13.08.2015

Zeit für Veränderungen

Die Vergleichswertrichtlinie muss praxistauglich gestaltet werden

Michael Kiefer, Chefanalyst, ImmobilienScout24 GmbH
Michael Kiefer

Nach der Sachwertrichtlinie hat sich der Gesetzgeber nun auch die Reform der Vergleichswertrichtlinie vorgenommen und arbeitet damit konsequent weiter an der Novellierung des Wertermittlungsrechts. Wichtig dabei ist, dass die neuen Vorschriften auch wirklich praxistauglich sind.

Die Modernisierung der Wertermittlungsvorschriften ist grundsätzlich begrüßenswert, da der Bedarf an nachvollziehbaren und marktgerechten Wertermittlungen ständig steigt. Etwa in der Finanzbranche oder bei der marktgerechten Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Immobilien. Aber es ist wichtig, die neuen gesetzlichen Vorschriften so zu formulieren, dass diese in der Praxis einfach anwendbar sind. Vorschriften, die ungenau sind oder Informationen zugrunde legen, die in der Praxis nicht verfügbar sind, produzieren methodisch falsche Werte. Solche falsch ermittelten Werte lassen sich nur sehr schwer und mit hohem Aufwand widerlegen. Wer also Streit und Ungerechtigkeiten vermeiden möchte, muss im Vorfeld seine Hausaufgaben machen.

Der Vergleichswert ist ein marktnahes Verfahren

Innerhalb der Wertermittlungsverfahren kommt dem Vergleichswertverfahren eine besondere Bedeutung zu. Während das Sachwert- und das Ertragswertverfahren den Wert jeweils nur mittelbar aus den Herstellungskosten bzw. den Erträgen ableiten, ermittelt das Vergleichswertverfahren den Wert unmittelbar aus dem Marktgeschehen. Damit ist die Wertermittlung über Vergleichswerte grundsätzlich am besten geeignet, einen wirklich marktnahen Wert zu bestimmen. Das Vergleichswertverfahren ist deshalb auch für alle offiziellen Wertermittlungsanlässe anerkannt – egal ob bei der Verkehrswertermittlung nach ImmoWertV, der Bewertung nach internationalen Standards, der Bewertung durch eine Bank oder der Bewertung zu Zwecken der Besteuerung. Es ist deshalb richtig, das Vergleichswertverfahren, soweit möglich, immer vorrangig zu verwenden. Keine abgeleitete Argumentation ist so aussagekräftig wie die Verwendung tatsächlicher Vergleichspreise. Hinzu kommt, dass selbst innerhalb des Ertrags- und Sachwertverfahrens das Vergleichswertverfahren benötigt wird, um den hierfür nötigen Bodenwert zu ermitteln.

Marktdaten als Basis der Berechnung

Das Vergleichswertverfahren leitet den Wert aus dem tatsächlichen Marktgeschehen ab. Dies funktioniert jedoch nur, wenn geeignete Marktdaten in ausreichender Menge und Qualität vorliegen. Doch sehr oft offenbart sich schon bei der Erhebung dieser Daten das Problem: Es gibt zwar eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Daten, doch in der Praxis ist die Datenerhebung meist schwierig und mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Denn die an die Gutachterausschüsse in Kopie zu übersendenden Kaufverträge enthalten zwar Kaufpreis und Flurstücksbezeichnung. Aber in der Regel sind die für eine vollständige Auswertung notwendigen Informationen nicht enthalten. Zwar versenden einige Gutachterausschüsse Fragebögen und hoffen darauf, dass hierdurch die notwendigen Daten vervollständigt werden, doch diese Vorgehensweise ist aufwendig, lückenhaft und fehleranfällig. Würde dieser Erhebungsprozess optimiert, könnten erhebliche Fortschritte in der Immobilienmarktbeobachtung erreicht werden. Eine Möglichkeit wäre, dass beispielsweise Notare im Rahmen der Beurkundung die erforderlichen Daten erheben und an die Gutachterausschüsse übermitteln.

Datenschutz und Informationsbedürfnis

Ein weiterer Hemmschuh für eine effiziente Auswertung des Immobilienmarkts ist der Datenschutz. Selbstverständlich gibt es ein berechtigtes Interesse der Beteiligten, dass personenbezogene Daten mit größter Umsicht behandelt werden. In der täglichen Praxis in den Gutachterausschüssen nimmt der Datenschutz jedoch teilweise übertriebene Züge an. So gibt es beispielsweise Gutachterausschüsse, die Vergleichspreise nur noch ohne Adressen veröffentlichen. Der Gutachter kann so nicht mehr prüfen, ob die Lage des Vergleichsobjekts mit seinem Wertermittlungsobjekt tatsächlich vergleichbar ist. Hier ist eine einheitliche und rechtssichere Vorgehensweise zwingend erforderlich. Dies ist nicht zuletzt zur rechtlichen Absicherung der Gutachterausschüsse mehr als wünschenswert.

