16.03.2016

Zauberwort Flächenkonversion

Kruno Crepulja, CEO, Instone Real Estate Group AG
Kruno Crepulja

Die Nachfrage nach Wohnraum nimmt in den Ballungsgebieten Deutschlands stetig zu. Da neue Flächen kaum zur Verfügung stehen, ist die Umfunktionierung bestehender Räume eine geeignete Lösung. Flächenkonversion ist komplex, doch in vielen Gebieten der einzige Weg, um dringend benötigte Wohnungen errichten zu können.

Es wird eng in Deutschland. Nicht überall, aber doch in den großen Städten unseres Landes. Die Top 7-Städte Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf stöhnen bereits unter dem seit Jahren bestehenden Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei Wohnimmobilien. Wie das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ermittelt hat, werden in diesen Ballungszentren bis 2030 durchschnittlich über 38.000 neue Wohnungen pro Jahr benötigt. In den kommenden fünf Jahren liegt diese Zahl sogar bei 47.000. Das Gros des benötigten Wohnraums fällt auf die boomende Bundeshauptstadt, doch auch die anderen sechs Großstädte sehen einer kaum zu bewältigenden Nachfrage nach Wohnraum in allen Preissegmenten entgegen.

Diese Entwicklung steht nicht nur im Zusammenhang mit einem allgemein prognostizierten Bevölkerungsanstieg in den Top 7-Städten. Ebenso wirken sich veränderte Bedingungen der Arbeitswelt und ein kontinuierlich steigender Wohnflächenbedarf auf die Wohnraumprognosen aus. Konkret führen die wachsende Mobilität der Beschäftigten in Deutschland und die zunehmende Zahl hierzulande tätiger ausländischer Arbeitskräfte zu einer steigenden Nachfrage nach Zweitwohnungen. Gemeinsam mit dem vor allem in urbanen Gebieten festzustellenden Bedarf an 1- und 2-Personen-Haushalten ist bis 2030 von bundesweit 500.000 neuen Haushalten auszugehen. Die einzelnen Haushalte sollen darüber hinaus mehr Platz aufweisen: Seit 1991 haben die Deutschen nach einer Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft 28 Prozent bei der durchschnittlich verfügbaren Wohnfläche zugelegt. Bis 2030 steigt dieser Bedarf um weitere 11 Prozent auf durchschnittlich 51,5 Quadratmeter.

Im vergangenen Jahr gab es zwar endlich wieder ein deutliches Plus bei kommunalen Wohnungsgenehmigungen, doch nur knapp über 70 Prozent der 42.000 genehmigten Neuwohnungen wurden tatsächlich gebaut. Folglich wird zur Deckung des Bedarfs eine deutliche Steigerung der Baugenehmigungen erfolgen müssen. Dies ist jedoch in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Zum einen müssten Genehmigungsprozesse in den Verwaltungen schneller bearbeitet werden. Hierzu bedarf es jedoch einer deutlichen Personalaufstockung und einer höheren Bereitschaft, Baugenehmigungen auch ohne Bebauungsplan zu erteilen. Das Baugesetzbuch (BauGB) sieht hier durchaus Möglichkeiten vor. Ein zweiter Grund, der die Zunahme von Baugenehmigungen erschwert, ist die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Gerade bei Grundstücken in den urbanen Ballungszentren liegen häufig fest tradierte Eigentumsverhältnisse vor. Auch wenn der Raum aktuell brachliegt, schrecken Eigentümer vor einer Umnutzung zurück. Dies gilt für Großunternehmen, Institutionen und die öffentliche Hand. Denn wer weiß schon, wozu das Areal künftig noch von Nutzen sein kann? Realitätsferne Überlegungen zu einer etwaigen Unternehmensexpansion, die Berücksichtigung längst vergangener Nutzungsphasen oder parteipolitische Grabenkämpfe ziehen Entscheidungen mitunter über Jahre hinaus. In dieser Zeit verfallen Gebäude, einst blühende Grundstücke verwildern. Allzu bekannt sind die Klagen über „Schandflecken“ in bester Lage. Doch nicht nur als gesetzliche Auflage im Rahmen des Denkmalschutzes, sondern aus sozialer Verantwortung für die Entwicklung der Städte ergibt sich die Verpflichtung zur behutsamen und sorgfältigen Konversion historischer Bauten oder brachliegender Flächen in attraktiven Wohnraum.

