Auf Datenqualität und -verfügbarkeit kommt es an
Auch in der Immobilienwirtschaft setzen sich Plattformlösungen bei der Datenverarbeitung immer stärker durch. Über die Gründe dafür und einige kritische Punkte, die Unternehmen im Blick behalten sollten, sprach The Property Post darüber mit Richard Gerritsen, Senior Director bei Yardi Systems.
The Property Post: Herr Gerritsen, die Nachfrage von Immobilienunternehmen nach Plattformlösungen nimmt immer weiter zu. Was sind die Gründe dafür?
Richard Gerritsen: Unternehmen erleben in ihrem Alltag immer mehr, wie entscheidend und wichtig Datenqualität und Datenverfügbarkeit sind. Das Thema an sich ist eigentlich nicht neu und beschäftigt uns schon seit Jahrzehnten. Aber je besser die technischen Möglichkeiten zur Vernetzung, zur Kommunikation und zur Datenverarbeitung werden, desto stärker wird es zum Problem, wenn die Datenqualität dafür nicht ausreicht oder wenn Daten nicht schnell genug am richtigen Ort verfügbar sind.
TPP: Können Sie uns das etwas näher erklären?
R. G.: Zu jeder Immobilie gibt es verschiedenste Daten, die baulich-technische Aspekte, wirtschaftliche Aspekte oder Fragen der Nutzung betreffen. Diese Daten fallen teilweise intern, teilweise extern an. Aber nur dann, wenn sie an einem Ort so zusammengeführt werden, dass ein schneller Zugriff darauf möglich ist, lässt sich effizient damit arbeiten und das Immobilienunternehmen wird produktiver. Dazu kommt natürlich auch, dass heute viel größere Datenmengen generiert werden und für eine Nutzung zur Verfügung stehen, auch wenn das im Einzelfall manchmal von vornherein gar nicht absehbar ist.
TPP: Wie spiegelt sich das in der Praxis wider?
R. G.: Traditionell haben Vermieter vor allem Tabellen mit den Soll- und den Istmieten geführt, dazu vielleicht noch eine Übersicht zu geplanten und realisierten Instandhaltungsmaßnahmen etc. Das ist natürlich heute nicht mehr zeitgemäß. Der Immobilienmanager wird immer mehr zum Operator, der Daten analysieren und auf dieser Basis Entscheidungen treffen muss. Dabei muss eine moderne Plattformlösung auch in der Lage sein, Daten zu erfassen und für eine Auswertung vorzuhalten, die vielleicht erst später relevant werden.
TPP: Wie ist das zu verstehen? Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?
R. G.: Ja, mir fällt dazu ein aktuelles Beispiel aus der Hochphase der Covid-19-Pandemie ein. Jemand, der eine größere Zahl von Appartements im Stadtzentrum einer Großstadt überwiegend an internationale Berufspendler und Expats vermietet, musste sich innerhalb relativ kurzer Zeit mit einem Wegbrechen eines großen Teils seiner Mieterschaft auseinandersetzen. Bei der Frage, wann sie zurückkehren würden, spielten nicht nur die Situation und die Regeln zur Pandemiebekämpfung in Deutschland, sondern auch die entsprechenden Gegebenheiten in den jeweiligen Heimatländern der Mieter eine Rolle. Während die Information über die Nationalität beziehungsweise die Herkunft des Mieters vorher völlig irrelevant war, erlaubten diese Daten – sofern vorhanden – nun plötzlich gewisse Prognosen, zur vermutlichen Rückkehr der Mieter und erleichterten dem Vermieter damit seine internen Kalkulationen. Die Auswertung solcher Daten kann dem Vermieter also helfen, Gründe für die Entwicklung von Leerständen und die damit verbundenen Risiken besser zu verstehen und die Auswirkungen besser abzuschätzen. Deshalb ist es unsere Vision, so viele Daten wie möglich auf einer Plattform zusammenzuführen und dort für alle Beteiligten verfügbar zu machen, für die sie relevant sind, natürlich immer im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften.
TPP: Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem bei der Implementierung von modernen Plattformlösungen?
R. G.: Das wichtigste Problem muss eigentlich schon lange vor der Implementierung gelöst werden. Es besteht darin, sich die große Ineffizient beim herkömmlichen Umgang mit Daten zu vergegenwärtigen. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass von der Zeit, die sich Immobilieneigentümer traditionell mit Daten beschäftigen, vielleicht 90 Prozent auf das Sammeln und Kontrollieren von Daten entfallen, aber nur rund zehn Prozent auf die Analyse der Daten und deren Nutzung für Managemententscheidungen. Mit modernen Plattformlösungen sollte es genau umgekehrt sein. Das ist eine gewaltige „Produktivitätsfalle“, über die sich viele Unternehmen nicht im Klaren sind. Perspektivisch müssen wir dahin kommen, dass Daten nicht nur gesammelt und aggregiert, sondern auf unterschiedlichste Art analysiert und nutzbar gemacht werden.
TPP: Worin sehen Sie, abgesehen von der Zeitersparnis, weitere Gründe für Plattformlösungen?
R. G.: Der effiziente Umgang mit Daten wird für Immobilienunternehmen immer mehr zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Jeder sagt: „Wir müssen näher an unsere Mieter herankommen und sie besser verstehen.“ Aber wie lässt sich das erreichen? Um die Nutzer von Wohnungen oder Büros besser zu verstehen, auf ihre Bedürfnisse eingehen und eigene Produkte entsprechend anpassen zu können, muss ich erst einmal etwas über sie wissen. Und das geht eben über die wenigen Daten hinaus, die vielleicht im Mietvertrag stehen.
TPP: Herr Gerritsen, vielen Dank für das Gespräch.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Yardi Systems GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juli 2022