Künstliche Intelligenz als Standard für intelligente Geschäftsprozesse
Künstliche Intelligenz ist bei den digital aufgestellten Akteuren der Branche mittlerweile Standard für intelligente Geschäftsprozesse. Union Investment setzt beispielsweise bei seinem Rechnungsmanagement auf eine KI-gestützte-Lösung von Eucon. Das Münsteraner Unternehmen hat bereits in den Geschäftsbereichen Automobil und Versicherungen beträchtliche Datenmengen strukturiert. Die Dokumentenklasse Rechnungen steht dabei im Mittelpunkt – ihre intelligente Bearbeitung reicht mittlerweile bis zur fertigen Kontierung. Union Investment nutzt die intelligenten Verfahren von Eucon in Kombination mit anderen KI-Lösungen und baut auf diese Weise eine digitale Plattform auf. Die intelligente und branchenübergreifende Nutzung und Interpretation der Daten ist der Schlüssel zum automatisierten Immobilienmanagement. Einzelne Akteure alleine werden den Technologiesprung hin zu durchgängig digitalisierten Prozessen nicht realisieren können. Das Orchestrieren eines Ökosystems wird daher zur Kernkompetenz auch in der Immobilienbranche.
Herr Dr. Scheidecker, die Digitalisierung stellt Immobilienunternehmen vor Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Welche Vision verfolgen Sie?
LS: Wir konzentrieren uns bei der Digitalisierung in erster Linie auf Lösungen, die das Potenzial haben, zum Branchenstandard zu werden. Wenn es der Immobilienwirtschaft gelingt, sich auf Standards zu einigen, profitieren schließlich alle von einem abgestimmten Vorgehen. Unsere Vision ist es einerseits, die gesamte immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungskette durch digitale Lösungen effizienter zu gestalten. Andererseits geht es auch um die digitale Erweiterung oder perspektivisch sogar die Transformation unseres bestehenden Geschäftsmodells, um neue Ertragsquellen zu erschließen.
Frau Gündling, als digitaler Mittelständler haben Sie die Automobil- und Versicherungsbranche bereits bei der Digitalisierung unterstützt. Nun wenden Sie sich an die Immobilienwirtschaft: Wo liegen die Gemeinsamkeiten zwischen den Branchen?
HG: Wir sind mitten im Prozess zu einer zunehmend datenbasierten Wirtschaft. Aus unserer Sicht ist es nicht sinnvoll, Daten in einem Branchensilo zu belassen. Was in der Automobilwirtschaft erhoben wird, kann auch für Versicherungen interessant sein. Bei uns sind Versicherungen die Brücke, da sie ja sowohl Kfz als auch Gebäude versichern. Nehmen wir das Beispiel Schadenregulierung, hier kann es sogar sinnvoll sein, Versicherungen und Immobilienunternehmen auf einer digitalen Plattform miteinander zu verknüpfen. Insofern kann ich Herrn Scheidecker beim Thema Branchenstandard nur zustimmen. Ist er einmal etabliert, sind die Möglichkeiten für neue Auswertungen und Geschäftsmodelle nahezu unbegrenzt.
Data drives digitalization: Datenmanagement und Digitalisierung spielen zweifellos eine zentrale Rolle. Wie wird die intelligente Automatisierung von Prozessen das Immobilienmanagement vereinfachen?
HG: Die Immobilienbranche quillt über von – bislang leider größtenteils unstrukturierten – Datenerhebungen und repetitiven Prozessen. Hier kann Automatisierung mithilfe Künstlicher Intelligenz zahlreiche Prozesse erheblich verschlanken. Da in der Regel die digitalen Lösungen von Dienstleistern erbracht werden, ist es unabdingbar, dass die Immobilienunternehmen wirklich kooperativ agieren. Das umfasst insbesondere Datentransparenz im Sinne von unkompliziertem Zugriff auf Daten und leichte Austauschbarkeit, auch hier ist „Standardisierung“ der Schlüsselbegriff.
LS: Genau. Bevor ich mich aber an eine umfassende Digitalisierung meiner Prozesse mache, suche ich mir zunächst besonders geeignete Anknüpfpunkte. Sie müssen in erster Linie einer gewissen Normierung unterliegen: Mietverträge zum Beispiel, aber auch Rechnungen, die unsere diversen Sondervermögen betreffen, sind auf der ganzen Welt ähnlich gestaltet und lassen sich daher von Maschinen sehr gut auslesen. Solange diese Datenschätze in unstrukturierter Textform innerhalb der unterschiedlichen Dokumente eingeschlossen sind, ist das Potenzial für eine Automatisierung der Datenextraktion über den Einsatz Künstlicher Intelligenz sehr groß. Wir müssen übrigens gar nicht allzu weit in die Zukunft schauen. Die Veränderungsprozesse sind heute schon in vollem Gange.
Wie treiben Daten und Digitalisierung konkret die Prozesse bei der UI?
LS: Hier lassen sich drei Bereiche benennen. Zum einen arbeiten wir unter anderem über unser Engagement in der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) an der Etablierung von Branchenstandards für Datenräume mit. Diese Arbeit hat auch unsere eigene Verwaltung von Datenräumen beeinflusst und weiter professionalisiert. Zum anderen ist digitales Energiemonitoring ein wichtiges Thema für uns. Unser Immobilienportfolio soll bis zum Jahr 2050 quasi klimaneutral sein. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, benötigen wir Daten, die Aufschluss darüber geben, wie sich unsere Immobilien gezielt weiterentwickeln lassen. Ein dritter Bereich ist das Zahlungs- und Rechnungsmanagement für unsere diversen Sondervermögen. Hier haben wir zusammen mit Eucon eine sehr gute Lösung geschaffen, die ebenfalls zum Branchenstandard für die Immobilienwirtschaft werden kann.
