23.07.2024

Europäischer Logistikimmobilienmarkt

Jan Philipp Daun über niedrige Leerstandsquoten, starke Regulierung und große Potenziale

Jan Philipp Daun, Geschäftsführer, GARBE Industrial Real Estate
Jan Philipp Daun

Die Nachfrage nach Logistikflächen in Europa übersteigt das Angebot deutlich. Wir haben Jan Philipp Daun, Geschäftsführer von GARBE Industrial Real Estate, nach den Gründen gefragt und mit ihm über niedrige Leerstandsquoten, starke Regulierung und große Potenziale auf dem europäischen Logistikimmobilienmarkt gesprochen.

The Property Post: Die Nachfrage nach Industrie- und Logistikimmobilien (I&L) in Europa übertrifft das Wirtschaftswachstum erheblich. Was sind die Gründe dafür?
Jan Philipp Daun:
Zwar unterstützt das Wirtschaftswachstum die Entwicklungen auf den Immobilienmärkten. Im Bereich I&L sind aber vor allem strukturelle Faktoren relevant. Sie schaffen eine robuste Nachfrage, die weitgehend unabhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Dynamik ist. Zu diesen strukturellen Faktoren zählen zum einen der steigende Bedarf an sogenanntem Nearshoring, also der Ausbau von Produktionsstandorten im benachbarten Ausland. Zum anderen sind die europäischen Märkte historisch unterversorgt. Denn die paneuropäischen Netze und die Institutionalisierung der Anlageklasse I&L entstanden erst in den frühen 2000er Jahren mit dem Schengener Abkommen. Vor allem Mittel- und Osteuropa sowie die südeuropäischen Länder zeigen derzeit einen hohen Bedarf an I&L. Dieser Trend dürfte sich auch künftig fortsetzen.

TPP: Der europäische Markt hat hohe Angebotsbarrieren und ist stark reguliert. Herausforderung oder Chance?
JPD:
In ganz Europa sind Grundstücke knapp geworden, insbesondere in der Nähe der großen Zentren. Und wenn ein Bauherr ein Grundstück erworben hat, warten komplexe Regulierungsverfahren auf ihn. Nach Angaben der Weltbank dauert die Erteilung einer Baugenehmigung in den zehn Ländern, in denen GARBE tätig ist, durchschnittlich über 170 Tage. Zum Vergleich: In den USA liegt der Durchschnitt bei lediglich 81 Tagen. Dort geht es also mehr als doppelt so schnell. Entwickler in Europa stellt das natürlich zunehmend vor Herausforderungen. Gleichzeitig führen die begrenzte Flächenverfügbarkeit und die langwierigen Regulierungsverfahren zu Angebotsengpässen, die eine niedrige Leerstandsquote nach sich ziehen und das Risiko einer Überversorgung verringern.
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TPP: Was spricht aus Investorensicht noch für ein Engagement auf dem europäischen Logistikimmobilienmarkt?
JPD:
Der europäische Markt gilt – verglichen mit anderen großen Märkten – als relativ risikoarm. Der Blick in die USA verdeutlicht das: Während in den USA im Jahr 2023 rund 84 Prozent der Fertigstellungen als spekulativ galten, lag der Anteil spekulativer Bauten am Gesamtbauvolumen in den wichtigsten europäischen Märkten deutlich darunter: In Italien beispielsweise bei 64 Prozent, in den Benelux-Ländern und Deutschland bei knapp 40 Prozent. Dieser geringere Anteil an spekulativen Investments ist unter anderem auf eine höhere Sicherheitsorientierung in Europa zurückzuführen, aber auch darauf, dass „Built-to-Suit“-Projektentwicklungen (BTS) in den europäischen Staaten sehr viel häufiger vorgenommen werden als in vielen anderen Ländern. BTS bedeutet, dass man eine Immobilie „nach Maß“ entwickelt: Das Objekt wird also direkt auf die Bedürfnisse des Mieters zugeschnitten. Für Unternehmen ist dieser Ansatz attraktiv, weil die Immobilie allen, teils sehr individuellen, Anforderungen entspricht. Auf Investorenseite sprechen die geringen Risiken bei einer vergleichsweise hohen Rendite für BTS.

TPP: Wie schätzen Sie das Potenzial für Mietwachstum in Europa ein?
JPD:
Das Potenzial ist erheblich. In den vergangenen Jahren sind die Mieten zwar gestiegen, aber langsamer und später im Zyklus als in den USA, wo sie mehrere Jahre hintereinander zweistellig gewachsen sind. In vielen europäischen Märkten liegen die inflationsbereinigten Mieten noch immer unter dem Niveau von 2006, durchschnittlich etwa zehn Prozent darunter. In den USA hingegen liegen die Mieten etwa 45 Prozent über dem damaligen Niveau. Aus Investorensicht gibt es in Europa also noch viel Spielraum für Mietsteigerungen, bevor die Märkte überteuert werden. Aus Nutzersicht wiederum machen die Immobilienkosten einen geringen Anteil der Kernkosten in der Lieferkette aus und dürften auch künftig nicht zu stark ins Gewicht fallen. Insgesamt entfallen auf die Fixkosten inklusive Miete nur etwa drei bis sechs Prozent der Kernkosten.
Jan Philipp Daun

TPP: Welche Entwicklungen werden auf dem europäischen Logistikimmobilienmarkt künftig eine besondere Rolle?
JPD:
Ein entscheidender Faktor ist das zunehmende Augenmerk auf ESG, sowohl aus Investorensicht als auch auf Seiten der Nutzer. Europa gilt in diesem Bereich als einer der globalen Vorreiter. Das betrifft nicht nur den Neubau, sondern auch die Bestandsentwicklung, bei der „Manage to Green“- und „Manage to Social“-Maßnahmen eine immer wichtigere Rolle spielen. Bei Erstgenanntem geht es vor allem darum, den CO2-Fußabdruck der Immobilie zu verringern und verantwortungsvoll mit der Primärenergie umzugehen. Bei Letztgenanntem darum, das Wohlbefinden der Menschen in der Immobilie zu steigern. Aus Nachfragesicht sind das bereits erwähnte Nearshoring und der steigende Bedarf an effiziente Lösungen für die Gewährleistung der Lieferketten weitere wichtige Faktoren. Der Onlinehandel hat nach der COVID-19-Pandemie eine gewisse Korrektur erfahren. In den kommenden Jahren wird hier aber wieder ein kontinuierliches Wachstum erwartet. Auf der Angebotsseite werden regulatorische Vorgaben das Risiko eines Überangebots auch künftig klein halten und Marktstabilität und Mietwachstum begünstigen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von GARBE Industrial Real Estate
Erstveröffentlichung: garbe-industrial.de, Juli 2024

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