26.03.2019

Shopping Center 4.0

Thorsten Krauß, CEO, UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Thorsten Krauß

The Property Post (TPP): In der 2018 veröffentlichten GMA-Studie ist die Rede von einer Reduzierung des Modernisierungszyklus von Shopping Centern auf 10,4 Jahre. Entspricht das Ihrer Projekterfahrung? Müsste diese generelle Aussage nicht jeweils individuell getroffen werden (z.B. kein Sanierungsbedarf bei exzellenter Lage)?

Thorsten Krauß (T.K.): Ja, heutzutage werden die Center tatsächlich im Schnitt alle zehn Jahre modernisiert. Das liegt vor allem am wachsenden Einfluss des Online-Handels. Ein veraltetes Shopping Center kann in vielen Fällen nicht mehr mit dem Onlineshop konkurrieren. Daher ist ein Shopping-Center-Betreiber zunehmend unter Druck, dem Kunden etwas zu bieten, was er nicht im Onlineshop findet. Aber nicht nur der Endkunde in Form des Einkäufers, auch der stationäre Einzelhandel verlangt vom Betreiber ein modernes und durchdachtes Konzept. Innerhalb von zehn Jahren sind das Interieur, die Technik und auch die Aufteilung der Shops in der Regel überholt. Trotzdem muss man jedes Shopping Center individuell betrachten. Zur Bestimmung des Sanierungsbedarfs spielen neben dem technischen Fortschritt und geänderten Designvorstellungen auch die Auslastung des Centers in Verbindung mit der vor Ort vorhandenen Kaufkraft sowie der Käufertyp und die emotionale Bindung des Kunden an das Center eine Rolle.

TPP: Also kommt es nicht nur auf bauliche, sondern auch auf emotionale Aspekte an?

T.K.: Letztlich muss ein Shopping Center für den Einzelhandel und den Endkunden attraktiv sein. Das kann durchaus auch ein Center im Retro-Style sein. Nur auf dem aktuellen technischen Stand sollte es schon sein. Auch  die emotionale Bindung des Kunden an das Center ist nicht zu unterschätzen. Vor allem das Center Management kann hier durch Veranstaltungen, gutes Marketing und interessante Einzelhandelskonzepte dafür sorgen, dass eine Ausweitung des Modernisierungszyklus möglich ist.

TPP: Laut GMA waren nur 14 Prozent der seit 2010 vorgenommenen Sanierungen echte Neupositionierungen. Wo verläuft für UNDKRAUSS die Linie zwischen Neupositionierung und einfachem Refurbishment? Wozu raten Sie Ihren Auftraggebern?

T.K.: Nach unseren Erfahrungen kommt die Neupositionierung eines Centers in wettbewerbsintensiveren Marktgebieten und bei Centern in schlechter Lage vor. Die Center befinden sich dann schon in einer Abwärtsspirale, die mit mangelnder Umsatzperformance, dem Auszug von Mietern, Leerständen, damit verbundenen Mietausfällen und letztlich Wertverlust einhergeht. Ein Refurbishment auf der anderen Seite wird häufig gewählt, wenn konzeptionelle Schwächen vorliegen, diese jedoch durch bauliche Flexibilität aufgehoben werden können. Zum Beispiel eine geänderte Vermietungssituation,  zu enge Erschließungswege, die zur Unübersichtlichkeit für den Kunden führen, „tote Ecken“ im Center, unklare Regelungen bei den Zufahrten oder zu wenig Gemeinschaftsflächen. Strategische Entscheidungen in Bezug auf die zukünftige Nutzung und/oder den Betrieb eines jeden Centers obliegen jedoch unserem Kunden – und damit auch die Entscheidung, ob eine Neupositionierung oder ein Refurbishment für das jeweilige Center sinnvoll erscheinen. Gerne unterstützen wir unsere Kunden hinsichtlich baurechtlicher, planerischer, technischer, qualitativer, terminlicher und finanzieller Aspekte.

TPP: Gibt es bei Ihren Auftraggebern Schwerpunkte der Sanierung (Brandschutz, Digitalisierung etc.)?

T.K.: Abhängig vom Ziel der Maßnahme unterscheiden sich die Schwerpunkte. Während bei einem Center strukturelle Anpassungen aufgrund z.B. konzeptioneller Schwächen nötig sind, kann dies bei einem anderen Center die Abgrenzung gegenüber marktadäquaten Wettbewerbern sein. Strukturelle Anpassungen sind häufig bedingt durch Mieterwechsel oder Veränderung der Laufwege, um die Attraktivität bestimmter Lagen im Center zu steigern. Hier sind als Schwerpunkt vor allem Fluchtwegsicherung, Brandschutz und ggf. Schallschutz, aber auch konstruktive Eingriffe wie Anpassungen bzw. Neubau der haustechnischen Anlagen zu nennen. Zur Abgrenzungen von marktadäquaten Wettbewerbern reichen oft schon sogenannte Pimp-up-Maßnahmen aus. Dazu gehört im Wesentlichen eine attraktive Gestaltung der Ladenstraßen durch Neugestalten von Bodenbelägen, Wand- und Deckenoberflächen, Kinderspielecken oder Neueinbringen von Sitzgelegenheiten. Auch hierbei spielen baurechtliche Parameter und Brandschutz wieder eine wesentliche Rolle. Als gemeinsamer Schwerpunkt aller Maßnahmen lässt sich sicherlich sagen: Ziel ist es, für das jeweilige Center durch entsprechende Ausbaumaßnahmen auf Dauer die Gunst des Kunden zu gewinnen.

TPP: Wie hat sich die Sanierung von Shopping Centern in den letzten zehn Jahren entwickelt? Welche Innovationen gibt es?

T.K.: In den letzten zehn Jahren haben sich die Gründe für eine Sanierung verändert. Während ursprünglich die Übernahme von Wettbewerbern mehr im Fokus stand, geht es heute – wo der Fusionsprozess in weiten Teilen abgeschlossen ist – um die attraktive Gestaltung der Shopping Center. Heutzutage werden die Trends auf Konsumenten- und Einzelhandelsseite viel stärker beobachtet und aktive Konzepte entwickelt. In den Shops und auf den Gemeinschaftsflächen wird viel Wert auf attraktive Architektur mit „Wohlfühlambiente“ gelegt. Dabei spielt das Thema Gastronomie im Shopping Center eine immer größere Rolle. Auch soll vermehrt die internetaffine Zielgruppe über die sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Xing angesprochen werden. Zusätzlich spielen im Zuge der Modernisierung vermehrt  politische Einflüsse wie Stadt- und Regionalplanung eine Rolle. Bezogen auf den Bauablauf registrieren wir, dass die Kunden jetzt teilweise in den Umbau involviert werden dürfen. Das heißt, die erleben den Umbau „live“. Mitunter sogar lärmintensive Arbeiten dürfen inzwischen in einigen Centern tagsüber ausgeführt werden.

TPP: Wie sieht es mit dem Faktor Mischnutzung aus? Ist dies nicht die günstigste Lösung für Investoren und Eigentümer?

T.K.: Ja, in der Tat. Die ursprüngliche Nutzung von „nur“ Shopping im Center muss – abhängig von Standort, Objekt und Marktumfeld – neu überdacht werden. Eine Verknüpfung verschiedener Lebensbereiche wie Shoppen und Wohnen und/oder Büro und/oder Lager- und Verteilerflächen sind heutzutage denkbar.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2019

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