Trend zu Investitionen im europäischen Ausland
Bei der Suche nach Investments geht der Blick vermehrt ins Ausland, wo derzeit eine positivere wirtschaftliche Entwicklung verzeichnet wird und attraktivere Renditen möglich sind. Matthias Brodeßer, Head of Transaction Management Office International bei der HIH Invest, erläutert im Interview, welche Vorteile mit Investitionen im europäischen Ausland verbunden sind.
The Property Post (TPP): Warum reagieren institutionelle Anleger momentan verhalten, wenn es um Investitionen in Deutschland geht?
Matthias Brodeßer (MB): Das hat sowohl psychologische als auch wirtschaftliche Komponenten. Einerseits verunsichert die schwache wirtschaftliche Entwicklung im Land die Investoren, andererseits können die Renditeerwartungen der Investoren in Deutschland aktuell nicht erfüllt werden. Dazu kommt die Entwicklung der Zinsen: 2024 erwarten wir noch keine signifikanten Zinssenkungen, was die Unsicherheit der Investoren verstärkt. Daher sind wir aktuell mit der Situation konfrontiert, dass Immobilienverkäufer und -käufer nicht zusammenkommen. Das löst sich erst, wenn beide Parteien das Gefühl haben, einen guten Deal zu machen.
Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Transaktionsvolumina in ganz Europa signifikant gesunken sind – der Trend ist also in allen europäischen Märkten mehr oder weniger identisch. Aber die Bedingungen sind im europäischen Ausland anders, das liegt z. B. auch an unterschiedlichen Bewertungssystemen: In Deutschland werden die Immobilien einmal pro Jahr bewertet, quasi in einer Rückwärtsbetrachtung. So wird in Großbritannien in der Regel quartalsweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktlage bewertet. Dort, wie auch in den nordischen Ländern, gibt es auch ein großes Universum an gelisteten Immobilienaktiengesellschaften. An den Börsen haben die entsprechenden Gesellschaften bereits eine signifikante Anpassung erfahren. Die illiquiden Anlagen folgen in der Regel den Liquiden. Dadurch gibt es mehr Dynamik und Volatilität im Markt, auch bei der Preisanpassung. Gerade in Zeiten mangelnder Transaktionen als Evidenz sind dies wichtige Datenpunkte, die die Kaufvertragsparteien näher zusammenbringen.
TPP: Die internationale, britische Wochenzeitung “The Economist” titelte im August 2023 „Is Germany once again the sick man of Europe?” Realität oder Übertreibung?
MB: Nach der Finanzkrise wurde Deutschland als krisensicher angesehen, jedoch hat man hierzulande versäumt, die Hausaufgaben zu machen. Denken wir an die unzureichende Digitalisierung sowie die überbordende Regulierung und Bürokratie, die Immobilieninvestitionen erschweren. Unsere europäischen Nachbarländer sind in diesen Bereichen weiter fortgeschritten und bieten den Investoren somit strukturelle Vorteile.
TPP: Von welchen europäischen Märkten sprechen wir?
MB: Wir screenen derzeit gezielt Investmentopportunitäten in den Hauptstädten Westeuropas, da wir dort gute Renditechancen sehen. Betrachten wir einmal den Bürosektor: In München oder Berlin sehen wir Nettoanfangsrenditen von etwa 4,4 Prozent, während wir in London, Amsterdam und Brüssel beispielsweise Renditen von 5,5 Prozent erzielen können.
Im Bürosektor spielt auch das Thema Homeoffice eine Rolle. Europaweit scheint es auf das 3+2-Modell hinauszulaufen, also 3 Tage Präsenz im Büro. Der nationale Unterschied besteht darin, dass die Arbeit zuhause sich hierzulande erst während der Pandemie durchgesetzt hat. Im europäischen Ausland war die Arbeit im Homeoffice bereits vorher viel verbreiteter. Wenn dort heute ein Viertel der Mitarbeiter von zu Hause arbeitet und vor der Pandemie waren es bereits rund 20 Prozent, dann fällt der Unterschied eben deutlich geringer aus als in Deutschland, wo vor 2020 höchstens fünf Prozent der Angestellten teils im Homeoffice tätig waren.
TPP: Die Investoren der HIH Invest sind also gegenüber Investitionen in den europäischen Metropolen aufgeschlossen?
MB: Wir sehen bei unseren Anlegern grundsätzlich ein wachsendes Interesse am europäischen Ausland.
TPP: Welche Rolle spielen ESG-Aspekte im europäischen Ausland?
MB: ESG spielt im europäischen Ausland ebenso wie in Deutschland eine wichtige Rolle. Es gibt nicht das „eine“ ESGGesetz, allerdings hat die Europäische Union mit dem ESG Legal Framework einen Rahmen vorgegeben. So sind die Regelungen und Fristen in den einzelnen Ländern unterschiedlich festgelegt worden. Die Benelux-Staaten oder Großbritannien sind viel weiter vorangeschritten, was Restriktionen betrifft. In den Niederlanden dürfen z. B. Büros mit einer Energieeffizienzklasse ab D nicht mehr vermietet werden. Zentrale, hochwertig ausgestattete, ESG-konforme Büros mit einer guten Energieeffizienzklasse sind dementsprechend stark nachgefragt – diese hohe Nachfrage sehen wir auch in Deutschland. Allerdings können Büroobjekte in den europäischen Metropolen aufgrund der fortgeschrittenen Korrekturen derzeit zu günstigeren Preisen erworben werden als bei uns. Das macht die Investition dort besonders attraktiv.
TPP: Die Zukunft der Immobilieninvestition liegt also im europäischen Ausland?
MB: Das würde ich so nicht sagen. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas und wird sicher auch weiterhin im Fokus deutscher institutioneller Investoren bleiben. Die Motivation von Investoren, über die Grenzen hinweg zu investieren ist entweder ein Renditepremium oder dient der Risikodiversifikation. Aktuell bekommen sie beides.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HIH Invest Real Estate
Erstveröffentlichung: The Property Post im Mai 2024