Integration im Eilschritt in der Immobilienbranche
Die Blockchain-Technologie hält im Eilschritt in der Immobilienbranche Einzug. 2020 wird die Verbreitung von blockchain-basierten Investments an Fahrt aufnehmen. Treiber dieser Entwicklung ist paradoxerweise der Regulator. Im Interview spricht Martina Hertwig, Partnerin und Wirtschaftsprüferin bei Baker Tilly sowie Mitglied des ZIA-Präsidiums über Kostenvorteile, neue Investmentmöglichkeiten und den Stand der Regulierung.
TPP: Frau Hertwig, das Thema Blockchain und Immobilieninvestments ist derzeit in aller Munde. Allerdings gewinnt man den Eindruck, dass viel geredet wird und wenig passiert. Stimmt das?
MH: Es wird bald sehr viel passieren. Meiner Meinung nach stehen wir derzeit an einem entscheidenden Punkt. 2019 war noch eine Art Versuchsphase. Wir haben mit der Emission einer Schuldverschreibung von Bitbond im Februar 2019 eine Blaupause für die Branche gesehen. Alle folgenden Emissionen orientieren sich daran. Meines Erachtens werden wir 2020 eine Vielzahl von STOs (Single Token Offerings) sehen. Dem Vernehmen nach liegen derzeit zahlreiche Prospekte für STOs bei der BaFin.
TPP: Was treibt die Entwicklung?
MH: Einerseits der Markt selbst, aber andererseits auch – und das ist eher ungewöhnlich – der Regulator. Die Bundesregierung hat eigens eine Blockchain-Strategie formuliert. Darin wird der Finanzsektor als wesentliches Handlungsfeld festgelegt. Parallel dazu treibt auch die Aufsichtsbehörde BaFin das Thema voran und genehmigt bereits Prospekte von Schuldverschreibungen, obwohl die zivilrechtlichen Grundlagen noch gar nicht da sind. Das Gesetz, das alles regelt, gibt es noch nicht. Die Erstellung eines Referentenentwurfs ist geplant.
TPP: Die BaFin beschränkt sich noch auf Schuldverschreibungen. Was ist darüberhinaus auf Blockchain-Basis möglich?
MH: Man kann alle existierenden Rechtsformen neu denken beispielsweise auch eher sperrige Strukturen wie Kommanditanteile an einer deutschen KG. Daneben werden wir auch tokenisierte Direktinvestments sehen. Hier wird die Immobilie als solche über Tokens handelbar gemacht. Voraussetzung ist, dass die Grundbücher mitspielen. Security Tokens ermöglichen aber auch ganz neue Vertriebsmodelle wie beispielsweise über digitale Plattformen.
TPP: Wo liegt das Potenzial der Blockchain?
MH: Die Blockchain ermöglicht enorme Effizienzgewinne. Ganze Transaktionsprozesse können end-to-end digital abgebildet werden. Intermediäre, die im Moment noch eine wichtige Rolle spielen wie etwa Clearing-Stellen, Payment-Agents und Settlement-Agents werden perspektivisch wegfallen.
Gewinner der Entwicklung sind auch alle Investoren. Privatinvestoren können künftig beispielsweise in viel kleineren Summen investieren, da durch die Effizienzgewinne bei vielen Emissionen künftig auch kleine Stückelungen möglich sind. Überspitzt gesagt: Für Privatanleger wird sich ein neues Investmentuniversum eröffnen. Doch auch im institutionellen Bereich werden durch den Wegfall der Intermediäre und Effizienzgewinne erhebliche Kostenersparnisse erreicht.
TPP: Können Sie die Kostenvorteile beziffern?
MH: Das hängt stark vom Emissionsvolumen ab, ich würde diese jedoch mindestens auf 100 Basispunkte beziffern. Idealerweise wird dieser Kostenvorteil an die Anleger weitergegeben. Ob das in der Realität so ist oder ob auch ein Teil des Kostenvorteils beim Anbieter bleibt, wird sich zeigen. Bekannterweise stehen auch die Anbieter unter starkem Margendruck.
TPP: Was sollten Anleger bei Investments über Security Tokens beachten?
MH: Unserer Einschätzung nach sind die technischen Risiken nicht sehr hoch. Wenn der Vermögensgegenstand erst einmal „tokenisiert“ ist, sind die Risiken fast ausgeschlossen. Das Augenmerk sollte auf dem Investment selbst – also der Immobilie – liegen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Baker Tilly
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2020