15.04.2025

Energieautarke Logistikhallen

Nachhaltigkeit bei Entwicklung moderner Logistikflächen

Matthias Dötsch, Geschäftsführender Gesellschafte, COMPLEMUS Real Estate
Matthias Dötsch

Spannende Einblicke in ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Logistik: In Nörvenich (Kreis Düren bei Köln) entsteht ein energieautarkes Logistikzentrum für die Fressnapf-Gruppe. Im Interview mit The Property Post zeigt Matthias Dötsch, Geschäftsführer der COMPLEMUS Real Estate GmbH, warum ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept sinnvoll ist. Er erklärt, wie Solaranlagen, Wärmepumpen und Dachbegrünung nicht nur ökologische Standards erfüllen, sondern auch wirtschaftlich attraktiv sein können – und welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt. Lesen Sie hier das Gespräch über zukunftsfähige Baukonzepte, kommunale Zusammenarbeit und den Wandel im Logistikimmobilienmarkt.

The Property Post: Nachhaltigkeit spielt bei der Entwicklung moderner Logistikflächen eine wachsende Rolle. Ihr Unternehmen entwickelt unter anderem Logistikhallen. Wie gehen Sie damit um?
Matthias Dötsch:
Unser Unternehmen setzt seit vielen Jahren auf nachhaltige Projektentwicklungen. Dabei versuchen wir über die vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungen hinaus und eine Extrameile zu gehen. In Nörvenich (Kreis Düren) entwickeln wir zum Beispiel aktuell einen neuen Logistikstandort für den Heimtierbedarf-Anbieter Fressnapf. Das Logistikzentrum inklusive Bürogebäude wird über insgesamt 72.000 Quadratmeter Fläche verfügen. Die Dachfläche misst 67.500 Quadratmeter und eignet sich damit hervorragend, um Photovoltaik-Anlagen zu installieren sowie Dachbegrünung zu schaffen. Je größer Dachflächen sind, umso mehr Module lassen sich darauf anbringen und umso günstiger wird anteilig der Aufbau jedes einzelnen Moduls. Die Anlage, welche im Auftrag des Mieters errichtet wird, hat eine Leistung von 5,5 Megawatt peak und ist damit eine der leistungsfähigsten Anlagen in Nordrhein-Westfalen. Mit der erzeugten Menge Solarstrom lassen sich etwa 2.300 Haushalte ein Jahr lang versorgen. Die Logistikimmobilie wird energieautark sein.

TPP: Können Sie das näher erläutern?
MD:
Sehr gerne. Energieautark bedeutet hierbei, dass die Logistikhalle nur so viel Strom verbraucht, wie auf dem Dach erzeugt wird. Mit dem am Tag erzeugten Solarstrom werden unter anderem die Wechselbatterien der Gabelstapler aufgeladen und können damit das ganze Jahr weitgehend autark betrieben werden. Ferner werden insgesamt 78 Luftwärmepumpen für die Beheizung beziehungsweise Kühlung der Flächen mit der grünen Energie versorgt. Auf diese Weise übertreffen wir deutlich die gesetzlichen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), wonach in Neubauten die Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Ferner ist dies ein wichtiger Aspekt für die Platin-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), die wir mit dem Gebäude anstreben.
Außerdem wird an Tagen mit viel Sonnenschein überschüssiger Strom ins lokale Netz eingespeist. Das erhöht für die anderen Stromkunden den Anteil der fossilfreien Energieanteile und zahlt ebenfalls in den Klimaschutz ein.

TPP: Wer sind Ihre wichtigsten Partner bei diesem Projekt?
MD:
Da ist zunächst die Firma GOLDBECK West GmbH, deren Niederlassung Köln-Bonn fungiert als Generalunternehmen. Landentwickler und -veräußerer war die RWE Power AG. Unser Unternehmen ist als Developer für dieses Großprojekt im Westen Nordrhein-Westfalens tätig. Fressnapf hat einen langfristigen Mietvertrag für den Standort abgeschlossen.
Spatenstich für das Projekt war Mitte Februar 2024. Wir rechnen mit der Fertigstellung und Übergabe an den Mieter im Mai dieses Jahres. Nach der Übergabe hat Fressnapf noch Intralogistische Anlagen zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Jedoch kann die erste Nutzung bereits im Juni starten.

