Ein Gespräch über die Digitalisierung von Immobilientransaktionsprozessen und den Fortschritt der Branche
The Property Post: Herr Teufelsdorfer, wie gehen Sie als Proptech mit den Einschränkungen aufgrund der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie um?
Herwig Teufelsdorfer: Fast alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten mit ihren Laptops von zu Hause aus. Das ist der große Vorteil, wenn man ein digitales Unternehmen ist. Man kann von überall auf wichtige Dokumente und Arbeitsstände zugreifen, und auch zu zweit oder dritt parallel daran arbeiten. In dieser Krisenzeit zeigen sich die enormen Vorteile der Digitalisierung, die in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Debatte ja mehr und mehr Raum eingenommen hat. Dennoch sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein könnten und sollten.
TPP: Was genau meinen Sie damit?
H.T.: In der Immobilienwirtschaft stehen wir gerade erst am Anfang der Digitalisierung. Viele Prozesse entlang der gesamten immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungskette finden immer noch analog statt. Oder man bemüht die verschiedenen Office-Anwendungen, was in der Regel zu einem ziemlichen Dateienwust führt. Dabei gibt es mittlerweile für zahlreiche Bereiche Online-Tools, die zumindest einzelne Arbeitsschritte digitalisieren und beschleunigen können, eine bessere Dokumentation und Kommunikation ermöglichen und den Zugriff von überall erlauben. Allein die schiere Anzahl an Proptechs, die in den vergangenen Jahren gegründet wurden, zeigt, wie viele Einsatzbereiche es gibt und wie groß das Potenzial zur Effizienzsteigerung ist. Jedoch hat die Branche eine Dekade beispiellosen Wachstums hinter sich und der Innovationsdruck war entsprechend gering. Das könnte einigen Marktakteuren jetzt auf die Füße fallen. Viele wird es dazu bewegen, sich nach der Coronavirus-Krise intensiver mit dem Einsatz der eigenen Ressourcen auseinanderzusetzen, denn wir befinden uns derzeit in so etwas wie einer erzwungenen Testphase, weil sehr viele aus dem Homeoffice arbeiten. Ich habe den Eindruck, dass zurzeit viele positive Erfahrungen mit digitalen Lösungen gemacht werden und die Überraschung, wie gut das funktioniert und welche Potenziale dabei frei werden, sehr groß ist.
TPP: An welchem Punkt setzt hier 21st Real Estate an?
H.T.: Wie haben es uns zur Aufgabe gemacht, den Immobilientransaktionsprozess zu digitalisieren und online auf einer zentralen Plattform durchführbar zu machen. Auf dem Weg dahin gibt es bereits einige Lösungen, die in weiterer Zukunft dann ein Ökosystem bilden. Analyse- und Berechnungs-Tools stehen derzeit bereits zur Verfügung. Unsere Anwender können damit erhaltene Angebote automatisch auf den fit mit ihren Investmentstrategien überprüfen und ihr eigenes Portfolio hinsichtlich der Erfolgsfaktoren screenen. Adressgenaue Lageanalysen auf Mikro- und Makroebene sind ebenso möglich wie die Unterstützung im Rahmen der Due Diligence von Einzelobjekten und ganzen Portfolios durch das Hochladen anonymisierter Mieterlisten. Ergebnisse aus einer etwaigen Due Diligence werden eingepflegt und auf Knopfdruck Ergebnisberichte z.B. für Entscheidungsvorlagen erstellt – alles auf Basis reproduzierbarer Datengrundlagen und KI, sozusagen mit digitalisiertem gut feeling. Aktuell arbeiten wir intensiv an der funktionalen Erweiterung unserer Bewertungs- und Analysetools. Unser neues RELAS-Tool ermöglicht es beispielsweise Investoren und Projektentwicklern, anhand eines Suchprofils mit selbst kombinierbaren Parametern deutschlandweit die passenden Lagen für das eigene Ankaufprofil zu identifizieren. Wir wollen, dass unsere Anwender mit unseren Tools schneller und sicherer Entscheidungen treffen können. Dazu beschleunigen wir Arbeitsprozesse und unsere Kunden haben mit den Tools die Möglichkeit, auf eine einzigartige, mittels Künstlicher Intelligenz und Machine Learning-Prozessen generierte Basis zurückzugreifen.
TPP: Worin sehen Sie die größten Hemmnisse der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft?
H.T.: Wie bereits erwähnt, blickt die Branche auf ein äußerst erfolgreiches Jahrzehnt zurück. Vor diesem Hintergrund erscheint die Notwendigkeit, Dinge, die gut funktionieren, noch weiter zu verbessern, recht gering. Neben dem fehlenden Innovationsdruck mangelt es aber auch häufig an dem notwendigen Know-how der Mitarbeiter. Das geht aus einer gemeinsamen Umfrage des ZIA mit Ernst & Young hervor. Als weitere Hauptgründe werden in dieser Umfrage der Datenschutz sowie das Fehlen regulatorischer Rahmen und Standards genannt. Ich glaube, hier muss man vielen Unternehmen noch die Angst vor Cloud-Lösungen nehmen. Denn es hält sich hartnäckig der Irrglaube, auf lokalen Servern gespeicherte Daten seien sicherer als Daten in der Cloud. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Leider setzt sich diese Erkenntnis häufig erst durch, wenn es zu spät ist – zum Beispiel nach einem Diebstahl, Serverausfall oder Hackerangriff. Die Aufgabe von Proptechs muss es zukünftig sein, nicht nur Insellösungen anzubieten, sondern gemeinsame, kompatible und anschlussfähige Lösungen bereitzustellen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von 21st Real Estate
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2020