ISG-Europachef Karaduman über die Lage der Bauwirtschaft und den Schutz der Bauleute vor Infektionen
Die Bauwirtschaft zählt zu den wenigen Branchen, die vom Lockdown verschont wurden. Nur 37 Prozent der deutschen Baufirmen griffen auf Kurzarbeit zurück, gerade einmal zwei Prozent planen Stellenstreichungen. Doch ist die Sonderregelung für den Bau sinnvoll? Und wenn ja: Wie schützt man Bauarbeiter während einer Epidemie? Aydin Karaduman, Europachef des Bauunternehmens ISG, steht Rede und Antwort.
TPP: Herr Karaduman, alle Branchen leiden, nur die Bauwirtschaft kommt glimpflich davon. Stimmt das?
Karaduman: Das lässt sich allenfalls für Deutschland behaupten. Als weltweit vertretenes Unternehmen haben wir in vielen Märkten schmerzliche Einschnitte hinnehmen müssen. In Spanien, Luxemburg und Teilen der Schweiz mussten wir unsere Projekte quasi über Nacht einfrieren. Auf unserem Heimatmarkt Großbritannien sieht es auch nicht rosig aus. Der deutsche Markt hingegen war und ist die entscheidende Stütze für uns. Daher wird Deutschland auch konzernweit an Bedeutung gewinnen. Aus meiner Sicht hat die Bundesregierung im Verbund mit den Landesregierungen sehr klug entschieden, die Baustellen unter Auflagen fortzuführen.
TPP: Sehen das Ihre Mitarbeiter auf dem Bau genauso?
Karaduman: Alle Mitarbeiter haben unsere verschärften Regelungen für Gesundheit und Sicherheit dankbar akzeptiert. Klar, einige mussten sich zum Höhepunkt der Pandemie im Freundeskreis Vorwürfe anhören, dass sie noch zur Arbeit gehen. Home Office auf dem Bau gibt es eben nicht. Unsere Kunden sind entsprechend beruhigt und zufrieden, dass wir trotz der Situation weiter arbeiten konnten.
TPP: Sie können Ihre Fristen also halten?
Karaduman: Größtenteils ja, in der Tat. Denn wir sind nicht abhängig von ausländischen Subunternehmern. Bei allen unseren Projekten in Europa greifen wir auf regionale Partnernetzwerke zurück. Pro Gewerk sind es in der Regel fünf feste lokale Partner. Doch auch unsere Subunternehmer hatten mitunter Personalausfall, sodass es zu Verzögerungen kam. Ebenso wenig in unserem Einflussbereich liegen Verzögerungen bei der Materiallieferung. Einbauleuchten oder Sprinklerköpfe aus China dauern sonst acht Wochen, jetzt sind es rund 16 Wochen. Das liegt dann aber im Bereich „Höhere Gewalt“, die Kunden haben hierfür vollstes Verständnis.
TPP: Wie stellen Sie sicher, dass sich niemand auf der Baustelle infiziert?
Karaduman: Wir können es nicht garantieren, aber die Rahmenbedingungen hierfür schaffen. Was heißt das nun konkret? Wir haben getaktete Arbeitszeiten eingeführt, um die Gesamtmenge an Personen auf der Baustelle zu reduzieren. In unseren neu eingerichteten Mittagsräumen und Umkleidekabinen achten wir strikt auf die Abstandsregeln, zusätzlich stellen wir auch Food Trucks mit Gratisessen auf. Den notwendigen Abstand sichern wir zudem durch die Reduzierung von Wegkreuzungen. Wir reinigen und desinfizieren die Baustellen nun täglich. Alle Mitarbeiter bekommen regelmäßig einen FFP2 oder FFP3-Mundschutz gestellt. Dieser darf maximal 15 Minuten lang getragen werden, wenn der Mindestabstand nicht einzuhalten ist. Jeden Morgen nehmen wir schließlich über einen kontaktlosen Laser Fiebermessungen vor. Wer auch nur die geringsten Anzeichen von Krankheit aufweist, wird sofort nach Hause geschickt.
TPP: Ihre Mitarbeiter mögen sich ja an die Regelungen halten – aber was machen Sie mit Ihren Nachunternehmern?
Karaduman: Alle unsere Partner sind verpflichtet, den ISG-Hygienekodex zur Einhaltung der Regeln zu unterschreiben. Sprachliche Probleme können dabei nicht als Ausrede gelten. Auf allen Baustellen haben wir mehrsprachige Tafeln hängen. Zudem haben wir weltweit ein Web-Portal aufgelegt mit Infos und Grafiken. Als Generalunternehmer haben wir das Recht, Personen von der Baustelle zu verweisen, wenn wir einen Regelverstoß feststellen. Aber das ist bislang nicht vorgefallen – ganz im Gegenteil: Unsere Leute achten sehr gewissenhaft auf die Regeln.
TPP: Lernt die Baubranche in diesen Epidemie-Zeiten beim Thema Gesundheit dazu?
Karaduman: Das hoffe ich doch sehr. Als Unternehmen mit englischer Herkunft haben wir einen recht sensiblen Umgang mit dem Thema Gesundheit und Sicherheit. Bei jedem Projekt führen wir detaillierte Statistiken über Unfälle und Verletzungen. Für jedes Land haben wir mehrere Health & Safety Manager, die regelmäßig Schulungen durchführen und im internen Newsletter Tipps und Empfehlungen geben. Aus unserer Sicht hat das Vorbildfunktion für die ganze Branche. Spätestens jetzt müssen wir sehen, dass wir die Gesundheit auf dem Bau endlich ernst nehmen müssen.
TPP: Und wer honoriert so viel Einsatz?
Karaduman: In erster Linie natürlich unsere Mitarbeiter und Partner. Aber auch die Behörden: Bei der Inspektion einer unserer Baustellen in Ostdeutschland haben uns Gewerbeaufsichtsamt, der Zoll und die Berufsgenossenschaft BG Bau eine „deutschlandweit führende Rolle“ in Sicherheits- und Gesundheitsfragen bescheinigt.
TPP: Herr Karaduman, wir bedanken uns für das Gespräch.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ISG Deutschland GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2020