27.01.2025

Whistleblower- und Lieferkettengesetz

Längst in Kraft, doch zu unrecht von vielen vernachlässigt

Hanna Ritter, Senior Director ESG, REICON Consulting
Hanna Ritter

Sowohl das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) als auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sind längst in Kraft. Dennoch sind die Gesetze bei vielen Immobilienunternehmen noch nicht angekommen. Dabei drohen harte Sanktionen bei Verstößen. Was jetzt zu tun ist, erläutert Hanna Ritter, Senior Director ESG bei REICON Consulting.

Vom Gebäudeenergiegesetz über die Mietpreisbremse bis hin zur Grundsteuerreform – es gibt zahlreiche neuere Gesetze und Gesetzesänderungen, die hitzige Debatten in der Immobilienbranche entfachen. Abseits dieser prominenten Themen gibt es solche, mit denen sich die meisten Unternehmen kaum befassen, obwohl auch sie davon betroffen sind. Zu diesen zählen das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Beide Gesetze sind nationale Gesetze, die an unterschiedlichen, aber zentralen Punkten ansetzen, um Transparenz und ethisches Verhalten in Unternehmen zu fördern. Das Hinweisgeberschutzgesetz zielt darauf ab, Personen zu schützen, die auf Missstände oder Rechtsverstöße in ihrem beruflichen Umfeld hinweisen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz oder LkSG, verpflichtet Unternehmen dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette wahrzunehmen, indem sie Risiken identifizieren sowie Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe ergreifen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt seit Juli 2023 für private Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit mindestens 50 Beschäftigten. Sie sind verpflichtet, interne Meldesysteme einzurichten, über die Mitarbeiter und Dritte wie Geschäftspartner oder Dienstleister sicher auf Verstöße hinweisen können. Beispiele für solche Systeme sind spezielle E-Mail-Adressen, Telefon-Hotlines oder Plattformen im Inter- und Intranet. Neben den internen Meldekanälen gibt es außerdem externe Meldestellen, so beispielsweise vom Bundesamt für Justiz.

Die Unternehmen müssen auf ihrer Webseite umfassend über die Whistleblowing-Möglichkeiten informieren. Zudem sind sie verpflichtet, die Hinweise zügig und sorgfältig zu bearbeiten. Das Vertraulichkeitsgebot ist dabei zentral: Es muss stets sichergestellt sein, dass die Identität der Hinweisgeber sowie der betroffenen Personen geschützt bleibt. Nur autorisierte Personen, die die Meldungen bearbeiten oder Maßnahmen ergreifen, dürfen Zugang zu diesen Daten haben.

Darüber hinaus soll das Gesetz die Whistleblower vor Repressalien schützen. Jede Form von Repressalien oder deren Androhung – beispielsweise Kündigung, Mobbing, Einschüchterung oder Benachteiligung bei Beförderungen – ist untersagt. Hierbei gilt eine Beweislastumkehr. Im Falle einer Benachteiligung muss das Unternehmen also nachweisen, dass diese nicht im Zusammenhang mit dem Whistleblowing steht.

Whistleblowing in der Immobilienbranche

Halten sich Unternehmen nicht an das HinSchG, müssen sie mit empfindlichen Strafen rechnen. Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro können verhängt werden. Auch die möglichen Reputationsschäden sind nicht zu unterschätzen. Dennoch erfüllen viele betroffene Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen noch nicht. Das gilt insbesondere auch für die Bau- und Immobilienwirtschaft – und das, obwohl gerade diese Branche spezifische Risiken birgt, die sie anfällig für berufliches Fehlverhalten macht.

Einige Beispiele: Bei Immobiliendeals werden große Geldsummen bewegt und Kriminelle versuchen oft, illegal erworbenes Geld durch Immobilienkäufe zu waschen. Im Bausektor wiederum kommt es immer wieder zu arbeitsrechtlichen Verstößen. Hier sind Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung oder Verstöße gegen Arbeitsschutzgesetze keine Seltenheit. Ein weiteres Beispiel für Fehlverhalten in der Immobilienbranche ist die Missachtung von Umweltschutzbestimmungen, so etwa im Hinblick auf Energieeffizienz, Schadstoffvermeidung oder den Umgang mit Altlasten. Das HinSchG hilft dabei, solche und andere Verdachtsmomente durch Hinweisgeber früher zu identifizieren und sie zu melden, bevor sie zu strafrechtlichen Problemen führen. Zudem hilft ein funktionierendes Hinweisgebersystem dabei, das Vertrauen der Stakeholder wie Kunden, Geschäftspartner und Investoren zu festigen.

