Vorsicht vor hektischen Kurswechseln
Nach Jahren annähernden Stillstandes deutet sich inzwischen auch im Euro-Raum wieder mehr Bewegung bei den Zinsen an. Zugleich zog die Inflationsrate, die in den vergangenen Jahren ebenfalls oft auf niedrigem Niveau verharrte, zuletzt deutlich an. Wie sollten institutionelle Investoren bei ihren Fondsanlagen darauf reagieren? The Property Post sprach darüber mit Dr. Sven Helmer, MRICS, Geschäftsführer der LAGRANGE Financial Advisory GmbH in Frankfurt am Main.
The Property Post: Europäische und hier insbesondere deutsche Immobilien galten für Investoren jahrelang als „sicherer Hafen“. Inzwischen mehren sich Stimmen, die das anders sehen. Lohnen sich Immobilienfondsinvestments mit Fokus Deutschland noch?
Dr. Sven Helmer: Diese Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Was die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen angeht, ist zwar zuletzt Einiges in Bewegung geraten, aber das bedeutet nicht, dass sich die Situation umgekehrt hätte und die früheren Argumente nicht mehr gälten.
TPP: An welche Argumente denken Sie dabei vor allem?
S. H.: Ein zentrales Argument für Immobilienanlagen ist ja seit Jahren die Tatsache, dass es für institutionelle Investoren kaum noch andere Alternativen mit vergleichbarem Risiko-Rendite-Profil gab, nachdem sich mit Anleihen aufgrund der minimalen Zinsen praktisch keine Renditen mehr erwirtschaften ließen.
TPP: Aber ändert sich das nicht gerade? Wenn die Zinsen steigen, werden Anleihen ja wieder attraktiver…
S. H.: Grundsätzlich schon, aber wir müssen die Relationen im Blick behalten. Nach wie vor unterscheidet sich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank fundamental von jener der Federal Reserve in den USA, die die Zinsen viel früher und deutlicher angehoben hat, während die EZB bislang ja nur erkennen lässt, dass es in absehbarere Zeit erste kleine Schritte weg von der jahrelangen Nullzinspolitik geben könnte. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Spielräume der EZB nach wie vor viel geringer sind als die der Fed. Während die Amerikaner sich bei ihren Zinsentscheidungen an den Entwicklungen einer großen Volkswirtschaft orientieren, muss die EZB dabei 19 zum Teil sehr unterschiedliche Volkswirtschaften im Blick behalten. Das ist ein erheblicher Unterschied und macht kurzfristige hohe Zinssteigerungen eher unwahrscheinlich. Insofern würde ich derzeit auch vor hektischen Kurswechseln warnen.
TPP: Bei Immobilien in Deutschland sind die Anfangsrenditen in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Ist es da nicht verständlich, wenn Investoren sich lieber anderswo umsehen?
S. H.: Die Anfangsrenditen sind wichtig, aber sie sind nur ein Punkt in der Gesamtbetrachtung eines Investors. Auch langfristig agierende institutionelle Investoren wollen sich irgendwann wieder von ihren Objekten trennen, und wenn das Investment erfolgreich war, kommt dann zu den über die Jahre erzielten Mieterträgen noch ein Veräußerungsgewinn hinzu, der zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerungen abbildet und in die Gesamtrendite des Investments mit einfließt. Das gibt es in dieser Form bei Anleihen nicht.
TPP: Welchen Einfluss hat Ihrer Einschätzung nach die hohe Inflationsrate, die wir im Moment haben?
S. H.: Inflation ist ebenfalls ein wichtiges Argument für einen Immobilien-Anteil im Portfolio. Mit den niedrigen Inflationsraten der vergangenen Jahre ist es zwar ein wenig aus dem Blick geraten, aber dafür gewinnt es aktuell wieder stark an Bedeutung. Zum einen relativieren sich niedrige Anfangsrenditen bei höherer Inflation etwas, weil die Immobilienwerte ja tendenziell in die gleiche Richtung laufen wie die Preise. Zum anderen können die Einnahmen durch Indexklauseln gegen inflationsbedingte Entwertung geschützt sein. Das betrifft vor allem Gewerbemieterträge, kommt inzwischen aber auch bei Wohnimmobilien immer häufiger vor. Hier kommt es aber besonders auf selektives Vorgehen an, ähnlich wie beim „Stock Picking“ am Aktienmarkt. Denn natürlich nützt die Indexierung nur dann etwas, wenn die Attraktivität der Immobilie aufgrund ihrer Lage und ihrer baulichen Merkmale sicherstellt, dass inflationsbedingte Mietsteigerungen auch tatsächlich durchsetzbar sind. Hier ist in besonderem Maße Marktexpertise gefragt, denn die Projekt-Pipelines werden jetzt geringer. Wer sich in diesem Umfeld richtig positioniert hat, kann 2023 bis 2025 attraktive Mietsteigerungen erzielen.
TPP: Herr Dr. Helmer, haben Sie vielen Dank für das Interview!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von LAGRANGE Financial Advisory GmbH
Erstveröffentlichung: 20. April 2022