07.04.2016

Quo Vadis

Digitalisierung von Prozessen in der Immobilienwirtschaft

Jens Kramer, CEO, PROMOS consult Projektmanagement, Organisation und Service GmbH
Jens Kramer

Die ganze Immobilienwirtschaft hat es sich auf die Agenda gesetzt. Tagungen und Foren behandeln das Thema seit einigen Jahren kontinuierlich. Dennoch lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass die Praxis der Theorie hinterherhängt. Die Rede ist vom Prozess der Digitalisierung in allen Feldern der Immobilienbranche – mittels Informationsaustausch via Internet, Datensicherung in der Cloud usw. Was in der kommenden Zeit zu erwarten ist und warum gerade in Deutschland noch Aufholbedarf besteht, erklärt Jens Kramer, Geschäftsführer von PROMOS consult.

Obgleich der Digitalisierung bereits eine hohe Bedeutung beigemessen wird, ist der Digitalisierungsprozess in der Immobilienwirtschaft noch nicht weit voran geschritten. Herr Kramer, wo steht die Immobilienbranche ihrer Meinung nach aktuell beim Thema Digitalisierung?
Generell sind wir auf einem sehr guten Weg, der geradewegs in eine höhere Wirtschaftlichkeit der ganzen Immobilienbranche führt. Doch im Vergleich zu den USA hinken wir in Europa und speziell bei uns in Deutschland immer noch hinterher. Und auch im Vergleich zu anderen Branchen in Deutschland scheint die Immobilienwirtschaft noch in den Kinderschuhen zu stecken: denken Sie nur daran, wie lange man schon den Versand von Paketen bis zur Zustellung im Internet verfolgen kann oder Sie Ihre Vertragsdaten bei Ihren Versicherungsunternehmen einsehen und ändern können. Dagegen sind digitale Mieterkonten oder die Online Verfolgung von Reparaturaufträgen bislang eher die Ausnahme.

Welche Zweige der Immobilienwirtschaft müssen sich in besonderem Maße auf diesen Prozess einstellen und wie genau verändert die Digitalisierung den Markt?
Ich möchte das Wort Digitalisierung in diesem Zusammenhang vielleicht eher als Industrialisierung verstehen. Es geht in erster Linie darum, standardisierte Massenprozesse zu automatisieren. Das heißt, es werden Daten am Ort des Ursprungs aufgenommen, die daraus resultierenden Aufträge oder Folgearbeiten werden in einem Workflow automatisch ausgelöst und bearbeitet. Diese Art des Prozessmanagements existiert oberflächlich betrachtet zwar schon, aber eben nur oberflächlich betrachtet. Schaut man tiefer hin, so werden auf schicken Endgeräten Informationen eingegeben und als E-Mail versendet. Die Informationen dieser E-Mail müssen dann manuell in anderen Programmen verarbeitet werden. Wo wir aber in einem Industrialisierungsprozess hinkommen müssen ist, dass die dezentral erzeugten Daten nicht mehr manuell nacherfasst werden müssen, sondern direkt in die führenden Programme laufen und sich so automatisiert in den Mieterakten, Objektakten, den Debitoren- und Kreditorenkonten und der Buchhaltung wiederfinden. Nur so entsteht echte Prozesseffizienz, Schnelligkeit, Transparenz und Kundenservice.

Wo lohnt sich eine höhere Digitalisierung sprich Industrialisierung und wo eher nicht?
Es lohnt dort, wo Daten immer nach dem gleichen Schema dezentral erfasst und zentral verfügbar sein müssen. In der Immobilienwirtschaft sind dies bei fertigen Immobilien beispielsweise die Übergabe und Übernahme von Mietflächen, die Aushändigung von Schlüsseln, das Auslösen von Reparatur und Instandhaltungsaufträgen sowie deren Abnahme, das Erfassen von Qualitäten der Mietfläche für die Bewertung oder für das Ermitteln einer ortsüblichen Vergleichsmiete, wenn es sich um Wohnimmobilien handelt.

Ohne Datenaustausch keine Prozessoptimierung – liegt in der Bereitstellung der jeweiligen Informationen das größte Hindernis für eine effiziente Digitalisierung der Branche?
Absolut, ja. Das gilt innerhalb von Unternehmen, wenn verschiedene Softwareprodukte nicht integral verbunden sind und dann über Exporte, manuelle Eingriffe und Importe Daten ausgetauscht werden. Und zwischen Unternehmen, wenn beispielsweise Handwerker nicht bereit sind, in einer digitalen Oberfläche Aufträge anzunehmen, deren Ausführung in Menge und Zeit zu erfassen und hierüber die Rechnung und den Zahlungsfluss auszuüben. Die Technologien gibt es, die Einführung mangelt häufig an der Angst, einen bestehenden Prozess zu ändern, an der Scheu der Mitarbeiterschulung und der Sorge an nachgelagerte Unternehmen den Druck zur Nutzung der integrierten Oberfläche aufzubauen. So werden leider viele Möglichkeiten der Prozessoptimierung und damit der dauerhaften Kosteneinsparung verspielt. Aber es geht nicht nur um Kosten. Arbeitsaufgaben und benötigte Qualifikationen werden sich verändern. So sind heute die mobilen Datengeräte derart komfortabel, dass für die Bedienung keine Schulung oder ein immobilienwirtschaftliches Expertenwissen notwendig ist. Zeit, die so gewonnen wird, kann in wertschaffende Arbeiten eingebracht werden. Oder die Arbeitstiefe kann sich deutlich ändern: wieso soll nicht direkt der Mieter über ein Onlineportal den vor Ort Termin mit dem Handwerker ausmachen? Eine stille Post Schlange zwischen Mieter, Vermieter und Handwerker würde so überflüssig.

Welche Herausforderungen gibt es zu meistern und welche Chancen bietet die Informationstechnologie künftig?
In erster Linie müssen wir die Ängste vor Komplexität, Einführung, Wettbewerb und Datentransparenz beseitigen. Wenn die handelnden Personen in den Unternehmen dann erkennen, dass sie schneller agieren können, sprich: eine gekündigte Mietfläche schneller renovieren und schneller wieder vermieten können, wenn sie erkennen, dass sich Marktveränderungen automatisch in die Bewertung überführen lassen und wenn sie erfahren, das aktuelle Objektdaten einen Verkaufsprozess deutlich beschleunigen, dann wird der Vorteil von digitalen, industrialisierten und integrierten Prozessen auch in der Immobilienwirtschaft eine höhere Akzeptanz finden als es heute der Fall ist.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von PROMOS consult Projektmanagement Organisation und Service GmbH
Erstveröffentlichung: ImmobilienManager 12/2015