Marcus Lütgering zum Büro-Investmentmarkt in Deutschland
Im Interview mit dem Immobilienbrief von Rohmert-Medien spricht Marcus Lütgering zu den aktuellen Herausforderungen und möglichen Rahmenbedingungen für eine Stabilisierung des Büro-Investmentmarkts in Deutschland und wirft einen vergleichenden Blick auf den weltweiten Markt.
Herr Lütgering, die Investment-Baisse in Deutschland hat den Büromarkt voll in den Klauen. Mit welchen Konsequenzen und wie lange?
Marcus Lütgering: Zyklen und deren Ausschläge, insbesondere Krisen, lassen sich zeitlich nie terminieren. Das liegt in der Natur der Sache. Wir haben per heute das Problem, dass die Investoren das relative Pricing aller Anlageklassen insgesamt gegeneinander abwägen. Insbesondere festverzinsliche Anlagen haben an Attraktivität deutlich gewonnen. Dazu zählen Staatsanleihen aller möglichen Länder, aber auch Unternehmensanleihen. Diese Anlagen gilt es zu schlagen.
Das Problem der Immobilie und insbesondere des Büros ist derzeit die nicht beantwortete und auch nicht beantwortbare Frage, in welchem Umfang Menschen das Büro in Zukunft nutzen werden. Diese Frage ist gepaart mit der Auswirkung der Zinserhöhung auf die Preise, beziehungsweise dadurch noch überlagert. Denn die Investoren glauben nicht, dass das Ende der Zinserhöhung schon gekommen ist und rechnen eher daher damit, dass weitere Zins-Schritte negative Auswirkungen auf die Immobilienpreise haben werden. Aus dieser Gemengelage ergibt sich, dass wir erst wieder erhöhtes Investoren-Interesse generieren können, wenn damit gerechnet werden kann, dass der Höhepunkt der Zinssteigerung erreicht ist. Erst dann muss man nicht mehr mit fallenden Preisen rechnen. Das bedeutet, die Inflation muss zumindest „gefühlt“ unter Kontrolle sein, um die Eingangstür zum Immobilienmarkt zu öffnen.
Die Belegungsquoten der Büros sind dann der zweite Punkt, bei dem die Investoren mehr Sicherheit brauchen werden. In einem stabilen Zinsumfeld sollte dies allerdings kein, zumindest aber ein geringeres Problem sein, zu dem sich die Investoren schnell eine Meinung gebildet haben werden, um dann auch ebenso schnell zu ihrem Geschäft zurückzukehren.
Die Konsequenzen der jetzigen Situation sind zunächst jedoch fallende Preise und deutlich geringere Transaktionsvolumina. Kurzfristig wird dies sicher Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit von Immobilien haben und auch die Arbeitswelten im Immobilienbereich verändern.
Was sind die Treiber der Baisse und wie könnte Abhilfe geschaffen werden?
M. Lütgering: Die Unternehmen werden sich den Herausforderungen anpassen müssen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die zu erwartende Preisanpassung auch auf erzwungene Verkäufe auswirken wird, beziehungsweise zu diesen führt. In der Vergangenheit sind die Marktteilnehmer in Deutschland auch in Krisen ruhig geblieben, so dass es nie zu „Fire Sales“ gekommen ist. Mit Fire Sales würde ich auch in dieser Krise nicht rechnen. Abhilfe aber kann auf jeden Fall nur durch ein stabiles Zinsumfeld und Vertrauen in die zukünftige Nutzung der Büro-Immobilie geschaffen werden.
Natürlich wird eine Stabilisierung der Zinsen stattfinden. Das ist ein Fakt. Die Frage ist der Zeitpunkt. Interessant wird jedoch sein, wie die Welt dann ausschauen wird. Es wäre auch denkbar, dass ein höheres Inflationsziel das derzeitige ablöst und wir einfach mit dauerhaft höheren Zinsen leben müssen. Auch das wäre weder ein undenkbares noch ein schlechtes Szenario. Man muss ja auch im Hinterkopf behalten, dass das Paradigma, dass die Staatsanleihe eine geringere Verzinsung als die Immobilie bietet, erst um das Jahr 2000 herum in Kraft getreten ist. In den höher inflationären Jahren der neunziger Jahre war die Immobilienrendite immer bei 5 %, während Staatsanleihen zwischen 6 und 10 % rentierten. Ohne dass ich Zahlen konkret bemühen möchte, wäre ja eine Rückkehr in diese Welt durchaus vorstellbar für ein Szenario, in dem die Zinsen beziehungsweise die Inflation dauerhaft ein höheres Level erreichen.
Wie könnte eine Erholung in punkto Menge und Preisbildung aussehen?
M. Lütgering:: Es wird auch im derzeitigen Marktumfeld Transaktionen geben. Es gibt genügend Immobilien, die in einem ähnlichen Zinsumfeld eingekauft worden waren, hervorragend gemanagt wurden und jetzt deutlich höhere Mieteinnahmen haben als zum Zeitpunkt des Ankaufs. Das sind die Häuser, die wir jetzt im Markt sehen werden. Dadurch, dass sich die Haltedauer grundsätzlich verkürzt hat, ist das natürlich nur ein kleiner Teil des Marktes, eine Nische. Und auch nicht jeder, der so ein Haus im Bestand hat, möchte es verkaufen. Das bedeutet, dass die Volumina insgesamt gering bleiben werden. Auch nicht zuletzt deswegen, weil nach meiner Einschätzung keine Panikverkäufe im größerem Umfang stattfinden werden.
Wie sieht es auf den Weltmärkten aus? Überall die gleiche Tristesse oder gibt es Ausnahmen?
M. Lütgering: Interessant in diesem Zusammenhang wird unter anderem das „Sentimento“ der Investoren sein bezüglich der Einschätzung, wie Leute ins Büro, beziehungsweise in welchem Umfang Mitarbeiter ins Büro zurückkommen werden. Wir haben in verschiedenen Erdteilen ganz unterschiedliche Reaktionen bei diesem Thema gesehen. Auf meinen letzten Asienreisen konnte ich feststellen, dass das Thema „Home-Office“ in Korea überhaupt nicht existent ist. Hingegen sind die Rückkehrquoten in den USA scheinbar zwischen 40 und 50 %. Allerdings muss man sehen, dass die Unternehmen derzeit unter Nutzung der Krise große Anstrengungen unternehmen, die Mitarbeiter wieder ins Büro zu holen. Trotzdem werden natürlich US Investoren und asiatische Investoren aufgrund der Erfahrungen, die sie in ihren eigenen Ländern machen, geprägt. Interessant wird sein, wie und ob sich dies auf ihr Investment-Verhalten auswirkt.
Was die Verhältnisse generell auf den Weltmärkten betrifft, sind mir international keine großen Unterschiede bekannt. In allen wichtigen Märkten wie den USA oder Asien kämpfen die Immobilienmärkte mit Bewertungen beziehungsweise Preisen, die durch die hohen Zinsen beeinflusst werden. Die Rückkehrquoten ins Büro spielen eine weitere Rolle. Historisch haben die USA immer am schnellsten reagiert, neue Bewertungslevel festgelegt und waren am schnellsten zum Comeback bereit. In Deutschland haben die Krisen traditionell länger gedauert, weil kein Druck zu verkaufen ausgeübt wurde. Es würde mich sehr wundern, wenn sich dieses langfristige Schema in der aktuellen Krise ändern würde.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Marcus Lütgering
Erstveröffentlichung: Der Immobilienbrief vom 30.03.2023