Das Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz wiederum zielt darauf ab, Menschenrechte und Umweltschutz zu stärken. Seit dem 01.01.2024 sind Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, bestimmte Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferkette wahrzunehmen. Indirekt betrifft das Gesetz aber auch kleinere Unternehmen, nämlich dann, wenn sie Teil der Lieferkette eines großen Unternehmens sind.

Verstöße gegen das Gesetz werden hart sanktioniert – mit Bußgeldern in Höhe von bis zu acht Millionen Euro: Unternehmen mit einem Jahresumsatz von durchschnittlich mehr als 400 Millionen Euro drohen Strafen von bis zu zwei Prozent ihres durchschnittlichen Jahresumsatzes. Darüber hinaus können Unternehmen bis zu drei Jahre von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Das Gesetz gilt selbstverständlich auch für Unternehmen aus dem Bau- und Immobiliensektor. Denn Teil der Lieferkette sind alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie alle Aktivitäten, die zu deren Herstellung und Erbringung erforderlich sind. Folglich können auch die unterschiedlichsten Akteure innerhalb der Immobilienwirtschaft als Teil der Lieferkette angesehen werden: ob Projektentwickler oder Makler, ob Hausverwalter oder Handwerksbetrieb, ob Facility Manager oder Asset Manager.

Die Relevanz des LkSG lässt sich am Beispiel von Immobilienfonds veranschaulichen. So können Fondsanbieter indirekt von dem Gesetz betroffen sein, wenn sie Neubauobjekte oder Projekte in der Entwicklungsphase erwerben. Indirekt betroffen sind sie, weil sie in der Regel keine eigenen Bauprojekte durchführen oder eigene Lieferketten steuern, sondern lediglich als Käufer oder Investoren auftreten. Die Verantwortung für die Einhaltung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten liegt somit primär bei anderen Unternehmen, nämlich den Bauunternehmen oder Projektentwicklern der jeweiligen Objekte. Dennoch müssen die Fondsanbieter die Vorgaben des LkSG in ihre Due Diligence integrieren und die Lieferkettenhistorie prüfen, um sicherzustellen, dass die Projekte, in die sie investieren, den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Und auch bei Bestandsimmobilien, die als Anlageobjekte erworben werden, kann das LkSG relevant sein. So beispielsweise, wenn Dienstleistungen wie Facility-Management, Reinigung oder Sicherheit ausgelagert sind. Hier muss der Fondsanbieter sicherstellen, dass auch diese Dienstleister die gesetzlichen Vorgaben erfüllen.

Angst vor Sanktionen führt zu Overdoing

Viele Immobilienunternehmen stellt das LkSG vor große Herausforderungen, meist aufgrund fehlender Expertise oder Manpower. Vor allem die möglichen Sanktionen werden gefürchtet. Deshalb wollen sich viele Unternehmen um jeden Preis und in jeglicher Hinsicht absichern, was oft zu einer Art Overdoing führt. Derzeit ist es beispielsweise bei zahlreichen Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft gängige Praxis, umfangreiche Fragebögen streuartig an alle Nachunternehmen zu schicken, ohne zu prüfen, ob die abgefragten Inhalte für die einzelnen Unternehmen und deren Leistungen innerhalb der Lieferkette überhaupt relevant sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen kann das schnell überlasten. Sie fühlen sich aufgrund dieser Abwälzung auf sie oft überfordert und klagen über zu viel Bürokratie. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass sie die Zusammenarbeit mit großen, unmittelbar vom LkSG betroffenen Unternehmen beenden oder erst gar keine Zusammenarbeit eingehen.

Was vielen Akteuren nicht bewusst ist: Dieses Übermaß an Bürokratie ist häufig gar nicht erforderlich. Denn mit der gesetzlich vorgegebenen Risikoanalyse lässt sich im Vorfeld sehr genau prüfen, ob bestimmte Risiken überhaupt bestehen – und wenn ja, welcher Teil der Lieferkette konkret betroffen ist und welcher nicht. Grundsätzlich muss es also das Ziel sein, die Fragebögen so schlank wie möglich zu halten und sie auf die konkreten Leistungen des jeweiligen Nachunternehmers zuzuschneiden.

Fazit

Das Hinweisgeberschutzgesetz und das Lieferkettengesetz stellen die Immobilienbranche vor neue Anforderungen, zugleich bieten sie jedoch enorme Chancen. Denn beide Gesetze fördern Transparenz, ethisches Handeln und die Einhaltung von Standards, die für die Branche in Bereichen wie Korruptionsprävention, Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit zentral sind. Unternehmen, die diese Vorgaben engagiert umsetzen, minimieren nicht nur rechtliche Risiken, sondern stärken auch ihr Ansehen und das Vertrauen von Kunden, Partnern und Investoren.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von REICON Consulting
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Januar 2025

Konversation wird geladen