: Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von : Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2015