Was steigende Zinsen für den Immobilienmarkt bedeuten.
Die Fed hat am 26. September erneut den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf jetzt 2,25 Prozent angehoben. Damit vollzieht sich in den USA eine endgültige Abkehr von der Niedrigzinspolitik, die die Nach-Finanzkrisen-Ära prägte. In den letzten zwei Jahren sind die Zinsen in den USA um fast 200 Basispunkte gestiegen. Angesichts dessen fragen sich immer mehr Marktteilnehmer in Europa, ob und wie lange sich die EZB dem Trend zu steigenden Zinsen entziehen kann und was steigende Zinsen für den Immobilienmarkt hierzulande bedeuten? The Property Post sprach mit Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, Universität Regensburg.
TPP: Zwei der wichtigsten Notenbanken haben den Weg zu höheren Zinsen eingeschlagen: In den USA ist der Leitzins seit wenigen Tagen (26. September 2018) bei 2,25 Prozent, auch die Bank of England hat den Leitzins im August 2018 auf 0,75 Prozent angehoben. Wie lange kann die europäische Zentralbank (EZB) diesem Trend noch entgegen halten?
PSS: Es ist durchaus denkbar, dass die Zinsen in der Eurozone noch lange niedrig sind, während sie in den USA und im Vereinigten Königreich weiter steigen. Der Auftrag der EZB ist nicht der, sich an anderen Notenbanken zu orientieren. Sie ist allein der Preisstabilität in der Eurozone verpflichtet, was heißt, dass sie eine stabile Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt. Ihre Zinsentscheidungen trifft sie ausschließlich anhand der von Entwicklung von Konjunktur und Inflation in Europa.
Allerdings ist die Zinsdiskrepanz zwischen Euro und US-Dollar nicht ohne Folgen. Der Zinsunterschied trägt unter anderem dazu bei, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar abwertet. Diese indirekte Einflussnahme auf den Wechselkurs nimmt die europäische Notenbank in Kauf. Ein schwacher Euro fördert Exporte und stimuliert damit die Wirtschaft in der Eurozone. Dies wiederum führt u.a. zu steigenden Löhnen und Preisen, womit die EZB ihrem Ziel näher kommt.
Kehren dann nicht viele Investoren Europa den Rücken und investieren wieder in die USA, wenn sie dort deutlich höhere Zinsen bekommen?
Teilweise ist das sicherlich so. Aber alle Investoren, die in Euro rechnen, werden sich das zweimal überlegen. Warum? Weil sie dann dafür das Währungsrisiko in Kauf nehmen müssen. Die Frage vor der jeder Investor dann steht: Nehme ich für einen oder 1,5 Prozentpunkte mehr Rendite das Kursrisiko auf mich?
Die langfristigen Zinsen steigen bereits seit geraumer Zeit ohne das Zutun der EZB. Bedeutet das, dass die Zinswende auch ohne ein Eingreifen der EZB kommen kann?
Die langfristigen Zinsen spiegeln die Erwartungen der Marktteilnehmer wider und diese gehen von mittelfristig steigenden Zinsen aus. Die langfristigen Zinsen sind – gemessen am 10 Jahres-Euro-Swap-Satz – von ihrem Tiefststand von 0,25 Prozent (7. September 2016) bis auf 1,16 Prozent (15. Februar 2018) gestiegen. Aktuell liegen sie bei 0,96 Prozent (28. September 2018).[1] Das ist allerdings noch keine Zinswende. Eine Zinswende ohne Eingreifen der EZB erwarte ich nicht. Ich sehe die beschriebene Entwicklung eher als Zinsschwankungen auf sehr niedrigem Niveau – allerdings mit steigender Tendenz.
Welche Auswirkungen hätte ein Zinsanstieg auf den Immobilienmarkt?
Allgemein wird angenommen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen steigenden Zinsen und fallenden Preisen und umgekehrt gibt. Die Relation zwischen beiden Faktoren ist aber nicht so eindeutig. Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es keinen klaren Nachweis eines Kausalzusammenhangs. Neben den Zinsen spielt auch die Nachfrageseite eine wichtige Rolle.
Mit relativ großer Sicherheit lässt sich derzeit sagen, dass es keine drastischen Zinserhöhungen geben wird. Wahrscheinlich sind Zinsanhebungen in Trippelschritten – immer unter Berücksichtigung der Entwicklung von Konjunktur und Inflation.
Welche Risiken für den Markt gibt es neben einem Zinsanstieg?
Unabhängig von der Zinsentwicklung ist das Risiko eines Preisrückgangs bereits jetzt hoch – und es steigt noch weiter. Warum? Weil wir bereits einen starken Preisanstieg erlebt haben. Beispielsweise sind die Wohnimmobilienpreise seit 2007 in den deutschen A-Städten nominal um über 60 Prozent gestiegen.
Eine Preiskorrektur kann auch von vielen anderen externen Ereignissen ausgelöst werden. Beispiele dafür sind Phänomene wie Trump, Brexit, Nationalismus, Staatsschulden, Bankenkrise… Das größte Risiko sehe ich derzeit in einem Konjunkturabschwung bei gleichzeitig niedrigen Zinsen. Dann hat die EZB nur noch wenig Möglichkeiten, mittels Geldpolitik Konjunktur und Inflationsanstieg wieder zu stimulieren.
[1] http://www.finanztreff.de/kurse_einzelkurs_charts.htn?i=38725305
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von IREBS International Real Estate Business School
Erstveröffentlichung: The Property Post, Oktober 2018