Wie sich die Wohnungswirtschaft auf die digitale Zukunft einstellt
Die Digitalisierung ist eines der großen Zukunftsthemen, welches die Wohnungswirtschaft noch lange beschäftigen und stark verändern wird. Warum die Marktakteure die Digitalisierung als Chance begreifen sollten, erklärt im Interview Jan Dörlitz, der zusammen mit Nicholas Neerpasch das Berliner Start-up Unternehmen Doozer gegründet hat.
The Property Post: Immobilienwirtschaft und Digitalisierung. Ist das aus Ihrer Sicht noch immer ein Gegensatz? Oder ist die Innovationsfeindlichkeit der Branche nur ein Mythos?
Jan Dörlitz: Die digitalen Innovationen sind in der Immobilienbranche noch nicht ganz angekommen, aber die Dynamik des Wandels nimmt immer mehr zu. Im Vergleich zu anderen Branchen digitalisiert sich die Immobilienwirtschaft zu langsam. Unsere Branche muss sich deshalb schnell bewusst machen, welche Auswirkungen die Digitalisierung der Wirtschaftsstrukturen hat. Davon bleibt auch die Immobilienwirtschaft nicht unberührt. Es ist deshalb Zeit für eine neue Sicht auf das Thema Technologie.
The Property Post: Trifft diese Rückständigkeit auf die gesamte Branche zu?
Jan Dörlitz: Insgesamt ist die Entwicklung der Immobilienbranche in der Digitalisierung deutlich hinter der Finanzwirtschaft oder der Automobilindustrie. Die Spanne innerhalb der Immobilienbranche ist dabei gewaltig. Einerseits gibt es Unternehmen, die in der Entwicklung sehr weit sind – zum Beispiel große Wohnungsgesellschaften, die in den letzten Jahren erheblich in IT investiert haben. Andererseits gibt es viele Bestandshalter und Wohnungsverwalter, deren Digitalisierungsgrad sich nur dadurch auszeichnet, dass Sie eine veraltete Branchensoftware für ihre Arbeit nutzen. Was die Software anbelangt, verwendet ein Großteil der Branche seit den 2000ern die gleichen Systeme.
The Property Post: Ist das nur in Deutschland der Fall? Sind andere Länder in der Immobilienwirtschaft schon im digitalen Zeitalter angekommen?
Jan Dörlitz: Die europäische Immobilienbranche sieht sich insgesamt einer neuen Unternehmensgattung gegenüber: den PropTechs. Kontinentaleuropa steckt dabei aber noch in den Kinderschuhen. Vor kurzem habe ich dazu eine neue Studie von Catella gelesen: Der Großteil an Investitionen in PropTechs fand im vergangenen Jahr in den USA statt und an zweiter Stelle folgt China. Europa hatte einen Anteil von nur vier Prozent und davon entfielen drei Viertel auf Großbritannien. Das zeigt, dass Deutschland auch im internationalen Vergleich hier noch großes Aufholpotenzial hat. Die Branche braucht Strategien und Innovationen, um nicht den Anschluss zu verlieren.
The Property Post: Was lässt die Immobilienbranche zögern, sich der Digitalisierung zu stellen?
Jan Dörlitz: Auf der einen Seite haben wir eine traditionelle Immobilienbranche. Viele Marktakteure verfahren nach dem Motto: „Wir haben das schon immer so gemacht und das sehr erfolgreich.“ Oft scheuen sich die Unternehmen große Veränderungen anzugehen, da dies Entscheidungen sind, die sich erst mittel- und langfristig auszahlen – der Ertrag aber meist kurzfristig realisiert werden soll. Dabei sind das Hinterfragen von altbewährten Geschäftsmodellen und die Einführung von neuen Prozessen und Systemen der Grundstein für Erfolg. Auf der anderen Seite registrieren wir mehr mittelständische und große Bestandshalter sowie Verwalter, die sehr innovationsaffin sind und ihre Unternehmung in Frage stellen. Darüber hinaus werden neue gesetzliche Regelungen wie etwa aktuell die Mietpreisbremse oder das Bestellerprinzip höchstwahrscheinlich bei Maklern, Eigentümern und Hausverwaltungen Innovationen fördern und notwendig machen.
The Property Post: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie die Prozesse durch die Digitalisierung optimiert werden?
Jan Dörlitz: Nehmen wir Handwerksarbeiten, für die wir eine digitale Plattform geschaffen haben. Derzeit werden sie noch oft klassisch nach einem festen Muster abgewickelt: Bedarf feststellen, anfragen, besichtigen, anbieten, vergleichen, nachverhandeln, beauftragen. Das kostet Zeit, bindet Personal und schafft somit hohe Kosten. Dagegen ermöglicht ein online basierter Vergabeprozess das sofortige Einholen passgenauer Vergleichsangebote, die auch direkt beauftragt werden können. Statt zwei bis vier Wochen kann der Vergabeprozess so innerhalb von nur einer Stunde abgeschlossen werden. Oder schauen Sie sich die Vermietung von Wohnungen an: Ein Matching-Algorithmus könnte Verwaltern bei der Mietersuche helfen, den Idealmieter automatisch zu ermitteln und die unqualifizierten Anfragen von Mietinteressenten auszusortieren. Schon heute sind Informationen und Daten die Grundlage zahlreicher Prozesse und Entscheidungen. Nun ist es an der Zeit, mit den richtigen Tools und Systemen gewinnbringendes Informationsmanagement zu betreiben, das heißt, Daten nicht nur zu sammeln, sondern zu verknüpfen, zu strukturieren und nutzbar zu machen.
Viele etablierte Akteure haben vielleicht auch Angst, von den PropTechs langfristig verdrängt zu werden. Wie sehen Sie das?
Jan Dörlitz: Sicherlich gibt es manche PropTechs, die Akteure vom Markt verdrängen und beispielsweise den klassischen Makler ersetzen wollen. Wir dagegen verfolgen eine andere Strategie. Doozer ist eine B2B-Plattform für die direkte digitale Vergabe von Handwerksdienstleistungen zwischen Immobilienunternehmen und Qualitätshandwerksbetrieben. Mit unserem Vergabeprozess über das Internet reduzieren wir den klassischen Beauftragungszeitraum von Handwerksleistungen im Innenausbaubereich von bis zu vier Wochen auf eine Stunde. Dadurch ersparen wir sowohl Auftraggebern wie auch Handwerksunternehmen erheblichen Zeitaufwand und Kosten. Wir verdrängen also niemanden vom Markt, sondern verknüpfen die einzelnen Akteure besser miteinander – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DOOZER REAL ESTATE SYSTEMS GMBH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2016