Ein Gespräch zu strategischen Optionen von Bauträgern im gegenwärtigen Marktumfeld
The Property Post (TPP): Herr Lindner, gemeinsam sind wir stark, heißt es so schön. Inwiefern arbeiten Sie partnerschaftlich mit „Ihren" Bauunternehmen zusammen?
Ingo Lindner: Umfang und Intensität der Zusammenarbeit lassen sich nicht pauschalisieren. Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich und hängt maßgeblich vom Vertrauen zwischen den Partnern ab – insbesondere auf der Ebene der handelnden Personen. Durch diese wichtige Voraussetzung ist der Kreis der Bauunternehmen, mit denen wir als mittelständischer Projektentwickler partnerschaftlich zusammenarbeiten, begrenzt.
Darüber hinaus gibt es größere GUs, die von sich aus partnerschaftliche Modelle anbieten. Bei diesen startet die Zusammenarbeit oft recht früh, nicht selten schon in Leistungsphase 0 und manchmal sogar vor dem Ankauf des Grundstücks. Der GU macht in diesem Fall auch die gesamte Planung und Kalkulation selbst, so dass wir als Entwickler schon frühzeitig wissen, wo wir kostenmäßig rauskommen werden. Was wir nicht machen würden, ist eine integrierte Projektentwicklung zum Beispiel nach dem IPA-Model, bei der wir mit den Planern und dem GU in eine Projektgesellschaft gehen würden. Das ist für unser Geschäftsmodell zu eng.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit, so wie wir sie betreiben, funktioniert im Marktgeschehen unter Normalbedingungen bei rund 80 Prozent der Projekte. Ausgeschlossen sind Vorhaben, bei denen es um elaborierte Architektur und dann eben auch um persönliche Eitelkeiten geht. Denn wie in jeder guten Partnerschaft müssen sich die Partner auch ein Stück zurücknehmen können, damit die Zusammenarbeit gut funktioniert und am besten für den Regelbetrieb ist es, wenn das Projekt innerhalb bekannter Bahnen bleibt.
TPP: Der Stand der Digitalisierung gilt in der Bau- und Immobilienindustrie als niedrig. Müssen Projektentwickler digitale Leistungen von Planern und Bauunternehmen aktiver einfordern, um die Produktivität zu steigern?
Ingo Lindner: Die Digitalisierung bei der Planung mittels BIM ist für Bauherren und Planer eine zweischneidige Geschichte. Für kleinere Büros lohnt sich die Investition in teure Softwarepakete nicht. Als Bauherr müssen sie zudem einen BIM-Manager bezahlen, das lohnt also auch nur ab einer gewissen Projektgröße, zumal der GU den Kostenvorteil einer minutiösen Planung in der Regel nicht über günstigere Preise zurückgibt. Und tatsächlich sind auch bei einem digitalen Zwilling längst nicht alle Fragen eines Planungsprozesses beantwortet. In einer frühen Planungsphase wird eine Tür beispielsweise vom Planer mit wenigen Attributen beschrieben. Tatsächlich gibt es für die infrage kommende Tür dann bei der Baudurchführung eine Vielzahl (bis zu 80) Attribute, die abgewogen werden müssen. Das sind nur wenige von einer ganzen Reihe von Gründen, warum die Euphorie für BIM, nachdem sie vor drei Jahren ihren Peak erreicht hat, wieder abgeflaut ist. Wir selbst haben aktuell zwei – größere - Projekte, die mittels BIM realisiert werden.
Auf der Baustelle spricht dagegen vieles für mehr Digitalisierung. Vor allem bei mittleren und großen Vorhaben ist Lean Production Management ein echter Vorteil. Eine digitale Koordination der Einzelgewerke bringt Kostenvorteile und erlaubt eine deutlich präzisere Steuerung eines Vorhabens, als das mit den in der Vergangenheit gängigen Balkenterminplänen noch der Fall war. Große GUs stellen inzwischen gern einen großen Bildschirm auf der Baustelle auf, auf dem sich die Subunternehmer die individuellen Terminvorgaben des Vorhabens ansehen können – da hat dann jeder im Blick, ob er im Plan ist oder sich sputen muss.
TPP: Die Auftragslage am Bau ist schlecht. Welche Folgen hätte ein Schrumpfen der Bauindustrie für die Projektentwickler, generell für die Bauherren?
Ingo Lindner: Ein Schrumpfen der Bauindustrie birgt Risiken, aber auch zahlreiche Chancen für die Entwicklerseite. Weil Überkapazitäten verschwinden, dürften sich die Baupreise stabilisieren – wenn auch auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Die Zeit der Glücksritter sowohl bei den Projektentwicklern als auch bei den ausführenden Unternehmen ist jedenfalls vorbei. Etablierte Unternehmen mit einem tragfähigen Geschäftsmodell werden sich am Markt behaupten. Ihr Standing im Markt und ihre jahrelangen vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen sind unabdingbar geworden für die Finanzierungsseite und wichtige Voraussetzungen für Kreditzusagen und Prolongationen. Der Zugang zu Fremdkapital ist aktuell der Schlüssel für den Fortbestand eines Entwicklers.
TPP: Wo läuft es aktuell gut? Wo schlecht? Kann man nach Nutzungsarten oder in Richtung Neubau/Bestand unterschiedliche Aussagen über die Marktsituation machen?
Ingo Lindner: Grundsätzlich muss man zur Kenntnis nehmen, dass einige Teilmärkte komplett zum Erliegen gekommen sind. Währen Büroentwicklung beispielsweise in Leipzig gut funktioniert, findet an anderen zuvor noch dynamischen Standorten praktisch keine Flächenabnahme mehr statt. Dort halten auch viele Entwickler die Füße still. Die Konsequenz ist, das Produktportfolio zu diversifizieren und sich als Entwicklungsunternehmen möglichst breit aufzustellen. Wir werden demnächst auch im Mietwohnungsbau tätig werden. Das Produkt ist im Vergleich zu Hotels beispielsweise simpel, so dass wir unsere Kompetenzen aus der Hotelentwicklung gut nutzen können und nur geringfügig anpassen müssen.
Bestandsentwicklung ist dagegen für uns derzeit keine Option. Neubau ist in der Regel energetisch besser und die Entwicklung- oder gar Umnutzung von Bestandswohnungen rechnet sich in der gegenwärtigen Marktsituation meist nicht.
TPP: Vielen Dank für das Gespräch.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2024