Wie hilft ihnen die Lösung von Eucon für einen automatisierten Rechnungsworkflow?
LS: Allein unser aktiv verwalteter Gewerbeimmobilien-Bestand umfasst rund 400 Objekte, die es im Interesse der Anleger bestmöglich zu verwalten gilt. Hinzu kommen noch zahlreiche passiv gemanagte Sondervermögen aus dem Bereich der Bündelungsvehikel und Service-KVGs, in dem Union Investment in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Eucon stellt auf effiziente Weise sicher, dass alle eingehenden Rechnungen den Sondervermögen und Assets (Immobilienobjekte und Beteiligungsgesellschaften) korrekt zugewiesen werden und der gesamte Rechnungsworkflow entlang eines rein digitalen Pfades zügig erfolgen kann. In der Vergangenheit war die Verwaltung der Sondervermögen mit viel Papierarbeit verbunden. Das ist dank der Kooperation mit Eucon jetzt Geschichte. Die Zahlen sprechen dabei für sich: Wir haben eine sechsmal schnellere Bearbeitungszeit pro Beleg und eine Halbierung der Mahnbelege erreicht.
HG: Ich möchte hierbei vor allem den partnerschaftlichen Ansatz betonen. Union Investment bindet ja seine Dienstleister wie die Property- und Facility-Manager in den Rechnungsworkflow mit ein. Für jede einzelne Rechnung erstellt unsere Lösung automatisch Vorschläge für die Weiterverarbeitung und Kontierung, die von den zuständigen Bearbeitern im gleichen System abgeschlossen werden. Das ist die klassische Anwendung der digitalen Plattform, die uns privat für unsere Einkäufe schon sehr vertraut ist, im Geschäftsalltag jedoch immer noch zu kurz kommt. Wir sehen hierbei eines der größten Wachstumspotenziale für die Immobilienwirtschaft.
Wir haben es bereits angesprochen: Wer künstliche Intelligenz effektiv nutzen will, muss Plattformen schaffen und Ökosysteme bilden. Welche Rolle spielt dies für die Immobilienbranche in Deutschland und Europa?
HG: Wenn Daten der Rohstoff des 21. Jahrhunderts sind, werden ihre intelligente Auswertung und Transparenz zu den Leitmotiven erfolgreicher Geschäftsmodelle. Es ist erstaunlich, dass die großen Tech-Konzerne mit ihren immensen Datenbeständen jetzt erst beginnen, die Immobilienwirtschaft als Tätigkeitsfeld zu entdecken. Denn Planung, Bau, Betrieb und Management funktionieren umso besser, je mehr ich die Nutzerbedürfnisse über Daten erschließen kann. Solange sich hierzulande aber z.B. unter der Führung großer Asset Manager wie Union Investment ebenfalls Plattformanbieter etablieren können, ist die deutsche und europäische Immobilienbranche gut gerüstet.
LS: Ich teile die Einschätzung, dass die Prinzipien der Plattform-Ökonomie in den nächsten Jahren vermehrt auch in die gewerbliche Immobilienwirtschaft Einzug halten. Die ersten Entwicklungen in diese Richtung sind heute bereits zu beobachten. Digitale Ökosysteme werden ebenfalls eine große Rolle spielen. Unter anderem geht es dabei auch um die Frage, wer die digitale Service-Schnittstelle zu den Mietern gewerblicher Immobilien besetzt. Aus der Perspektive von Bestandshaltern und Fondsverwaltern geht es dabei nicht zuletzt um die Generierung zusätzlicher Erträge. Auch im Bereich des Rechnungsmanagements gibt es sicher attraktive Möglichkeiten, vorhandene Lösungen zur Plattform weiterzuentwickeln.
Glauben Sie, dass sich Ihre Plattform zum branchenweiten Marktstandard durchsetzen könnte?
LS: Für Eucon ist es sicher sinnvoll, die Lösung, die wir in vielen Bereichen gemeinsam für immobilienwirtschaftliche Abläufe entwickelt haben, natürlich auch über Union Investment hinaus der Immobilienwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Wir befürworten diesen Ansatz, nicht zuletzt deswegen, weil Union Investment einer genossenschaftlichen, partnerschaftlichen Tradition verpflichtet ist.
HG: Wir gehen in der deutschen Immobilienbranche bereits ordentliche Schritte in Richtung Standardisierung. Die erst kürzlich verabschiedete Datenmanagement-Richtlinie der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) ist hierbei aus meiner Sicht ein echter Meilenstein. Angesichts der bereits angesprochenen Konkurrenz aus Amerika und Ostasien ist es geboten, bei der Anwendung dieser Standards einen Zahn zuzulegen. Wir können als Partner und Dienstleister umso schneller agieren, je einheitlicher die Datenumgebung ist. Standardisierung heißt dann für uns auch, dass die Implementierung unserer Lösung innerhalb kürzester Zeit erfolgt – da wir uns nicht immer wieder an den speziellen IT-Gegebenheiten jedes neuen Kunden ausrichten müssen. Zwar bauen wir gerne individuelle Lösungen, aber es dauert dann auch etwas länger (lacht).
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Union Investment Real Estate GmbH, Eucon Digital GmbH
Erstveröffentlichung: Raum&mehr, Juni 2019