Problematische Entwicklungen im Sozialen Wohnungsbau Berlins
Der soziale Wohnungsbau im 1. Förderweg in Berlin unterliegt insbesondere durch eilig politisch motivierte Entscheidungen zahlreichen Veränderungen. Nicht immer sind jedoch politische Entscheidungen auch mit der bestehenden Rechtslage vereinbar. The Property Post sprach darüber mit Arepaade Empere, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Berlin mit dem Schwerpunkt des Wohnungsbauförderungsrechts.
The Property Post: Herr Empere, in Berlin gibt es derzeit intensive Diskussionen über das Thema sozialer Wohnungsbau. Ein Problempunkt sind dabei vorzeitige Rückzahlungen von öffentlichen Darlehen. Worum geht es dabei?
RA Arepaade Empere: Bislang konnten Eigentümer von Wohnungen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus mithilfe öffentlicher Darlehen finanziert worden waren, die sogenannte Annuitätshilfe und Aufwendungsdarlehen des Landes Berlin vorzeitig vollständig zurückzahlen. Damit konnte erreicht werden, dass sich die Dauer der Zweckbindungen in Form von Mietpreis- oder Belegungsbindungen um erhebliche Zeiträume von bis zu mehreren Jahrzehnten verringerte. Das versucht die Verwaltung zunehmend zu unterbinden.
TPP: Was sind die Motive der Beteiligten?
A. E.: Für die Eigentümer ist es angesichts der Mietpreisentwicklung in Berlin attraktiver, die betreffenden Darlehen vorzeitig zu tilgen, um die Wohnungen ohne Zweckbindung am freien Markt anbieten zu können und sich von den Gängelungen der Senatsverwaltung zu befreien. Gleichzeitig ist das Land Berlin bestrebt, die Zweckbindung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, damit der Bestand an Sozialwohnungen nicht abnimmt. Der Bedarf an solchen Wohnungen ist weiterhin vorhanden, aber es werden in Berlin generell viel zu wenige Wohnungen neu gebaut.
TPP: Wie reagieren Politik und Verwaltung auf diese Situation?
A. E.: In der Koalitionsvereinbarung vom 16.11.2016 hat sich die Berliner Landesregierung zum Ziel gesetzt, die Mieten im belegungsgebundenen Bestand zu sichern. Die Mieten sollen zum einen gesenkt und zum anderen nach dem Einkommen der Mieter gestaffelt werden. Vor diesem Hintergrund strebt das Land Berlin an, außerplanmäßige Rückzahlungen der Aufwendungsdarlehen nach § 16 WoBindG zu erschweren und zu reduzieren oder ganz auszuschließen, um mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen zu erhalten und die Bindungszeiträume durch längere Bedienzeiten von Aufwendungsdarlehen zu verlängern. Für das Jahr 2018 strebt das Land Berlin eine Neuregelung mit dem Ziel an, die Regelungen des Kostenmietrechts aufzugeben. Dazu sollen sämtliche die Kostenmiete betreffenden Regelungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV), der Neubaumietenverordnung (NMV 1970) sowie des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) für Wohngebäude des sozialen Wohnungsbaus in Berlin keine Anwendung mehr finden. Stattdessen soll eine einkommensabhängige soziale Richtsatzmiete sowie in begründeten Fällen, auf Antrag ein Härteausgleich für die Eigentümer eingeführt werden.
TPP: Wie realistisch ist es denn, dass dieses Vorhaben in die Praxis umgesetzt wird?
A. E.: Zunächst einmal ist es ungewiss, ob das Land Berlin die gewünschte Richtsatzmiete durchsetzen kann. Das Land Berlin berät hierzu derzeit mit einer Kommission aus Vertretern der Verwaltung sowie von Mieter- und Vermieterverbänden über die geplanten neuen gesetzlichen Regelungen im sozialen Wohnungsbau. Durch ein am 9. Mai 2017 vom Berliner Senat beschlossenes Vorschaltgesetz sind erste „Mängel“ des Wohnraumgesetzes Berlin (WoG Berlin) schon beseitigt worden, bevor im Laufe des Jahres 2018 das eigentliche umfassende Änderungsgesetz folgen soll. Die wichtigsten Änderungen sind dabei die Abschaffung der rückwirkenden Mieterhöhungsmöglichkeiten im sozialen Wohnungsbau in Berlin sowie die Streichung des § 5 WoG Berlin. § 5 WoG Berlin regelte das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" bei Eigentümerwechsel von Objekten ohne Anschlussförderung. Die Aufhebung des § 5 WoG Bln bewirkt, dass künftig ein vorzeitiges Ende der Eigenschaft „öffentlich gefördert“ bei Objekten, die keine Anschlussförderung erhalten haben, verhindert wird. Damit will der Berliner Senat ein vorzeitiges Ende der Wohnungsbindung verhindern und die ursprünglichen Bindungsfristen zementieren. Allerdings dürfen für diese Wohnungen Durchschnittsmieten gefordert werden, die durch den Wegfall der Mietsubventionierung durch das Land Berlin i. d. R. deutlich über den Marktmieten liegen. Somit müssen im Einzelfall vom zuständigen Bezirksamt Freistellungen von der Belegungbindung beantragt werden. Während der bürokratischen Entscheidungsfindung bei der zuständigen Behörde stehen die Wohnungen oft über Monate leer.
