05.06.2024

Abwertungen bei Fondsanteilen

"Wir sehen Rückgänge um acht bis zehn Prozent."

Alexander Lehnen, Partner, HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Alexander Lehnen

Im Interview mit The Property Post spricht Alexander Lehnen, Partner bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, u.a. über die aktuellen Herausforderungen bei der Auflage neuer offener Immobilien-Spezialfonds. Außerdem gibt Lehnen eine Antwort auf die heiß diskutierte Frage, wie hoch die Abwertungen bei Bestandsfonds ausfallen. Weitere Themen: Wann ist es sinnvoll, Artikel-6-Fonds auf Artikel 8 oder Artikel 9 hochzustufen und unter welchen Voraussetzungen dürfen Anleger ihre Anteilscheine zurückgeben?

TPP: Sie beraten Initiatoren von Immobilien-Spezialfonds. Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen bei der Konzipierung neuer AIFs

Im Moment ist es nur selektiv möglich, Fondsanteile bei den Institutionellen zu platzieren, weil fast alle Investoren die Füße stillhalten. Sobald der Anlagedruck bei den Institutionellen Anlegern allerdings wieder steigt – und das wird er, das ist die logische Folge der Kapitalzuflüsse – stellt sich die Frage, mit welchen Strategien und Produkten man Erfolg haben kann. Das ist aktuell das große Fragezeichen, das die Initiatoren umtreibt. Logistik und Wohnen sind zwei Nutzungsarten, die aus unserer Sicht wieder funktionieren werden. Bei Büro würde ich mal ein großes Fragezeichen machen, ebenso wie hinter Fachmarktzentren.

TPP: Wo liegen in den kommenden Monaten die Schwerpunkte in Ihrer Beratung?

Drei Themen stehen in den kommenden Monaten im Fokus: Erstens, die Refinanzierung von Entwicklern. Zweitens, wie gehe ich mit nicht mehr werthaltigen Darlehensausreichungen um, insbesondere fragen sich dies die Institutionellen Gläubiger. Und Drittens, welche neuen Fondsprodukte finden Akzeptanz beim Anleger?

TPP: Welche Abwertungen sehen Sie in bestehenden offenen Immobilien Spezial-AIF?

Während es von 2022 zu 2023 noch keine wesentlichen Bewertungsanpassungen in der Breite gab, haben wir für die aktuelle Bewertungsrunde Abwertungen bei den Anteilsscheinpreisen von acht bis zehn Prozent im Schnitt beobachtet. Das ist weniger als der gesamte Immobilienmarkt verdauen muss. Dort muss man eine Abkühlung von 20 bis 30 Prozent konstatieren. Dennoch rechnen wir unter den aktuellen Marktbedingungen für die kommende Bewertungsrunde mit keinen weiteren wesentlichen Anpassungen der Anteilscheinpreise nach unten.

TPP: Artikel-8- und Artikel-9-Fonds sind in aller Munde bei der Neuauflage. Welche Strategien und Möglichkeiten sehen Sie für bestehende Artikel-6-Fonds? Ist eine Transformation durch reine Portfoliomodernisierung überhaupt möglich?

Das Gros der heute nach Artikel 6 klassifizierten Fonds wurde in den Jahren 2020 und davor aufgelegt. Diese Fonds sind in der Regel ausplatziert und ausinvestiert. Damit ergibt sich kein Handlungsbedarf. Jene Fonds, die noch in der Platzierung waren, wurden ziemlich schnell von Artikel 6 auf Artikel 8 upgegradet. In diesem Fall muss man überlegen, welche Artikel-8-Kriterien der Fonds mit seinem Produktportfolio erfüllen kann. Anschließend muss die Genehmigung der BaFin eingeholt und das Reporting angepasst werden. In den meisten Fällen funktioniert das recht gut, da in den zurückliegenden Jahren sehr viel Neubau für die Portfolios angekauft wurde und man dafür eine E-Strategie recht gut dokumentiert bekommt.

Fonds mit älteren Bestandsimmobilien im Portfolio werden es dagegen meist bei einer Artikel-6-Klassifizierung belassen müssen. Hier zielen die ESG-Strategien i.d.R. auf einzelne Assets, die dann auch nach einer eher kurzen Haltedauer von drei bis fünf Jahren wieder veräußert werden.

TPP: Mit der Real Exchange AG gab es den Versuch, einen Zweitmarkt für institutionelle Fondsanteile zu etablieren. Öffnet sich gerade ein Fenster für den Handel mit Anteilen an AIFs am Sekundärmarkt?

Verkäuferseitig wäre nach meiner Einschätzung ein großes Interesse da. Gerade vergangenes Jahr gab es ja im ersten Halbjahr eine große Nervosität auf Investorenseite und viele Anfragen an die Manager, Anteilsscheine zurückzunehmen. Man hat dann relativ schnell gemerkt, dass das nicht sinnvoll ist, weil sonst unter Druck Assets mit großen Abschlägen verkauft werden müssen. Man hat dann häufig eine Stillhaltevereinbarung unter den Anlegern geschlossen. Aber nach wie vor gibt es einige Investoren, die sich gerne von Anteilsscheinen trennen würden. Das Problem ist allerdings das fehlende Käuferinteresse zu Werten, die der Verkäufer akzeptieren würde.

TPP: Wenn ein Anleger trotzdem unbedingt seine Anteilsscheine zurückgeben will, darf er den Preis frei verhandeln und mit Abschlag verkaufen?

Grundsätzlich haben die Anleger bei offenen Fonds ein Rückgaberecht. Jedoch wurden im Regelfall für Rückgaben in den ersten fünf Jahren nach Auflage (saftige) Rückgabeabschläge in den Fondsstatuten verankert. Ist man außerhalb der fünf Jahre, kann in der Regel zum letzten Quartalspreis zurückgegeben werden. Allerdings führt dies sehr schnell zu einem Aussetzen der Rücknahmen. Wenn sich nach 12 Monaten die Situation nicht bessert, müssen Assets verwertet werden. Eine Übertragung der Anteilsscheine zwischen VAG-Investoren ist in der Regel in den Vertragswerken vorgesehen, ansonsten bedarf die Übertragung häufig einer Zustimmung der Anleger.

TPP: Wir reden laufend über Digitalisierung und hohe Transaktionskosten. Glauben Sie, dass eine Tokenisierung von Anteilen an Immobilien oder AIFs eine Zukunftsoption ist?

Gerade für die junge Generation am Privatanlegermarkt wäre das sehr attraktiv, wenn wir als Immobilienwirtschaft Produkte schaffen, die mit dem Zeitgeist gehen.

Wir hatten vor zwei Jahren einen Fall, da wollte ein Mandant Aktien tokenisieren. Das war damals rechtlich nicht so einfach. Mit dem E-Wertpapier wurde der Rechtsrahmen mittlerweile angepasst und somit mehr Rechtssicherheit geschaffen. Wenn wir dieses Thema aber auf den ELTIF bezogen weiterdenken und diesen als offene Investment-AG ausgestalten, könnte man dessen Aktien tokenisieren –- das wäre eine spannende Sache. Ob das die Volumina bringt, die man braucht, um eine solche Struktur wirtschaftlich zu betreiben, ist schwer einzuschätzen. Vom Grundprinzip her finde ich das aber eine attraktive Lösung. Einige haben es versucht, aber leider gibt es bisher nur wenige Erfolgsfälle.

TPP: Herr Lehnen, vielen Dank für das Gespräch!

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2024

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