Die unbestrittene Komplexität des Entscheidungsprozesses erfordert auf Seiten des Projektentwicklers insbesondere zwei Dinge: eine engmaschige regionale Vernetzung mit allen Beteiligten und eine kontinuierliche Kommunikation. Gerade in den deutschen Top 7-Städten hat formart zahlreiche Wohnimmobilien entwickelt, deren einzelne Bauphasen eine enge Abstimmung mit den jeweiligen Eigentümern voraussetzten. Hierbei wird Expertise auf planerischem, technischem und juristischem Feld eingefordert. Unabdingbar ist darüber hinaus die Einbindung der Bürger vor Ort mittels direkter Ansprache. Projekte sollten daher nicht nur eine Aufwertung der individuellen Baufläche, sondern ihrer gesamten Umgebung zum Ziel haben. Der ansässigen Bevölkerung wie auch den künftigen Eigentümern eine Vision komfortablen und nachhaltigen Wohnens zu vermitteln, stellt jedes Mal neu eine reizvolle Herausforderung dar.

Einige Räume und Immobilien eignen sich ganz besonders für eine Flächenkonversion. Dies gilt in erster Linie für Großimmobilien wie Kasernen, Krankenhäuser oder Fabriken. In den letzten Jahren sind im gesamten Bundesgebiet anspruchsvolle Wohnimmobilien in ehemaligen Kasernen entstanden, die noch weit nach Ende des Zweiten Weltkrieges Heeresangehörige beherbergt hatten. Eine Umwandlung in Wohnraum war in diesen Fällen besonders geeignet, da bereits zuvor eine Wohnfunktion gegeben war und die Exerzierplätze zu Rasen- und Spielflächen umgestalten werden konnten. Ähnliches gilt für Krankenhäuser: Gerade im Falle großer Komplexe aus dem 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert stellte die Errichtung eines Neubaus häufig die rentablere Option dar. In Ulm haben wir zum Beispiel einen Teil des ehemaligen Universitätsklinikums auf dem Safranberg erworben. Das zum Anfang des vergangenen Jahrhunderts errichtete Gebäude wird nun unter Wahrung der historischen Substanz kernsaniert, um künftig 97 Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen zu umfassen. Ehemalige Fabriken haben sich bereits seit langem als Bürostandort der kreativen Szene etabliert. Doch auch als Wohnraum bieten sie ideale Möglichkeiten: So ermöglichen hohe Decken und großzügige Grundrisse die flexible Nutzung zwischen Arbeits- und Wohnfläche. Lager- oder Rangierflächen des ehemaligen Industrieareals laden zur Konversion in Gärten- und Ruhezonen ein. Im Stuttgarter Theaterviertel und auf dem Clouth-Gelände in Köln führen wir die Konversion früherer Industriekomplexe durch, die ihren künftigen Eigentümern citynahen Wohnraum in historischem Gewand bieten werden.

Die Umnutzung dieser Großkomplexe setzt aus naheliegenden Gründen eine angemessene Kapitalstärke voraus, da Planungs-, Genehmigungs- und Realisierungszeiten deutlich länger als bei der Schließung innerstädtischer Baulücken sind. Gemeinsam mit einer engen Planungskooperation mit den meist kommunalen Entscheidungsträgern sind die beiden Grundbedingungen für eine effiziente und nachhaltige Flächenkonversion gegeben. Auch in Zukunft wird formart auf diese komplexe Projektentwicklungsmethode zurückgreifen. Denn nur sie vermag es, im Sinne einer umweltfreundlichen Stadtentwicklung der Nachfrage nach urbanem Wohnraumsinnvoll und verantwortungsbewusst zu begegnen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von formart
Erstveröffentlichung: Immobilienmanager extra 12/2015