01.03.2017

2017 ist nicht 2007

Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung, IREBS International Real Estate Business School
Prof. Dr. Steffen Sebastian

Hochpreisphasen sind für Immobilienfinanzierer schwierig. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Marktkorrektur schwingt bei allen Kreditentscheidungen im Hintergrund mit. Als würde diese Unsicherheit nicht schon ausreichen, müssen sich die Banken zudem weiteren Herausforderungen stellen: Neue Regulierungen – insbesondere im Wahljahr 2017 –, Digitalisierung und zunehmende geopolitische Risiken. Über die Situation der Immobilienfinanzierer spricht The Property Post mit Prof. Dr. Sebastian.

Wo stehen die Immobilienfinanzierer im Jahr neun nach Lehman?

Rückblickend betrachtet, hat die Krise dazu geführt, dass die Kräfte des Marktes gestärkt wurden. In den Jahren unmittelbar nach der Krise hat es eine Marktbereinigung und eine gewisse Konzentration gegeben. Einige wenige Finanzierer sind aus dem Markt ausgeschieden. Dies hat aber nicht dazu geführt, dass der Wettbewerb leidet. Es sind weiterhin ausreichend Wettbewerber am Markt präsent, was im Ergebnis zu einer gesunden Konkurrenz zwischen den Anbietern führt. Die Darlehensnehmer profitieren hiervon durch gute Kreditverfügbarkeit und gesunkene Margen.

Wir sind wieder in einer Hochpreisphase auf den Immobilienmärkten analog zur Situation 2005 / 2006. Was ist aus Sicht der Immobilienbanken anders als damals?

Ein grundlegender Unterschied zu damals resultiert natürlich aus der Regulierung, mit der der Gesetzgeber auf nationaler und internationaler Ebene auf die Krise reagiert hat: Seit 2008 ist eine Flut von Bankenregulierungsmaßnahmen in Kraft gesetzt worden, die von den Instituten umgesetzt werden musste und zum Teil noch immer abgearbeitet werden muss. Es gibt zudem keinen Anlass anzunehmen, dass der deutsche bzw. der europäische Gesetzgeber in seinen Bemühungen um eine weitergehende Regulierung nachlässt. Hier sei als Beispiel Wohnimmobilienkreditrichtlinie genannt.

Insgesamt kommt man nicht umhin festzustellen: Im Ergebnis sind die deutschen Banken sicherer geworden, was vor allem auf Basel III – Stichwort höhere Eigenkapitalpuffer – und eine verstärkte Bankenaufsicht zurückzuführen ist.

Ein anderer wichtiger Unterschied im Vergleich zum letzten Boom ist das Zinsumfeld. Die Preiserhöhungen, die wir seit 2008 an den Märken beobachten, können nur im Kontext des unterschiedlichen Zinsniveaus analysiert werden. Wer 2005 hohe Preise gezahlt hat, musste mit einem ganz anderen Zinssatz kalkulieren. Wer sich dagegen heute langfristig refinanziert, kann einen deutlich höheren Preis für eine Bestandsimmobilie zahlen, ohne dass die Finanzierung im vergleichbaren Maße anfällig gegen Cash-Flow-Schwankungen wird.

Die geopolitische Unsicherheit hat 2016 erheblich zugenommen. Genannt seien der Brexit, problematische Entwicklungen in der Türkei und Russland und nicht zuletzt die Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsident. Welche Auswirkungen hat das auf die Immobilienmärkte?

Die Auswirkungen sind zwiespältiger Natur. Einerseits profitiert Deutschland als Safe Haven von Unsicherheiten in anderen Ländern. Dies zeigt sich u.a. daran, dass neue Investorengruppen nach Deutschland kommen, die noch vor einem Jahr vielleicht eher in London investiert hätten. Allerdings haben diese Risiken auch negative Effekte auf die Realwirtschaft hierzulande. Als Exportnation stellt naturgemäß der Brexit ein Risiko für die deutsche Volkswirtschaft dar. Das gleiche gilt für wirtschaftliche Probleme in den Südländern der Eurozone – allen voran in Italien – oder die ökonomischen Risiken aus einer eventuell protektionistischen Handelspolitik der USA.

