Welche Energie-Einsparpotenziale schlummern in einer optimierten Gebäudetechnik?
Um Bestandsgebäude fit für ESG zu machen, liegt der Fokus häufig auf der Dämmung der Gebäudehülle und dem Nutzerverhalten. Doch auch die Gebäudetechnik und deren Planung bieten deutliche Einsparpotenziale. Ronald Stärke ist Leiter Operations bei der UNDKRAUSS-Schwester KEK Engineering und erläutert im Interview, was bei der Modernisierung von technischen Anlagen zu beachten ist, welchen Beratungsbedarf Eigentümer und Bestandshalter derzeit haben und welchen Beitrag Gebäudesensoren zur Einsparung von Energie leisten können.
The Property Post: Was ist bei der Planung von energieeffizienten Gebäuden bei der Gebäudetechnik zu beachten?
Ronald Stärke: Zunächst gilt es zu klären: Was heißt energieeffizient? Übersetzen wir dies in Verbrauchswerte pro qm werden wir unter dem Begriff energieeffizient vielmehr verbrauchsoptimierte, das heißt energetisch wirksame Objekte zu verstehen wissen. Um nun wirksame Gebäude zu planen, müssen wir zunächst klären, wo die Gebäude stehen und von wem sie später genutzt werden. Je vielfältiger die Nutzerprofile, desto komplexer sind die Anforderungen an die Planung der Gebäudetechnik.
Dabei muss man sich vor Augen führen, dass unsere Gebäudetechnik mittlerweile eine sehr hohe Komplexität erreicht hat. Zukünftige Gebäude werden also entweder noch komplexer oder man besinnt sich auf weniger aufwändige Technik und arbeitet wieder mehr mit der Natur – also natürlichen Wechselwirkungen in den Gebäuden.
Letzteres, also das Nachempfinden der Natur in der Haustechnik, ist heutzutage besonders anspruchsvoll. Wo es früher genügte, einfach Luft zur Verfügung zu stellen, wird heute mit allerlei Sensorik gearbeitet, um auch die Luftqualität zu verbessern. Versorgungsmedien, seien es Wasser, Luft, Licht oder Strom, werden zunehmend zum Produkt, welches den Nutzerinnen und Nutzern in perfekter Wechselwirkung unter niedrigst möglichem Energieeinsatz zur Verfügung gestellt werden sollen.
TPP: An welchen Stellschrauben gibt es bei bestehenden Gebäuden Potenzial zur Energieeinsparung?
RS: Dies ist ganz unterschiedlich und auch immer von der technischen Struktur der Gebäude abhängig. In der Praxis begegnen uns Objekte, welche ´saniert´ wurden, die Anlagentechnik aber noch aus den Achtzigern stammt. Hier wurde versäumt eine Anpassung der Gebäudetechnik vorzunehmen. Werden Gebäude ohne Synchronisation mit der Gebäudetechnik gedämmt, sind unter Umständen Maßnahmen notwendig, die den Energiebedarf sogar erhöhen, damit das Gebäude funktioniert, beispielsweise wenn eine „kontrollierten Wohnraumlüftung“ ohne Wärmerückgewinnung notwendig wird.
Es gilt zwei Faktoren zu identifizieren: „Wer ist der größte Verbraucher?“ und „Läuft die Anlage in ihrem Betriebsoptimum?“. Hiernach lassen sich auch die Optimierungspotenziale besser identifizieren und Maßnahmen beschreiben, die wenig oder sehr investiv sein können. Nachhaltig handeln bedeutet ja auch: Weg vom Teiletausch und hin zur Optimierung des Bestandes. Man sollte sich auch bewusst sein, dass der Ersatz einer Anlage immer mit CO2-Emissione bei der Herstellung verbunden ist, gleich welches Label die Anlage dann ziert.
Auf dem Markt gibt es für nahezu alle technischen Gewerke Optimierungsbausteine. So haben sich einige Anbieter dezidiert auf die Verbesserung von Bestandsanlagen fokussiert. Vor der Verbesserung ist jedoch die Aufnahme der Anlagentechnik notwendig. Dies lässt sich am besten mit einem dem Menschen nachempfundenen Anlagen-EKG durchführen. Und ist durch Testbetrieb oder Messtechnik möglich. Zudem lassen sich Bestandsanlagen auch simulieren, was sich aber angesichts der potenziellen Einsparungen nur für tendenziell größere Anlagen lohnt. Oftmals fehlen Betriebsdaten und die Instandhaltungshistorie der Anlagen, so dass eine Momentaufnahme auch fehlerhafte Erwartungen schüren kann.
