26.03.2020

Prüfstein der Digitalisierung

Corona-Krise zeigt Potenziale und Grenzen auf

Dr. Chris Richter, Geschäftsführer, ANIMUS GmbH & Co.KG
Dr. Chris Richter

Persönliche Kontakte werden auf ein Minimum reduziert, die Nutzung digitaler Lösungen nimmt rasant zu. Doch inwieweit werden die aktuellen Trends die Immobilienwirtschaft langfristig prägen? Und welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? TPP sprach darüber mit Dr. Chris Richter, Geschäftsführer der Animus GmbH & Co. KG, Ratingen.


The Property Post: Herr Dr. Richter, aktuell werden wahrscheinlich in deutschen Immobilienunternehmen – und in anderen Branchen ebenso – so viele Telefon- und Videokonferenzen abgehalten wie nie zuvor. Viele Beschäftigte sind zwar in diesen Tagen nicht an ihren regulären Büroarbeitsplätzen anzutreffen, arbeiten aber mit Laptop, Tablet und Smartphone von zu Hause aus weiter. Beschleunigt die Corona-Krise die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft, die lange Zeit nur relativ langsam in Gang kam?
Dr. Chris Richter:
Im Prinzip ja, die Situation in den einzelnen Unternehmen ist aber sehr unterschiedlich. Einige haben schon seit Jahren konsequent digitalisiert und die entsprechenden Infrastrukturen geschaffen. Für diese Unternehmen sind die im Moment notwendigen Änderungen der Arbeitsweise gut zu bewältigen, weil sie bereits darauf eingestellt sind. Andere haben erst in den vergangenen Tagen hektische Aktivitäten gestartet, um halbwegs Homeoffice-fähig zu werden. Wo notwendigen Anpassungen in den vergangenen Jahren versäumt wurden, müssen sie jetzt oft unter hohem Zeitdruck nachgeholt werden.

TPP: Beobachten Sie dabei ein generelles Umdenken in den betreffenden Unternehmen?
C. R.:
Zu einem großen Teil ja. Die Notwendigkeit der Digitalisierung wird insgesamt stärker wahrgenommen als zuvor. Allerdings bleibt das Thema nach wie vor eine Sache der Unternehmensspitze. Es macht weiterhin einen erheblichen Unterschied, ob der CEO und das Top-Management dafür aufgeschlossen sind oder nicht. Gleichzeitig werden die Wettbewerbsvorteile derjenigen, die konsequent digitalisieren, immer deutlicher sichtbar.

TPP: Werden die aktuellen Veränderungen uns auch nach der Coronakrise weiter begleiten oder werden Unternehmen dann wieder zu ihren vorherigen Vorgehensweisen zurückkehren?
C. R.:
Ich rechne auf jeden Fall damit, dass sich auf Dauer etwas verändern wird. Die Reisetätigkeit dürfte beispielsweise insgesamt abnehmen, weil Unternehmen verstehen, dass es wenig wirtschaftlich ist, wenn mehrere Personen womöglich in stundenlangen Bahnfahrten oder Flügen zu einem Meeting anreisen, um dann dort dann gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und zu beschließen. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass bei Nutzung von Telefon- oder Videokonferenzen wesentlich effizienter gearbeitet wird. Die einzelnen Teilnehmer kommen besser vorbereitet in die Konferenz, Lösungsvorschläge werden oft vorher zirkuliert, abgestimmt und dann in der Konferenz nur noch endverhandelt und beschlossen. Außerdem ist so eine insgesamt höhere Taktung von Meetings und Terminen möglich, weil zwischendurch weniger Zeit für Wege und Fahrzeiten verloren geht. Zudem wollen jüngere Beschäftigte oft dauerhaft mehr von zu Hause aus arbeiten, um Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können, ohne dass sie dabei Einkommenseinbußen durch verkürzte Arbeitszeiten hinnehmen müssen.

TPP: Welche Unternehmen können in der Coronakrise von einem hohen Digitalisierungsgrad profitieren und wo wird es eher schwierig?
C. R.:
Zu den Gewinnern der Situation zählen Immobilienunternehmen, die gut vorbereitet waren und eine digitale Infrastruktur aufgebaut haben, die sofort einsatzfähig war oder nur minimale Anpassungen erforderte. Für sie dürfte die Krise vergleichsweise gut überbrückbar sein, natürlich immer unter der Voraussetzung, dass ihr Geschäftsmodell selbst nicht massiv durch die Krise beeinträchtigt wird. Schwierig wird es vor allem für jene, die keine finanziellen Reserven für ein schnelles Nachholen versäumter Investitionen haben oder für junge Unternehmen, die noch keinen ausreichenden Kundenstamm haben und deshalb einen überproportional großen Teil ihrer Aktivitäten dem Vertrieb widmen müssen.

TPP: Herr Dr. Richter, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Animus GmbH & Co. KG
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2020

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