„Regulierung der Finanzmärkte ist nach letzter Krise noch nicht so weit wie nötig“
Herr Michelsen, vor zehn Jahren löste das Platzen einer Immobilienpreisblase in den USA eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise aus. Sie haben OECD-Daten für 20 Länder untersucht. Wie steht es um die Bewertung von Immobilien in diesen Ländern?
Wir haben uns angeschaut, wie sich die globalen Immobilienpreise entwickeln und festgestellt, dass in allen untersuchten Ländern die Immobilienpreise kräftig steigen. Wir sehen einen weltweiten Immobilienzyklus, der einen Aufschwung markiert. Das ist nach den starken Verwerfungen in den großen Immobilienmärkten wie den USA durchaus erstaunlich.
Welche Faktoren begünstigen das Entstehen einer Immobilienpreisblase?
Grundsätzlich ist bekannt, dass niedrige Zinsen das Entstehen von spekulativen Blasen begünstigen. Insgesamt führen niedrige Zinsen auch zu Preisaufschwüngen, die in vielen Ländern zu sehen sind. Das schlägt sich natürlich auch in der Immobilienbewertung nieder. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die für eine Immobilienpreisblase sprechen, beispielsweise eine hohe Verschuldung der privaten Haushalte, aber auch reale Faktoren wie ein starkes Bevölkerungswachstum.
In welchen Ländern gibt es Anzeichen für spekulative Überbewertungen?
Wir haben für acht der untersuchten Länder festgestellt, dass nach unseren statistischen Tests eine spekulative Überbewertung von Immobilien möglich ist. Darunter sind Länder wie das Vereinigte Königreich, die USA und auch Deutschland. Betroffen sind aber auch ein paar kleinere Länder. Für mehr als die Hälfte der untersuchten Länder sehen wir keine spekulativen Übertreibungen, gleichwohl ist der Preisauftrieb auch dort relativ kräftig.
Wie ist die Lage in Deutschland, was die Bewertung von Immobilien angeht?
Die Befürchtung, dass in Deutschland eine Immobilienpreise entsteht, wird immer wieder geäußert. Die Bundesbank warnt häufiger davor, dass die Bewertung gerade in großen Städten relativ hoch und es dort mittlerweile auch zu kräftigen Überbewertungen kommen könne. Wir sehen das zumindest teilweise ähnlich. Für die großen Städte in Deutschland haben wir ein Muster gefunden, das darauf hindeutet, dass dort Spekulation stattfindet. Das ist etwas, was man sich genauer anschauen muss. Mit Blick auf die bundesweite Entwicklung ist die Lage jedoch entspannter. Gegen eine landesweite spekulative Übertreibung spricht vor allem, dass die Verschuldung der Haushalte in Deutschland noch relativ gering ist.
Wie groß ist die Gefahr, dass eine Immobilienpreisblase in einem OECD-Land wieder zu einer weltweiten Krise führt?
Die Gefahr ist real, denn die Regulierung der Finanzmärkte ist nicht so weit vorangeschritten, wie man sich das wünschen würde und wie man es sich nach der großen Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 gegenseitig versprochen hat. Dennoch ist das Bewusstsein über die Gefahren deutlich größer. Die Beobachtung ist deutlich intensiver, sodass ich davon ausgehe, dass man beim nächsten Mal wahrscheinlich sehr viel früher reagieren würde als 2007 und 2008, als es eigentlich schon zu spät war.
Was könnte getan werden, um einer Immobilienpreisblase in Deutschland vorzubeugen?
Eine Möglichkeit der Steuerung ist, die Banken dazu zu zwingen, mehr Eigenkapital zu halten und dementsprechend weniger Kredite zu vergeben. Es gibt aber auch andere Instrumente zur Einschränkung der Kreditvergabe an Privathaushalte, beispielsweise die Einführung von Obergrenzen des Beleihungswertes einer Immobilie. Man könnte auch vorschreiben, dass eine Schuld in einer bestimmten Zeit abgetragen werden muss oder dass nur ein ganz bestimmter Teil des Einkommens für die Tilgung und die Finanzierung von Immobilienkrediten aufgewendet werden darf. Das würde die Immobilienkreditvergabe einschränken und die Risiken im Markt senken.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
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Erstveröffentlichung: DIW Wochenbericht Nr. 30+31/2018