TPP: Mit welchen weiteren Themen sind Fördernehmer aktuell betroffen?
A.E.: Derzeit erhalten diverse Fördernehmer von der Investitionsbank Berlin die Benachrichtigung die im Sozialen Wohnungsbau für den 01.04.2018 turnusmäßig geplante Mieterhöhung der förderrechtlich zulässigen Mieten um 0,1278 €/m² Wohnfläche/monatlich durch die Bewilligung weiterer Zuschüsse auszusetzen. Und zwar nach April 2017 zum zweiten Mal in Folge. Davon sind allerdings nicht Fördernehmer betroffen, die die Förderdarlehen freiwillig vorzeitig zurückgezahlt haben.
TPP: Wie beurteilen Sie diese Verwaltungspraxis?
A.E.: Für die Objekte, bei denen die öffentlichen Mittel freiwillig zurückgezahlt sind, ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bzw. die Investitionsbank Berlin seit Anfang 2016 der Auffassung, dass die Mieten nicht mehr um jährlich 0,1278 €/m² erhöht werden dürfen. Dann wären in dem Nachwirkungszeitraum von 10 bzw. 12 Kalenderjahren nur noch die Mieterhöhungen aufgrund der Erhöhungen der Pauschalen für Verwaltungs- und Instandhaltungskosten zulässig – alle drei Jahr zwischen 0,03 € und 0,05 € / m². Nicht nachvollziehbar ist jedoch, weshalb der Eigentümer schlechter gestellt werden soll, wenn das Aufwendungsdarlehen mit einem Einmalbetrag vorzeitig vollständig zurückgezahlt wird im Gegensatz zu einer langjährigen Rückzahlung nach einem Zahlungsplan. Erst recht ist es abwegig, dass die Investitionsbank Berlin bis Anfang 2016 hinnahm bzw. sogar schriftlich gegenüber den Fördernehmern bestätigte, dass auch nach der Rückzahlung der öffentlichen Darlehen die Mieterhöhungen um jährlich 0,1278 EUR/m² zulässig seien, um dann plötzlich Abstand von dieser Verwaltungspraxis zu nehmen. Fraglich ist schon, ob die bisher praktizierte Praxis der Aussetzung der jährlichen Mieterhöhungen von 0,1278 EUR/m2 ohne eine gesetzliche Regelung rechtlich zulässig ist. Vielmehr regelten sowohl die Anschlussförderungsrichtlinien als auch die Verpflichtungserklärungen, dass der Fördernehmer berechtigt ist, die Miete um jährlich 0,1278 EUR/m² zu erhöhen. Diese regelmäßigen Mieterhöhungen werden von der IBB auch in der sogenannten Ruhephase zwischen dem Ende der Subventionsphase und dem Beginn der Bedienung des öffentlichen Darlehens verlangt, um bei der Darlehensbedienung von höheren Erträgen ausgehen zu können.
TPP: Welche zusätzlichen Probleme ergeben sich für die betroffenen Fördernehmer beziehungsweise Eigentümer von Berliner Sozialwohnungen?
A. E.: Sie sind bei Auseinandersetzungen mit der Investitionsbank Berlin mit der Frage konfrontiert, ob sie Ansatzverzichte, die bei dem Antrag auf Anschlussförderung von den Fördernehmern abverlangt worden sind, in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung dauerhaft zu berücksichtigen haben. Diese betreffen Zinsen für planmäßig getilgte Darlehen bzw. Darlehensteile. Dabei gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärungen der Fördernehmer auf Kapitalkostenansatzverzichte sowohl in einer Anschlussförderungsrichtlinie als auch in einer sog. Verpflichtungserklärung keine rechtliche Wirksamkeit entfalten. Insbesondere sprechen Argumente dafür, dass die Fördernehmer im Zeitpunkt der Gewährung der Anschlussförderung nur für die Dauer der 15jährigen Anschlussförderung bzw. der Bedienung der öffentlichen Darlehen an weiteren Reglementierungen gebunden sein sollten. Das Land Berlin dürfte jedoch bestrebt sein, an seinen Rechtspositionen im Hinblick auf einen dauerhaften Kapitalkostenansatzverzicht im Rahmen von durchzuführenden Mietprüfungen festzuhalten und dem Fördernehmer beziehungsweise Eigentümer notfalls mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens drohen.
TPP: Wie sollten sich die betroffenen Eigentümer angesichts dieser Situation verhalten?
A. E.: Auf den ersten Blick bleibt ihnen nur die Möglichkeit, sich zu fügen oder ihre Rechtsauffassung vor einem zivilen Amtsgericht oder in einem Ordnungswidrigkeits- bzw. Bußgeldverfahren zu verteidigen. Bei den wohnungsbauförderungsrechtlichen Problemen geht es jedoch um die Klärung verwaltungsrechtlicher Fragestellungen, die ein Fördernehmer nicht "von der Anklagebank aus“ betreiben müssen sollte. Die Betroffenen sollten daher anstreben, den Gang zum Verwaltungsgericht als sachnäheres und "fachspezifisches“ Gericht durch eine Feststellungsklage einzuschlagen, wenn ihnen wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren droht.
TPP: Herr RA Empere, vielen Dank für das Interview!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: 2. März 2018