TPP: Vor welchen Herausforderungen standen sie bei diesem Projekt.
MD:
Der vorhandene Bebauungsplan war nicht für dieses Projekt geeignet. Wir mussten in kürzester Zeit einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erstellen und durch die öffentlichen Gremien bringen. So etwas hat und kann nur in enger Abstimmung mit der Gemeinde Nörvenich und dem Kreis Düren stattfinden. Von der öffentlichen Seite wurden wir bestens unterstütz und haben den vorhabenbezogenen Bebauungsplan und die Baugenehmigung innerhalb von etwa 5 Monaten erhalten. Danach hat Goldbeck umgehend auf der Baustelle begonnen.

TPP: Wie hat die Gemeinde Nörvenich auf Ihr Vorhaben reagiert?
MD:
Die Gemeinde war von Anfang an sehr aufgeschlossen. Das hatte vor allem zwei Gründe: Die Kommune mit rund 12.000 Einwohnern liegt im Braunkohletagebau-Fördergebiet und ist somit vom Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030 betroffen und befindet sich mitten im Strukturwandel. Im Logistikzentrum wird Fressnapf wiederum langfristig bis zu 800 Arbeitsplätze schaffen, was wegfallende Jobs im Kohleabbau teilweise kompensiert wird. Zweitens konnten wir die Kommune mit unserem nachhaltigen Logistikkonzept, dabei vor allem den Photovoltaik-Anlagen, überzeugen.
Bekanntlich sind neue Logistikhallen wenig beliebt bei der Bevölkerung sowie bei Lokalpolitikern: Sie verursachen Anlieferverkehr und benötigen große Flächen. Wenn man aber die Leistungen des Objektes bei der Erzeugung von Solarenergie ins Feld führen kann und darauf verweist, dass überschüssige Energie ins lokale Netz eingespeist wird, bin ich davon überzeugt, dass dies ihre Akzeptanz steigern kann.

TPP: Wie schätzen Sie den Markt für nachhaltige Logistikprojekte ein?
MD:
Wir glauben, dass es ohne Nachhaltigkeit im Immobiliensektor nicht geht, das zeigen nicht zuletzt die hohen CO2-Emmissionen, die bei Bau und Betrieb entstehen und zwar über alle Objektarten hinweg.
Neubauvorhaben sollten immer die technisch besten Möglichkeiten ausnutzen. Ich bin davon überzeugt, dass insbesondere mit selbst gewonnenem, fossilfreien Strom Logistikmieter nicht nur ihre Klimabilanz verbessern, sondern auch unabhängiger von steigenden Strompreisen und Netzentgelten werden. Nicht zuletzt die gestiegenen Energiekosten der zurückliegenden zwei Jahre haben zu einer Sensibilisierung vieler Nutzer beim Thema Energie- und Betriebskosten geführt.

Zudem verfolgen immer mehr Firmen, egal ob sie Büro-, Logistik- oder Retailflächen anmieten, unternehmenseigene ESG-Ziele. Das heißt, ihre angemieteten Flächen müssen bestimmte Nachhaltigkeitsziele erfüllen. Dann sind sie oft auch bereit, eine etwas höhere Miete zu bezahlen.
Auf der anderen Seite wird es für unsanierte Bestandsflächen immer schwieriger Mieter, zu finden. Deshalb ist es umso wichtiger auch hier als Eigentümer, Portfolio- oder Asset-Manager entsprechende Sanierungsstrategien, die ESG-Kriterien einschließen, anzugehen.

TPP: Welche weiteren Maßnahmen tragen zur Nachhaltigkeit des Projekts bei?
MD:
Neben der Photovoltaik-Anlage setzen wir auf eine extensive Dachbegrünung und Regenwasserversickerung. Die Begrünung von Dächern hat mehrere positive Effekte: So wird Regenwasser und CO2 gebunden und darüber hinaus das Mikroklima durch Kühlungseffekte im Sommer verbessert. In Nörvenich wird zudem eine artenreiche Wildwiese angelegt sowie eine Erholungszone im Freien für die Mitarbeitenden. Zusätzlich sollen auch Bienenstöcke auf den Freiflächen aufgestellt werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von COMPLEMUS Real Estate GmbH
Erstveröffentlichung: DVZ, April 2025

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