Je länger die COVID-19-Pandemie anhält, desto mehr gewöhnen sich die Menschen an die Zusammenarbeit über große Distanzen. Das wird die Teamarbeit nachhaltig verändern und den Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen verstärken. Was bedeutet das für die Zukunft des Büros als zentralen Arbeitsplatz? Im Gespräch mit Michael Krzyzanek und Marko Kröner zeigt sich, dass die Ansichten über mobiles Arbeiten nicht immer die gleichen sein mögen, aber dennoch einen klaren Trend für die Nutzung von Büroflächen aufzeigen.
The Property Post: Herr Krzyzanek, verliert das Büro seine Bedeutung?
Michael Krzyzanek: Nein, das Büro wird als zentraler Arbeitsplatz erhalten bleiben, das steht außer Frage. Das Arbeitsleben wird sich weiterhin im Büro abspielen, schon allein, weil dort die nötige Infrastruktur vorhanden ist. Eine Internetanbindung und ein Laptop reichen noch lange nicht aus, um arbeitsfähig zu sein – besonders im Dienstleistungssektor. Homeoffice ist aus meiner Sicht eine temporäre Lösung, aber keine dauerhafte.
TPP: Teilen Sie diese Ansicht, Herr Kröner?
Marko Kröner: Nein, ich sehe das anders und stelle direkt eine Gegenthese auf: Die Bedeutung der klassischen Büroarbeit wird abnehmen und einen Teil der Büroflächen überflüssig machen. Mobiles Arbeiten wird sich zu einer eigenen Arbeitsform entwickeln. In deutschen Konzernen kann man bereits heute beobachten, dass rund 30 Prozent der Büroflächen wegfallen, weil sie von den Mitarbeitern schlicht nicht mehr genutzt werden.
Michael Krzyzanek: Das mag für Konzerne gelten, der Mittelstand wird jedoch weiterhin an den klassischen Büroflächen festhalten. Ein Konzern hat andere Möglichkeiten, die Mitarbeiter technisch auszustatten und die Systemanforderungen für eine funktionierende technische Zusammenarbeit zu erfüllen. Der Mittelstand ist dagegen viel stärker auf einen direkten Austausch angewiesen, um z. B. Übergaben zwischen Mitarbeitern zu organisieren und einen Wissenstransfer zu gewährleisten.
Marko Kröner: Da treffen wir uns wieder, denn die Unternehmensgröße spielt natürlich eine Rolle. Ich widerspreche Ihnen aber hinsichtlich des Wissenstransfers: Aus meiner Sicht wird das Wissen im Unternehmen langfristig nicht mehr nur in den Köpfen der Mitarbeiter sein, sondern in den Maschinen, also digital archiviert. Auch Übergaben verlagern sich damit in die digitale Welt und hängen nicht mehr so stark am persönlichen Kontakt.
Michael Krzyzanek: Hier gehe ich mit Ihnen konform, aber die Informationen „zwischen den Zeilen“ können Sie schlecht übergeben oder digitalisieren.
TPP: Die Unternehmen, egal ob Konzerne oder Mittelstand, haben in den letzten Monaten die Bedeutung der Digitalisierung erkannt und die Voraussetzungen für eine digitale Kollaboration geschaffen. Was macht aus Ihrer Sicht den direkten Kontakt so unverzichtbar, Herr Krzyzanek?
Michael Krzyzanek: Rein technisch mag das alles möglich sein, das bestreite ich nicht. Die Menschen brauchen direkte soziale Kontakte, auch in der Arbeitswelt. Wenn ich alles ins Homeoffice verlagere, die Kommunikation also ausschließlich per Telefon und E-Mail organisiere, gehen aus meiner Erfahrung zu viele Informationen verloren, die sonst auf dem informellen Weg ausgetauscht werden – insbesondere die angesprochenen Informationen „zwischen den Zeilen“. Die kann ich nur im direkten Austausch vermitteln und das funktioniert im Büro am besten. Nicht umsonst gilt der „Flurfunk“ als einer der effektivsten Kommunikationskanäle, nur genau diesen haben Sie im Homeoffice nicht.
