Der Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt in NRW
Herwig Lieb, Regional Manager Colliers NRW, und Christian Sauer, Head of Capital Markets Colliers NRW, im Gespräch mit TPP. Thema: Der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalens Gewerbeimmobilienmarkt.
TPP: Der Ukraine-Krieg, eine Tragödie in jeder Hinsicht. An einer Auseinandersetzung mit den Folgen kommen wir nicht vorbei. Das Thema wurde auch während der MIPIM umfangreich diskutiert. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf den Gewerbeimmobilienmarkt in NRW ein?
Herwig Lieb: In NRW hatten wir bis dato so gut wie nie mit russischem Kapital zu tun. Direkte Auswirkungen von der Kapitalseite merken wir aktuell demzufolge keine. Die internationalen Akteure kommen aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, usw. Die üblichen Player wie immer...
Christian Sauer: Eine Auswirkung sollte doch Erwähnung finden. Compliance und GWG-Prüfungen haben bei uns seit jeher einen extrem hohen Stellenwert. Wir leuchten die Hintergründe bis in die hintersten Winkel aus. Compliance ist in solchen Zeiten wichtiger denn je.
TPP: Der Immobilienmarkt ist eine Sache, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eine andere...
Sauer: Das ist korrekt. Negative Auswirkungen könnte es natürlich durch einen Konjunktureinbruch auch in Deutschland geben. Eine Prognose ist derzeit allerdings noch zu früh. Da müssen wir die mittelfristigen Entwicklungen abwarten. Diesen Eindruck haben wir auch bei den zahlreichen Gesprächen während der MIPIM gewonnen – über das Thema wurde sich natürlich viel ausgetauscht.
Lieb: Möglicherweise wird durch die kriegsbedingten Veränderungen und die damit einhergehenden Unsicherheiten, man mag es kaum aussprechen, NRW als Standort sogar gestärkt werden.
TPP: Wodurch?
Lieb: Durch Verlagerung zusätzlicher Produktionskapazitäten einerseits und generell im Logistikbereich andererseits. Unternehmen müssen sich unabhängiger von den Zulieferern machen.
Sauer: NRW hat schließlich eine exzellente Infrastruktur. Wir verfügen über ein extrem gut ausgebautes Straßennetz und eine diversifizierte Wirtschaft. NRW ist für rund 20 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts von Deutschland verantwortlich und liegt damit auf dem ersten Platz.
Lieb: Ja, und nicht zu vergessen: NRW und besonders das Ruhrgebiet war und ist eine Region des Wandels. Ende der 1950er Jahre ist durch die Kohlekrise die gesamte wirtschaftliche Grundlage weggebrochen, die Region musste sich komplett neu erfinden. Das ist auf beeindruckende Weise gelungen. Dadurch glaube ich fest daran, dass sich die Region auch an die aktuellen Gegebenheiten anpassen kann.
TPP: Ein herzliches Dankeschön für das Gespräch.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Colliers International Düsseldorf GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2022