TPP: Welche Bedeutung hat eine regelmäßige Wartung technischer Anlagen für den Energieverbrauch?
RS: Hierzu gehen die Meinungen ein wenig auseinander und treffen sich dann doch wieder. Meiner Meinung nach sollte die Wartung einer technischen und auch einer baulichen Anlage bedarfsabhängig bzw. bedarfsgerecht ermittelt und im Einklang aktueller Regelwerke sowie dem Stand der Technik durchgeführt werden. Dies unterscheidet sich von den starren Wartungszyklen, die zu oft von Herstellern oder Dienstleistern gefordert und gefördert werden. Gemäß dem Motto Nichts hält ewig, ist eine Wartung und besser eine Instandhaltung eine Investition in den Werterhalt und insbesondere die Funktionalität der Anlage. Es bleibt zu beachten: eine gut gewartete Anlage kann auch ineffizient und damit nicht energieeffizient laufen. Erst, und dies ist der entscheidende Faktor, wenn die Anlagenparameter auf die Wechselwirkung optimiert wurden, kann diese energieeffizient betrieben werden.
TPP: Wo ist der Beratungsbedarf bei Ihren Kunden hinsichtlich nachhaltiger Gebäudetechnik am größten?
RS: Im Hinblick auf die aktuelle klimapolitische Entwicklung und die EU-Verordnung gehen die Fragen von Bestandshaltern in zwei Richtungen: „Was kann ich in meinem Bestand tun, damit mein Objekt nicht bald als Stranded Asset geführt wird?“ und „Wie schnell kann ich Energie-Autarkie erreichen?“. Da aus Sicht der Technik keine spontane Antwort – weder für die eine noch die andere Frage – geliefert werden kann und die geopolitische Situation nicht die erhoffte Stabilität in den Prognosen vorhält, besteht der aktuelle Beratungsbedarf in der strategischen Ausrichtung der Liegenschaften. Gerade wenn es um die Einordnung eines Gebäudes nach ESG-Kriterien geht, stehen die Eigentümer oft am Anfang ihrer Findungsphase. Hierbei werden stufenweise die Möglichkeiten aufgezeigt, wie der potenzielle Einsatz von Gebäudetechnik das Gebäude in Summe nachhaltiger werden lässt.
TPP: Wie weit verbreitet ist der Einbau von Gebäudesensoren zur Überwachung und Analyse von Verbräuchen und welches Einsparpotenzial ergibt sich daraus?
RS: Die Erfassung von Verbrauchswerten steht aktuell im Fokus. Nie zuvor haben sich Eigentümer, und Verwalter so intensiv mit damit auseinandergesetzt, wie sie an die Verbrauchswerte ihrer Mieter gelangen und wie sie ihre eigenen Verbrauchswerte nutzen können?
Die Erfassung von Verbräuchen ohne Kenntnis über die Anlagen- und Bautechnik ist aber leider nur der halbe Weg. Die Analyse der Daten – vorausgesetzt sie sind valide und bereinigt – ist ein Service, der von wenigen Spezialisten auf dem Markt bereits per API-Schnittstelle angeboten wird. Die Untersuchung von Anomalien, das Melden von Verbrauchsspitzen sowie automatisiertes Benchmarking können helfen, Potenziale zu identifizieren. Das Heben der Potenziale muss dann gemeinsam mit dem Eigentümer erfolgen. Die Datenerfassung und damit einhergehend die Nachrüstung von Zähleinrichtungen erleben derzeit Hochkonjunktur. Die zentrale Erfassung und cloudbasierte Wiedergabe der Informationen in datenaggregierten sowie grafisch ansprechenden Formaten können ein wesentliches Instrument zum Monitoring der Gebäude sein. Unter der Voraussetzung der Einhaltung von Datenschutzanforderungen kann der Einsatz von Wissens-/ Plattformen in einem nächsten Schritt helfen, von anderen Gebäuden gleicher Art zu lernen und auf dieser Grundlage den eigenen Bestand zu optimieren.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS
Erstveröffentlichung: zukunftundkrauss.com