Resilienz durch Risikodiversifikation
Die Corona-Krise wirkt sich seit März 2020 massiv auf die Immobilienmärkte aus. Besonders stark und unmittelbar betroffen ist die Tourismus- und Gastronomiebranche, die für Monate in einen Ruhezustand versetzt wurde. Gemäß CBRE gingen 2020 die Investitionsaktivitäten in Hotelimmobilien verglichen mit 2019 um rund 60 Prozent zurück. Bei Büroimmobilien ist das Bild differenzierter, zumindest aber bringt die Homeoffice-Thematik neue Unsicherheiten mit sich. Wie in allen Krisenzeiten kommt es zu einer stärkeren Fokussierung auf Sicherheit und Risikominimierung. Damit wird einerseits die Assetklasse Wohnen zum sicheren Hafen, andererseits gilt es, Risiken durch eine breitere Streuung zu vermeiden. Wie lässt sich dies auf nachhaltige Immobilien- und Anlagestrukturen transferieren? Resilienz durch Risikodiversifikation lautet das Stichwort.
Seit Jahren übersteigt der Bedarf an Wohnraum in vielen Städten und Regionen das knappe Angebot. Dieser fundamentale Trend wird sich auch in der aktuellen Situation nicht maßgeblich ändern, da die Gründe für den Nachfrageüberhangweiterhin bestehen bleiben. Trotzder seit Jahren beständig steigenden Bauleistung, die durch die Corona-Krise einen leichten Dämpfer zu spüren bekommt, reichen die Baufertigstellungen nicht aus, um den Wohnraumbedarf zu befriedigen. So decken die jährlichen Fertigstellungen der Jahre 2016 bis 2018 laut IW-Köln-Wohnungsbedarfsmodell in Deutschland nur 83 Prozent des jährlichen Bedarfs in diesem Zeitraum. In den A-Städten wurden im selben Zeitraum sogar nur 71 Prozent der Wohnungen gebaut, die für den Ausgleich des Marktes benötigt werden.
Neben einer stärkeren Fokussierung auf sichere Häfen wie Wohnimmobilien in nachgefragten Lagen gewinnt noch ein weiterer Aspekt an Bedeutung: die Risikodiversifikation. Auch laut JP Morgan sollte in volatilen Situationen die effiziente Optimierung der Risikoabsicherung die gleiche Aufmerksamkeit erhalten wie die Optimierung der Erträge. So sollten Anleger bei der Absicherung und Stärkung ihrer Portfolios mehr Anlageklassen in die Auswahl einbeziehen. Die Bandbreite umfasst die Nutzungsart, die Lage sowie die jeweilige Phase im Lebenszyklus. Bei den Nutzungsarten lassen sich die Bereiche Büro
und Einzelhandel, Shoppingcenter, Lager/ Logistik und Betreiberimmobilien unterscheiden. Daneben existieren weitere Formen der Streuung. Dazu zählen Investitionen in Immobilien, die sich nach Alter, Größe, architektonischer Gestaltung, Investitionsvolumen und Mieterbranchenmix unterscheiden.
Neben der Risikostreuung, also dem Erwerb verschiedener Assetklassen, lassen sich Risiken auch durch flexible Umgestaltungsmöglichkeiten einzelner Objekte minimieren. Ein Beispiel kann die Restrukturierung von Geschäfts- und Einzelhandelszentren sein: Vor dem Hintergrund des exponentiell wachsenden Onlinehandels lassen sich Potenziale durch Umstrukturierung zu Büroflächen heben. Voraussetzung ist die genaue Prüfung der Flächen vor dem Ankauf sowie ein erfahrenes Asset und Property Management. Auch muss vor einer Anpassung der Bedarf am Standort und die spätere Zielgruppe genau geprüft werden.
Nicht nur Büroflächen, sondern auch weitere Nutzungen wie Gastronomie, Lebensmittelversorgung, Entertainment und Parkflächen sind dabei denkbar. Aus in Monokultur genutzten und oftmals betongrauen Einkaufscentern der siebziger Jahre entstehen durch konzeptionelle Planung und umfangreiche Sanierung und Restrukturierung urbane Stadtquartiere. Diese Mixed-Use-Objekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur zu üblichen Büro- und Geschäftszeiten belebt sind, sondern durch ein gastronomisches Angebot, ein Kino oder ähnliches auch in den späten Stunden attraktiv sind. Außerdem entspricht die Mischung
vom angrenzenden Wohnen, Arbeiten und Leben dem Konzept der „Stadt der kurzen Wege“, das von Nutzern, Planern und Immobilienentwicklern als Inbegriff eines lebendigen Quartiers gesehen wird.
Mixed-Use-Immobilien vereinen verschiedene Nutzungsformen unter einem Dach und sind damit bereits per se widerstandsfähiger gegen Krisen als viele monostrukturell genutzte Immobilien. Doch sind sie damit uneingeschränktes Heilmittel? Fest steht: Um Krisen zu meistern, müssen Marktteilnehmer und Immobilienbestände resilient sein, also die Fähigkeit besitzen, schwierige Situationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Resilienz betont einen Bereich der Immobilienwirtschaft, der heute wichtiger ist denn je: das Risikomanagement. Dies beinhaltet beispielsweise die Diversifizierung nach Nutzungsarten und Standorten. Die „Assetklasse“ der Mixed-Use-Immobilie ist deshalb aktuell bei Nutzern wie Planern und Investoren gleichermaßen beliebt und steht für moderne Stadtentwicklung.
Allerdings sind diese Konzepte nicht uneingeschränkt erfolgreich und damit resilient. So müssen beispielsweise die Lage und Anbindung zum Objekt und den einzelnen Nutzungen passen. Büroflächen müssen perspektivisch eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsmodelle abbilden können und auch im Einzelhandel werden nicht alle Nutzungskonzepte auf Dauer überleben können. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, dass bei einer Ankaufsentscheidung auch die mittel- und langfristigen Einflüsse Berücksichtigung finden. Zudem ist ein professionelles und vor allem erfahrenes Asset und Property Management unabdingbar, das den Status quo stetig hinterfragt und optimiert.
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Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, März 2021