Modernisierung des Gutachterausschusswesens

Bereits seit der Novelle des Baugesetzbuchs kommt den Gutachterausschüssen bei der Datenerhebung und -aufbereitung eine besondere Rolle zu. Die Aufgaben sind deutlich umfassender und anspruchsvoller geworden. Während die Ausschüsse der Großstädte mehr und mehr in der Lage sind, die geforderten Daten in der geforderten Qualität bereitzustellen, funktioniert dies bei den meisten kleineren Gutachterausschüssen oft nur sehr eingeschränkt bis gar nicht. Das Hauptproblem ist hierbei die oft mangelnde finanzielle und personelle Ausstattung der Behörden. Viele kleinere Städte und Kreise messen diesem Thema nur wenig Bedeutung zu und sind vor dem Hintergrund klammer Kassen nur bedingt bereit, Mittel und Kapazitäten in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen.

Abgesehen von einigen sehr lobenswerten Ausnahmen, gibt es auch bei der Einrichtung der Oberen und Obersten Gutachterausschüsse noch Optimierungsbedarf. Diese Einrichtungen sind für ein funktionierendes Gutachterausschusswesen zwingend erforderlich. Zum einen ist es ihre Aufgabe, den untergeordneten Ausschüssen einheitliche Vorgaben zur Datenerhebung und Datenaufbereitung zu machen. Zum anderen sind nur sie in der Lage, kommunenübergreifende Auswertungen zu erstellen. Dies ist speziell im ländlichen Bereich dringend notwendig, da die Immobilienmärkte einzelner Gutachterausschüsse schlicht zu klein sind, um stabile und marktgerechte Auswertungen, zum Beispiel zu Liegenschaftszinssätzen für Gewerbeobjekte, zu liefern.

Besonders hinderlich ist in diesem Zusammenhang das fehlende Bewusstsein für die Wichtigkeit des Obersten Gutachterausschusses. Dort wurde in der Vergangenheit durch den persönlichen Einsatz einiger weniger Personen Richtungsweisendes geschaffen. Bei Gesetzgeber und Verwaltung ist die Notwendigkeit dieser Organisation offenbar jedoch noch nicht angekommen, denn die dringend notwendige Unterstützung lässt noch immer auf sich warten. Hinderlich ist hierbei sicherlich das föderale System. Die Kommunen und die Länder müssen deshalb umdenken und ihren Verpflichtungen nachkommen. Denn um die Aufgabe zu erfüllen ist eine regionenübergreifende Zusammenarbeit zwingend notwendig. Fakt ist: Immobilienmärkte kennen keine Gemeinde- oder Landesgrenzen.

Es ist deshalb wichtig, das Gutachterausschusswesen in organisatorischer und finanzieller Hinsicht neu aufzustellen, damit die kommenden Aufgaben gelöst werden können. Diese erfordern eine bundesweit einheitliche und strukturierte Lösung sowie eine ausreichende Bereitstellung von Ressourcen.

Datenmissstand nicht durch Pauschalsätze beheben

Wie zuvor dargestellt, ist die Verfügbarkeit von Daten für die richtige Anwendung des Vergleichswertverfahrens in den meisten Regionen derzeit nicht gewährleistet. Dieses Problem durch die Anwendung von Pauschalsätzen zu beheben, wie derzeit vom Gesetzgeber diskutiert, ist extrem gefährlich. So sollen etwa beim Fehlen von Korrekturfaktoren Daten aus „ähnlichen Märkten“ zur Anwendung kommen. Noch verzerrter werden die Ergebnisse, wenn an Stelle von tatsächlichen aus den regionalen Immobilienmärkten abgeleitete Daten, Pauschalsätze bei der Wertermittlung zur Anwendung kommen würden.

Sonderweg der Finanzverwaltung

Wenig begreiflich ist im Hinblick auf die Reform des Wertermittlungsrechts der eingeschlagene Sonderweg der Finanzverwaltung. Dass diese bei Immobilienbewertungen unterschiedliche Methoden verwenden, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch bei der Besteuerung eine markgerechte Bewertung zu erfolgen hat. Doch durch die derzeitige Praxis kommt es hier zwangsläufig zu völlig unterschiedlichen Werten. Probleme sind vorprogrammiert.

Gemeinsam die Zukunft der Immobilienbewertung gestalten

Fakt ist: Es wird in Zukunft wesentlich mehr Immobilienbewertungen geben. Und deren Bedeutung in Verwaltung und Wirtschaft wird zunehmen. Deshalb ist es mehr als nur wünschenswert, dass Gesetzgeber und Praktiker in dieser Angelegenheit eng zusammen arbeiten, um den Rahmen für gerechte, marktkonforme und nachvollziehbare Immobilienbewertungen zu schaffen. Der ZIA ist in jedem Fall gerne bereit, hierbei seinen Beitrag zu leisten.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2012/2013