"Der Fokus des Interesses hat sich in Richtung Umland verschoben."
Florian Frey, Geschäftsführer bei allmyhomes, spricht im Interview über Entwicklungen am Berliner Wohnungsmarkt im Zuge der Corona-Pandemie.
Herr Frey, Wie hat die Corona-Pandemie die Wohnungsnachfrage in Berlin beeinflusst?
Die lokale und nationale Nachfrage ist spürbar geringer als noch im März. Anfangs lagen die Rückgänge beim Erstverkauf von Projekten bei bis zu 50 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau. Im Verlauf des Sommers kam es dann zu einer Erholung, wir sehen heute in Berlin etwa 25 Prozent weniger Verkäufe im Eigentumswohnungsbereich als im Vorjahr. Das deckt sich in etwa mit den Daten des Gutachterausschusses. Hinzu kommt die Angebotsausweitung in Folge des Mietendeckels, es ist um etwa 20 Prozent gewachsen. Auch hat sich der Fokus des Interesses in Richtung Umland verschoben. Menschen, die eine Wohnung bis Jahresanfang nur im Stadtgebiet suchten, haben ihren Radius bis an den Autobahnring erweitert. So ist der Rückgang des Interesses insgesamt nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch gibt es in der Innenstadt Projekte, bei denen sich das Interesse völlig unbeeindruckt von der Pandemie zeigt. Die Interessenten gehen davon aus, dass es sich um eine einmalige Chance handelt und kaufen, ob jetzt Pandemie ist oder nicht.
Gibt es einen Trend Richtung Umland?
Die Abwanderung und damit auch das größere Interesse an Wohnungsangeboten in Umland sind deutlich. Bis zum Frühjahr war dieser Trend vor allem angebotsgetrieben. Im Berliner Stadtgebiet sind die ETW-Entwicklungen seit mehreren Jahren signifikant rückläufig. Zudem haben die Wohnungspreise in Berlin inzwischen ein Niveau erreicht, bei dem insbesondere Familien mit Kindern ihre Flächenbedürfnisse nicht mehr mit ihren Arbeitseinkommen realisieren können. Diese Zielgruppe war dann auch eine der ersten, die im Umland ankam. Aber auch ältere Menschen und Senioren suchten den Weg aus der Stadt, um sich im Speckgürtel den Traum von den tatsächlich eigenen vier Wänden zu erfüllen. Mit Corona und der Einsicht der Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter nicht mehr jeden Tag ins Büro kommen müssen, gab es dann seit dem Frühjahr einen Impuls, der die Wahrnehmung des Umlandes als Alternative zur Innenstadt deutlich positiv beeinflusst. Man kann sich hier, bedingt durch das günstigere Preisniveau, nicht nur ein Arbeitszimmer leisten, sondern findet auch bessere Möglichkeiten für viele Freizeitaktivitäten.
Welche Käufergruppen sind neu am Markt? Welche sind verschwunden?
Berlin ist in dieser Hinsicht sicher eine Ausnahme unter den deutschen Metropolen. Es gibt hier nur wenig größere Vermögen, die gegebenenfalls rasch in Immobilien umgeschichtet werden könnten oder müssten. Insofern war im Frühjahr der Rückgang des Interesses deutlich stärker spürbar als in Düsseldorf, Stuttgart oder Frankfurt, wo die Vermarktung von ETW-Projekten nur wegen der plötzlichen Kontaktbeschränkungen leicht ausgebremst wurde. In Berlin hingegen verdienen viele Menschen im Kultur-, Event-, Hotel- und Gastronomiebereich ihr Geld. Sie fallen als Interessenten momentan aus. Hinzu kommen Berufsgruppen wie Piloten, deren Bonität nie in Frage stand, die jetzt aber nur schwer ein Darlehen erhalten, weil ihre berufliche Zukunft nicht absehbar ist. Außerdem ist das Interesse von Kapitalanlegern durch den Mietendeckel deutlich rückläufig. Auf der anderen Seite führt das durch den Mietendeckel abgesenkte Mietwohnungsangebot dazu, dass sich mehr Menschen mit der Option eine Wohnung zu kaufen befassen. Noch ist allerdings nicht absehbar, ob ausgerechnet der Mieterschutz die Eigentumsbildung in Berlin verstärkt.
In welchen Angebots- und Preisklassen wird besonders gesucht? In welchen Segmenten gibt es die meisten Abschlüsse?
Viele und rasche Abschlüsse gibt es überall dort, wo Angebot und Nachfrage zusammenkommen. Das ist in Berlin vor allem das Preissegment bis maximal 6.000 Euro je Quadratmeter. In den Preisklassen darunter ist Neubau vor allem in Treptow, Köpenick und Lichtenberg sowie in Spandau zu finden. Reinickendorf hinkt traditionell mit dem Angebot hinterher. Zudem lohnt ein Blick auf die Objektebene. Vor zehn Jahren wurden ETW-Projekte in Berlin noch von oben nach unten verkauft. Zuerst waren die schönsten Wohnungen weg und zuletzt wurden Erdgeschoss und erstes OG oft an Kapitalanleger veräußert. Abgesehen von den Penthouses nimmt die Vermarktung heute oft den umgekehrten Verlauf. Dass heute zuerst die günstigen Wohnungen weg sind, die Einheiten immer kleiner werden und die Vermarktung länger als drei oder vier Jahre dauert, zeigt, dass die Preise im Schnitt kaum mehr weiter steigen werden. Das heißt allerdings nicht, dass in Berlin keine hochwertigen Projekte mehr gebaut werden sollen. Wer außergewöhnliche Architektur in einer schönen Lage und/ oder in den begehrten Innenstadtquartieren bietet, wird weiterhin auch zu gehobenen Preisen verkaufen können. Das bestätigt auch unserer MarketCheck.
Was leistet der MarketCheck?
Mit dem MarketCheck analysieren wir die Vermarktungsaussichten für Wohnprojekte in Echtzeit. Das heißt im Detail, legen wir Testparameter fest, um Kaufnachfrage, Zielgruppen und Preisakzeptanz für die spezifische Lage und das Konzept eins Projektes zu evaluieren.
Mit gezielten Testings schaffen wir dann eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage für den Projektentwickler, wann, wie und zu welchem Preis der Vertrieb seiner Wohnungen optimal starten sollte – damit er auf dieser Grundlage planen und sein Vermarktungsziel für das entsprechende Projekt erreichen kann. Mit diesem Angebot stoßen wir im aktuellen Marktumfeld auf großes Interesse, denn das Erfahrungswissen der vergangenen zehn Jahre ist heute nur noch eingeschränkt gültig.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von allmyhomes
Erstveröffentlichung: EXKLUSIV IMMOBILIEN in Berlin, 01-2021