21.12.2015

Zukunft des Einzelhandels

Warenhaus-Developments: Chancen nutzen!

Martin Mörl, Geschäftsführer, Girlan Immobilien GmbH
Martin Mörl

Als das Warenhaus Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden wurde, galt es als Innovation: Hier bekamen Kunden all das, was sie wollten – und das zu einem festen Preis und vor allem zentral unter einem Dach. Ihr großer Erfolg läutete zeitgleich das Ende vieler Händler von nebenan ein. Gut 100 Jahre später sorgte die Errichtung von Shoppingcentern dafür, dass der Boom der „Konsumtempel“ gestoppt wurde. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts erfahren nun Shoppingcenter wie auch Warenhäuser eine starke Konkurrenz durch den zunehmenden Onlinehandel (Anteil am Gesamtumsatz bereits 10 Prozent in 2012). Warenhäuser werden nicht verschwinden – ohne zukunftsfähiges Flächenkonzept, ohne eine zeitgemäße Multi-Channel-Strategie und ohne eine durchdachte Revitalisierung wird sich jedoch die Marktposition von schwächeren Standorten weiter verschlechtern. Der stationäre Einzelhandel in seiner Gesamtheit befindet sich in einem tiefgreifenden und umfassenden Umstrukturierungsprozess: der Versandhandel wurde weitgehend durch E-Commerce ersetzt, Fachmarktzentren florieren außerhalb der Städte, Flagship-Stores in den Innenstädten. Konsumenten haben ihr Kaufverhalten und ihre Erwartungen dementsprechend weiterentwickelt. Bestimmte Produktgruppen, wie zum Beispiel Bücher oder Unterhaltungselektronik, werden heute bevorzugt im Internet erworben. All dies hat Auswirkungen auf Einzelhandelsimmobilien.

Development-Konzepte für Warenhäuser

Gut geführte Warenhäuser in großstädtischen Toplagen werden auch in Zukunft Bestand haben. Häuser in weniger attraktiven Lagen hingegen haben nicht selten mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Oft wurde in der Vergangenheit aufgrund sinkender Umsätze zu wenig in deren Modernisierung investiert, wodurch die Attraktivität und damit der Umsatz noch weiter abnahmen. Für schwächere Häuser bietet ein durchdachtes Development deshalb große Chancen. Von entscheidender Bedeutung sind dabei die individuelle Beurteilung eines Standorts und die Entwicklung eines wettbewerbs- und zukunftsfähigen Konzepts. Eine enge Kooperation mit der Vermieter- bzw. Immobilienseite ist hier elementar, denn die standortspezifischen Problemlagen unterscheiden sich ebenso wie die wirtschaftliche und demografische Situation der jeweiligen Stadt. Nicht zuletzt müssen die Besonderheiten und Herausforderungen des Formats Warenhaus, wie etwa die hohe Anzahl der Stockwerke, die Breite der Fronten und die Flächenstruktur, beachtet werden. Da ein Abriss und Neubau aus einer Vielzahl von Gründen häufig nicht in Betracht kommen, ist die Frage, welche Development-Konzepte sich nun für ein Kauf- oder Warenhaus anbieten?

1) Umwandlung in Geschäftshäuser

Eine attraktive Option besteht in der Umwandlung eines nicht mehr zeitgemäßen Kauf- oder Warenhauses in ein modernes Geschäftshaus. Sofern zusätzliche Eingangsmöglichkeiten für Shops zur Fußgängerzone bzw. zur Haupteinkaufsstraße baulich und planungsrechtlich möglich sind – was eine Grundvoraussetzung für eine Umwandlungdarstellt –, können die vorhandenen Flächen nach Auszug des Mieters, Entkernung und Revitalisierung auf mehrere Mieter aufgeteilt werden. Ein Beispiel einer erfolgreichen Umwandlung ist das heutige Objekt “Bahnhof Altona Shopping“, welches nach 20 Jahren Nutzung durch Kaufhof leer stand, kurze Zeit später von Prelios übernommen und entwickelt wurde.

