Womit Marktakteure lange gerechnet haben, ist mittlerweile eingetroffen: Der Anteil ausfallgefährdeter gewerblicher Immobiliendarlehen ist deutlich gestiegen. Wie Daten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) von April 2024 zeigen, stieg die Quote der Non-Performing Loans in Deutschland innerhalb des dritten Quartals 2023 von 3,6 auf 4,8 Prozent. Folgerichtig haben mehrere deutsche Immobilienbanken ihre Risikovorsorgen erheblich aufgestockt.
Die Banken reagieren auf das gestiegene Ausfallrisiko und die auch damit verbundenen strengeren regulatorischen Vorgaben der Bankenaufsicht mit einem deutlich längeren und intensiveren Prüfungsprozess bei der Neukreditvergabe oder Prolongation. Dies war zu erwarten, denn generell geht die Intensität einer Kreditanalyse mit dem Immobilienmarktzyklus einher. Im heutigen Umfeld fällt sie daher länger und intensiver aus.
Mieterprüfung ist ins Zentrum gerückt
Dieser Effekt sticht unter anderem bei der Mieterprüfung hervor. Als Konjunktur und Vermietungsmarkt noch boomten, hat sie kaum eine Rolle gespielt, weder bei der Ankaufsprüfung noch bei der Finanzierung. Wenn man jedoch davon ausgehen kann, dass sich die Nachmietersuche zäh gestaltet, müssen Bonität und Struktur der Mieter im Vorfeld genau analysiert werden.
Hinzu kommt: Fallen Mieteinnahmen weg, werden häufig wichtige „Frühwarnindikatoren“ im Kreditvertrag, sogenannte Financial Covenants, verletzt, zum Beispiel der Zinsdeckungs- oder der Kapitaldienstdeckungsgrad. Bei diesen Finanzkennzahlen muss der Kreditnehmer sicherstellen, dass die Mieteinnahmen ausreichen, um die Zinszahlungen (Interest Cover Ratio) beziehungsweise den Kapitaldienst (Debt Service Cover Ratio) decken zu können. Sinkt aufgrund einer anhaltenden Leerstandsproblematik der Immobilienwert, kommt es häufig noch zum Bruch der LTV-Covenants (Loan-to-Value). Infolgedessen ergibt sich ein Kündigungsgrund seitens der Kapitalgeber, mindestens jedoch eine Erfordernis, die Covenants nachzuverhandeln.
4,8 Prozent
Quote Non-Performing Loans in Deutschland Ende drittes Quartal 2023
Auch die Branche, aus welcher der Mieter – oder auch der Eigennutzer – stammt, kann ein Kriterium bei der Vergabe von Immobilienkrediten sein. Das hängt jedoch von der Einschätzung des Finanzierers ab. Beispielsweise werten es (angelsächsische) Debt Funds mittlerweile eher als Malus, wenn der Mieter ein Unternehmen aus dem Automobilsegment ist. Dass es auch andere Sichtweisen auf diese Branche gibt, zeigen beispielsweise baden-württembergische Banken: Sie gehen mit einer Kreditvergabe ihrem Allgemeinauftrag nach, die lokale Wirtschaft mit Finanzmitteln auszustatten, auch wenn (oder gerade weil) der Kreditnehmer ein ortsansässiger Automobilhersteller oder -zulieferer ist.
Reputation und Bonität
Was nach wie vor eine große Relevanz bei der Kreditprüfung hat, ist die Reputation und Bonität des Kreditnehmers. Dazu muss er eine umfangreiche Dokumentation zu seinem Track Record und seiner Immobilienkompetenz einreichen. Die Objektqualität und Lage der betreffenden Immobilie werden dabei aber auch weiterhin genau unter die Lupe genommen.
Das geht in Teilen so weit, dass Finanzierer sogar technische Gegebenheiten des Objektes sehr genau prüfen. Das ist verständlich , da die Behebung von Mängeln beim Brandschutz oder bei der Sicherheit sehr schnell sehr teuer werden kann. Je nach Lage des Objekts oder Geschäftsmodell des Nutzers wird auch eine Umweltprüfung nötig, etwa auf Altlasten im Baugrund, deren Ergebnis ebenfalls für die Kreditvergabe entscheidend sein kann. Die Ankaufsprüfung darf außerdem auch aus Finanzierersicht keine wesentlichen juristischen und fiskalischen Probleme zutage fördern. Wie ausführlich die Prüfung der technischen, rechtlichen und steuerlichen Due Diligence ausfällt, hängt jedoch sehr vom Einzelfall ab.
An ESG führt kein Weg mehr vorbei
Ein Kriterium, das bei der Kreditvergabe erheblich an Bedeutung gewonnen hat, ist Nachhaltigkeit. Von der Trias Environmental, Social and Governance (ESG) spielt besonders die ökologische Nachhaltigkeit eine große Rolle. Erfüllte Standards oder – bei Bestandsobjekten – ein ESG-Fahrplan sind nicht nur zwingend erforderlich für eine Finanzierung. Auch die potenziellen Mieter, vor allem die Öffentliche Hand und (börsennotierte) Großkonzerne, dürfen aufgrund eigener Vorgaben häufig nur noch ESG-konforme Flächen anmieten. Die Finanzierer wiederum haben ein Interesse daran, dass der Kreis potenzieller bonitätsstarker Mieter möglichst groß ist.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Finanzierer – egal welcher Art – sich deutlich mehr Zeit für die Prüfung eines Finanzierungsprojektes ausbedingen. Viele Aspekte, die in einem kreditnehmerfreundlicheren Umfeld als gegeben hingenommen wurden, werden aktuell detaillierter geprüft. Dabei ist es insbesondere für Banken ein Balanceakt zwischen dem wichtigen Darlehensgeschäft und den hieraus erwirtschafteten Zins- und Provisionserträgen einerseits und möglichen Kreditausfällen und zunehmender Regulatorik andererseits. Alternative Finanzierer, die nicht den regulatorischen Vorgaben unterliegen, können auf die aktuell schwierigen Marktbedingungen flexibler reagieren und sich die für sie interessantesten Projekte aussuchen – wenn sie denn nach erfolgter Kreditprüfung zu einem positiven Ergebnis kommen.
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Erstveröffentlichung: immobilienmanager, Juli 2024