Stichwort Regulierung: Welche regulatorischen Vorgaben werden die Immobilienfinanzierer 2017 am stärksten beschäftigen?

Wir müssen vor allem mit einer weitergehenden Regulierung des deutschen Wohnungsmietrechts rechnen. Da das Wohnsegment derzeit eines der wichtigsten Segmente des Immobilienmarktes ist, betrifft dies auch die Finanzierer. Je nach Ausgang der Bundestagswahl im Herbst könnten neue Regulierungsvorhaben angestoßen werden. Ich erwarte im Fall einer Neuauflage der großen Koalition, dass die Mietpreisbremse, die derzeit eher de jure gilt, dann auch de facto umgesetzt werden wird. Sollte es zu Rot-Rot-Grün kommen, müssen wir mit noch weitergehenden Maßnahmen rechnen. Über die schon angesprochene Wohnimmobilienkreditrichtlinie wird demnächst im Finanzausschuss des deutschen Bundetags beraten. In diesem Fall ist eine Präzisierung wahrscheinlicher als eine weitergehende Verschärfung.

Ironie beim Thema Regulierung: Das, was eigentlich gebraucht wird, nämlich mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt, kommt leider immer noch nicht. Beispielsweise wäre für die Überwachung von Risiken in der Wohnungsfinanzierung das ursprünglich geplante Wohnkreditregister sehr sinnvoll. Auch über die Transaktionen, insbesondere über die Share Deals, brauchen wir bessere und schnellere Informationen. Die Gutachterausschüsse können dies in dem aktuellen Rechtsrahmen nicht leisten. Ohne gesicherte Informationen bleiben aber viele Regulierungsbestrebungen des Staates leider nur Therapie ohne Diagnose.

Stichwort Digitalisierung: Vor welchen Herausforderungen stehen die etablierten Immobilienfinanzierer?

Die Digitalisierung der privaten Immobilienfinanzierung ist bei einigen Instituten schon sehr weit gediehen. Aber sie hat auch ihre Grenzen. Bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung ist vieles nicht standardisierbar, da Immobilien und Finanzierungssituationen sehr heterogen sind. Außerdem sind aufgrund der höheren Volumina die Kosten einer individualisierten Beratung vernachlässigbar. Beispielsweise können bei einem 50-Millionen-Euro-Portfolio problemlos fünf Personentage oder mehr investiert werden. Dennoch könnten in Teilbereichen Digitalisierungen sehr wohl möglich sein. Mehr Potenzial sehe ich allerdings bei den internen Prozessen wie etwa beim Risikomanagement. Hier besteht insbesondere bei kleineren Banken bei der Digitalisierung noch Nachholbedarf.

Kommen wir zum Thema Markt: Der ZIA hat jüngst vor größeren Preiskorrekturen bei Wohnimmobilien gewarnt. Wie schätzen Sie diese Warnung ein?

Der Wert von 30 Prozent, der als Preiskorrektur genannt wurde, ist angesichts der verwendeten Methodik in diesem Teil des Gutachtens meines Erachtens nicht zulässig. Derartige Schlussfolgerungen darf man nicht als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis verstehen, sondern allenfalls als Meinungsäußerungen der Autoren. Nur als solche sind sie auch legitim. Wünschenswert wäre zudem eine differenzierte Lageberücksichtigung gewesen. Beispielsweise gibt es auch im begehrten Markt Berlin zwischen den Stadtteilen immer noch ganz erhebliche Unterschiede.

Grundsätzlich gilt, dass selbstverständlich Preiskorrekturen immer wahrscheinlicher werden, je mehr die Preise steigen. Negative Renditen sind somit 2017 wahrscheinlicher als 2015. Dennoch ist meines Erachtens das vom ZIA prognostizierte Szenario eher wenig wahrscheinlich. Meiner Meinung nach besteht das wahrscheinlichere Szenario darin, dass sich die Preise auf absehbare Zeit weiterhin auf hohem Niveau bewegen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von IREBS International Real Estate Business School
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2017

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