2) Verkleinerung der Warenhausfläche und Revitalisierung

Warenhausgebäude sind teilweise zu groß für nur einen Mieter und häufig zu klein für eine Umnutzung als Shoppingcenter. Eine Verkleinerung bietet in diesem Fall die Möglichkeit, Flächen für neue Mieter zu schaffen, nachdem die Warenhausfläche modernisiert und aufgeteilt wurde. Oft liegt die Flächenproduktivität des re-integrierten Hauptmieters dann auf einem höheren Niveau als vor der Revitalisierung. Ein erfolgreiches Beispiel eines solchen Developments ist Karstadt Sport in der Hamburger Mönckebergstraße.

3) Optimierung durch Flächenarrondierung

Eine Optimierung durch die Arrondierung zusätzlicher Flächen ist eine weitere Möglichkeit, Kauf- und Warenhausstandorte umfassend zu revitalisieren. Dabei steht eine Neuaufteilung und Modernisierung der Bestandsflächen im Mittelpunkt, oft verbunden mit einer Erweiterung des Einzelhandelsstandortes durch den Zukauf von angrenzenden Grundstücken bzw. -flächen sowie einer Integration von attraktiven Nebenmietern. Beispielhaft kann hier Karstadt Norderstedt genannt werden, das von Matrix Immobilien neu positioniert wurde. Nach umfassenden Umbaumaßnahmen wie auch Erweiterung hat Karstadt modernisierte Flächen bezogen. Daneben wird unter anderem Saturn als neuer Mieter einziehen.

4) Transfer in Shoppingcenter

Ein weiteres Umnutzungskonzept besteht in der Umwandlung des Kauf- oder Warenhauses in ein zeitgemäßes Shoppingcenter. Die besonderen Herausforderungen liegen hier zum einen in den architektonischen Eigenheiten des Betriebstyps Warenhaus, also konkret die Anzahl der Etagen, die Struktur und Aufteilung der Flächen sowie die technische Infrastruktur. Zum anderen ist für die Umwandlung eine Erweiterung der Bestandsflächen notwendig, um eine in wirtschaftlicher Hinsicht ausreichende Größe des Shoppingcenters erreichen zu können. Der Kauf von Zusatzgrundstücken ist dabei Grundvoraussetzung, weswegen die Unterstützung der Grundstücksnachbarn und der Stadt bei dieser Art des Developments von großer Bedeutung ist. Ein Beispiel eines Transfers in ein Shoppingcenter ist das ehemalige Karstadt-Gebäude in Kaiserslautern, welches von ECE übernommen wurde und nach umfangreichen Bauarbeiten voraussichtlich im Frühjahr 2015 eröffnet wird. Einen Sonderfall des Transfers stellt das Ludwigsburger Marstallcenter dar. Hier wird um einen seit den 1970er Jahren bestehenden Karstadt-Standort herum – in enger und sehr erfolgreicher Kooperation mit der Stadt – ein modernes Shoppingcenter entwickelt, wobei die Flächen während des zwischenzeitigen Auszugs von Karstadt komplett entkernt sowie um- und neustrukturiert werden.

5) One-To-One-Mieterwechsel

Einzelhändler wie etwa Primark, Sportscheck und Saturn fragen seit einigen Jahren größere innerstädtische Einzelhandelsflächen verstärkt nach. In der Übernahme der vorhandenen Bestandsflächen durch einen neuen Hauptmieter besteht, nach vorangegangener Revitalisierung, ein alternatives Nutzungskonzept für nicht mehr wettbewerbsfähige Waren- und Kaufhäuser mit entsprechender Größe. Beispielhaft für einen One-to-One-Mieterwechsel ist das ehemalige Hertie-Objekt in Hamburg in der Mönckebergstraße, das nach einer Modernisierung komplett von Saturn übernommen wurde.