Marko Kröner: Die Bedeutung des persönlichen Austauschs dürfen wir nicht unterschätzen, da stimme ich Ihnen zu. Hier kann das Büro als Ankerpunkt dienen, an dem sich die Mitarbeiter regelmäßig treffen, sodass untereinander keine Entfremdung stattfindet. Echte Gemeinschaft braucht den persönlichen Kontakt.
Michael Krzyzanek: Darauf können wir uns einigen und im Kern liegen wir gar nicht so weit auseinander: Homeoffice wird das Büro nicht ersetzen können. Die Anforderungen an das Büro haben sich allerdings geändert – nicht erst durch COVID-19, aber die Pandemie ist natürlich zentraler Treiber für mehr Flexibilisierung. So wird zukünftig sicherlich das Homeoffice neben dem Büro eine bedeutendere Rolle spielen als es in der Vergangenheit der Fall war.
TPP: Welche Folgen hat diese Flexibilisierung für die Assetklasse Büro?
Michael Krzyzanek: Die Mieter wollen ihre Flächennutzung flexibler gestalten, um besser auf aktuelle Gegebenheiten reagieren zu können. Ging der Trend vor ein paar Jahren zum Großraumbüro, so könnten Büromieter zukünftig sicher mehr Einzelbüros einsetzen, um Mindestabstände zwischen den Mitarbeitern einzuhalten. Das kann sich in ein paar Jahren wieder umkehren. Beim Ankauf von Liegenschaften müssen wir daher verstärkt die architektonische und modulare Flexibilität überprüfen, ebenso die digitale Infrastruktur.
Marko Kröner: Genau, ich nenne das „atmende“ Büroflächen, die mit den Bedürfnissen der Mieter mitwachsen oder schrumpfen. Heute sind die Objekte recht klar strukturiert: Die erste Etage wird von Kanzlei A genutzt, die zweite Etage von IT-Firma B, die dritte Etage von Arztpraxis C und so weiter – da atmet nichts. Wenn die Kanzlei nun eines Tages einen höheren Flächenbedarf hat, die IT-Firma dagegen weniger, sind flexiblere Mietmodelle oder Co-Working-Angebote die Lösung.
TPP: Wäre ein Co-Working-Anbieter damit nicht der ideale Mieter?
Michael Krzyzanek: Das kann man so pauschal nicht sagen. Grundsätzlich werden wir uns das Geschäftsmodell der Mieter noch genauer ansehen – ob das ein Co-Working-Anbieter oder ein Dienstleistungsunternehmen ist. Auch eine flexiblere Mietvertragsgestaltung wird immer wichtiger. Momentan agiert der Großteil der Mieter eher zurückhaltend und abwartend, die Unternehmen können ja selbst schwer einschätzen, wie sich ihre gesamtwirtschaftliche Situation durch die Pandemie entwickelt. Kürzere Vertragslaufzeiten können hier ausschlaggebend dafür sein, dass sich der Mieter für neue Flächen entscheidet. Dadurch nimmt die Bedeutung der Drittverwendungsfähigkeit zu, was als Kriterium ebenfalls bereits beim Ankauf beachtet werden sollte.
Marko Kröner: Für die Assetklasse Büro kann das aus meiner Sicht tatsächlich eine Chance sein. Wenn wir als Büroanbieter den Trend zur Flexibilisierung der Arbeit aufgreifen und den Büromietern individuelle, atmende Nutzungsmodelle anbieten, überwiegt aus meiner Sicht die Chance das Risiko.
TPP: Vielen Dank an Sie beide für das Gespräch.
Deutsche Investment und EB IMMOBILIENMANAGEMENT, ein Unternehmen der EB GROUP, betreuen im Verbund derzeit rund 8.000 Wohn- und Büroeinheiten bundesweit.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Oktober 2020