„Die Nachfrage ändert sich“
The Property Post: Herr Dötsch, mit dem Ukraine-Krieg, der daraus folgenden Inflation, dem Zinsanstieg und der folgenden Instabilität der Lieferketten hat sich nicht nur die politische und wirtschaftliche Lage in Europa und Deutschland schnell geändert. Die Verwerfungen bedeuten auch eine teilweise Neuausrichtung der Lieferketten und der „Logik“ des hiesigen Logistikmarktes. Wie genau schlägt sich das in Logistikimmobilien nieder?
Matthias Dötsch: Allgemein würden wir sagen, dass wir eine Zurückhaltung am Markt wahrnehmen. Das betrifft im Besonderen die in der Entwicklung befindlichen Projekte, da die Kombination aus gestiegenen Zinsen, unkalkulierbaren Baukosten und Lieferkettenproblemen manche Projekte wegen fehlender Rentabilität stoppt oder im schlimmsten Fall ganz zum Erliegen bringt. Bis jetzt hat zum Beispiel die Studie von bulwiengesa zum Logistikmarkt allerdings gezeigt, dass die Fertigstellungsquote im Logistikbereich zumindest aktuell vergleichsweise gut ist. Sie notiert mit erwarteten 5,8 Mio. Quadratmetern Fertigstellung rund zehn Prozent über den 5,3 Mio. Quadratmetern vom letzten Jahr.
TPP: Wie sieht die Lage bei den Finanzierungen und Investments aus?
MD: Auch das ist nicht einfach vorherzusagen. Aktuell sehen wir aber, dass Banken bei Finanzierungsanfragen zum Beispiel höhere Sicherheiten verlangen. Demnach ist die Aufnahme von Fremdkapital zu den aktuellen Konditionen für einige Marktteilnehmer aktuell kein Thema. Bei Investments spürt man eine gewisse Zurückhaltung. Aber wie es mittelfristig weitergeht, bleibt schwierig abzusehen. Viel hängt natürlich am politischen Weltgeschehen. Auf unsere Projekte bezogen: Wir bieten stark nachgefragte Produkte an und konnten bislang keine Probleme feststellen. Es wird in Zukunft noch mehr als ohnehin schon auf die Qualität der Objekte ankommen. Durch ESG und die Taxonomieverordnung haben es weniger nachhaltige Produkte zum Beispiel nochmal schwerer – das betrifft sowohl die Banken-Finanzierung als auch den Investmentmarkt.
TPP: Das heißt, sie suchen weiter nach Grundstücken für neue Projekte?
MD: Absolut. Das aktuelle Weltgeschehen hat die Nachfrage nicht gebremst, nur verändert. Liefersicherheit und demnach Lagerfähigkeit hat sich mittlerweile für Logistikunternehmen bzw. Logistikanlagen als Kriterium auf der Liste weit nach oben geschoben. Ansonsten gilt: Wir schauen uns in ganz Deutschland nach passenden Grundstücken um. Dabei spielt es für uns keine Rolle, ob wir von Greenfield, Brownfield, Beständen mit Potenzial oder Baulandreserven sprechen. Je nachdem, um welche Nutzungen es geht, also Industrie oder Gewerbe, suchen wir Flächen ab 5.000 Quadratmeter aufwärts, mit Zielgrößen von 5.000 bis 40.000 Quadratmeter, mit vorhandenem Baurecht.
TPP: Was erwarten Sie außerdem für die kommenden Monate?
MD: Da müssten wir einen Blick in die viel zitierte Glaskugel werfen. Klar ist nur, dass viel Unsicherheit vorherrscht. Aber auf der anderen Seite bringen große Änderungen am Markt Potenzial für neues mit. Das sehen wir ja bereits an den sich ändernden Anforderungen an Lieferketten: Versorgungssicherheit steht über allem, also ist die Lagerhaltung für viele Unternehmen ein zentraler Punkt geworden. Vormals war Lagerhaltung vor allem aus Kostengründen eher zweitrangig bei Logistikimmobilien anzusehen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von COMPLEMUS Real Estate
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2023