Aktuelle Herausforderungen

Eine wesentliche Aufgabe für den Einzelhandel insgesamt besteht in der Integration des Kanals Internet bzw. des Onlinehandels in das eigene Geschäftsmodell. Der Kunde erwartet ein enges Zusammenspiel von stationärem Handel und E-Commerce – für ihn ist das Internet ein zusätzlicher Kanal, den er selbstverständlich und unideologisch neben anderen Kanälen nutzt. Sinnvolle, das heißt einerseits wirtschaftlich tragfähige und andererseits aus Kundensicht optimale Multi-Channel-Strategien müssen für Kauf- und Warenhäuser, ebenso wie für Shoppingcenter und andere stationäre Geschäfte, ganz oben auf der Agenda stehen. Neben diesen „neuen“ Herausforderungen – E-Commerce und die zunehmende (stationäre) Wettbewerbsintensität – liegen die zentralen Aufgaben für den Einzelhandel in drei altbekannten Punkten: Service, Sortiment und Erlebnisorientierung. In Zeiten des Onlinehandels und seiner Produktbreite und -tiefe ist das Prinzip „Alles-unter-einem-Dach“ nicht mehr allein ausreichend. Entscheidend ist vielmehr ein unverwechselbares, regional- und standortspezifisches Sortiment mit „besonderen“ Schwerpunkten. Waren- und Kaufhäuser müssen Zielorte der Befriedigung von emotionalen Wünschen und Bedürfnissen werden und als solche auch erkennbar sein. Der Erlebnischarakter muss stimmen neben Sortimentsvielfalt, Service und Attraktivität, die ein modernes Interieur, besonders ansprechende obere Etagen und ein adäquates gastronomisches Angebot beinhaltet. Warenhäuser sollten (wieder) innovativer, urbaner und emotionaler werden, aber ihren regionalen Nahversorgungscharakter mit vielfältigen Produkten stärken.

Warenhäuser: Chancen nutzen!

Gut betriebene Warenhäuser in nachhaltig frequenzstarken Einzelhandelslagen werden auch in Zukunft Bestand haben. Ein Development bietet für schwächere Warenhausstandorte sehr große Chancen – vor allem, wenn Mieter und Immobilieneigentümer und am besten auch die Kommune miteinander kooperieren. Für jedes Haus gibt es eine standortspezifische und zukunftsfähige Möglichkeit der Neupositionierung. Von revitalisierten Standorten profitieren nicht nur die Mieter durch eine erhöhte Flächenproduktivität, sondern auch Innenstädte durch mehr Lebendigkeit. Über die Entwicklung von Multi-Channel-Strategien hinaus, also Konzepten für ein sinnvolles Zusammenspiel der Kanäle On- und Offline, besteht die Aufgabe für den Einzelhandel mehr denn je darin, den Kunden und seine Wünsche in den Mittelpunkt zu rücken und das eigene Geschäftsmodell den veränderten Kundenwünschen anzupassen. Versäumnisse in punkto Service, Sortiment und Attraktivität verzeiht der Kunde nicht – gerade hier liegen die Potenziale für den stationären Einzelhandel. Anprobieren, beraten, testen oder gar kosten geht nicht online. Veränderungen sind in diesen Punkten nötiger denn je, und sie bieten die größten Chancen für Waren- und Kaufhäuser. Es bleibt also dabei: Handel ist Wandel.

Warenhaus-Developments: Auf einen Blick

Developments bieten besonders für schwächere Waren- und Kaufhäuser große Chancen. Wesentlich für die Entwicklung eines zukunfts- und wettbewerbsfähigen Gesamtkonzepts sind die individuelle Bewertung eines Standorts, die Integration des Hauses in die Stadt / Region, die Auseinandersetzung mit den baulichen Besonderheiten des Formats Warenhaus und eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen Mieter, Kommune und Vermieterseite.

Mögliche Development-Konzepte sind:

  • Umwandlung in Geschäftshäuser
  • Verkleinerung der Warenhausflächen und Revitalisierung
  • Optimierung durch Flächenarrondierung
  • Transfer in Shoppingcenter
  • One-to-One-Mieterwechsel

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Prelios Deutschland GmbH
Erstveröffentlichung: ImmobilienManager, April 2014