Wenn man in den vergangenen Jahren die zahlreichen Podiumsdiskussionen und Podcasts zum Thema „Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft“ verfolgt hat, ist man an dem Zitat „Data is the new oil“ (auf Deutsch: „Daten sind das neue Öl“) im Zusammenhang mit neuen Technologien und dem Hype rund um PropTechs nicht vorbeigekommen. Das besagte Zitat stammt aus einem 2017 erschienenen Artikel des Economist und lautet im Original: „The world’s most valuable resource is no longer oil, but data“. Blickt man heute im Zeichen von E-Mobilität, Environmental Social Governance (ESG) und Sustainability-Diskussionen auf die Zukunftsaussichten des fossilen Brennstoffs Öl, dann fragt man sich unwillkürlich, ob es den Daten in der Zukunft genauso ergehen wird und wo die Digitalisierung die Immobilienwirtschaft noch hinführen wird. Wagen wir einen Ausblick…
Um sich vom Wettbewerb abzuheben, müssen alle Akteure der Immobilienwirtschaft immer „innovativere“ Produkte entwickeln. Durch den abnehmenden Grenznutzen von evolutionären Weiterentwicklungen bestehender Technologien und Prozesse sowie eine steigende Regulierung wird die Komplexität und Masse der zu berücksichtigenden Daten exponentiell steigen. Gleichzeitig erfordert die Refokussierung der Immobilienwirtschaft auf die Wertschöpfung am Kunden und die damit stärkere Zentrierung auf den Mieter/Nutzer einen radikalen Umbau der IT-gestützten Prozesse und notwendigen technischen Fähigkeiten. Die gängigen IT-Plattformen sind heutzutage überwiegend auf das Management von Werteflüssen und Geldströmen ausgerichtet, sodass die Anliegen der Nutzer eher als „Störung“ des Geschäftsbetriebs und nicht als Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Kundenbeziehung gesehen werden. Die Umstellung vom Produkt- auf den Nutzerfokus wird sich in den kommenden Jahren jedoch entscheidend auf die Digitalisierung auswirken.
IT-Plattformen: Vernetzung relevanter Daten aus hochspezialisierten Quellen
Die IT-Plattformen müssen zukünftig die Refokussierung durch gezielte Integration der Daten auf den folgenden drei Interaktionsebenen der Immobilienwirtschaft unterstützen und den Datenhaushalt optimieren:
• Nutzer
• Gebäude
• Unternehmen
Da ein Versuch der Gesamtoptimierung aller Interaktionen und Datenpools vermuten lässt, dass im Zusammenspiel der Komponenten auf einer allumfassenden Plattform der kleinste gemeinsame Nenner erreicht wird, ist eher von einer stufenweisen Optimierung auf jeder einzelnen Ebene in den kommenden Jahren auszugehen. Es ist daher nur bedingt mit einer digitalen Datenrevolution und der damit verbundenen Schaffung einer Plug-and-Play-Fähigkeit für IT-Plattformen zu rechnen.
Nutzer: Vernetzte Daten & KI
Künstliche Intelligenz und vollautomatisierte Datenanalyse von Echtzeitdaten werden uns helfen, die schier undurchdringliche Flut an Informationen zu verarbeiten und die entscheidenden Informationen besser und schneller zu verstehen. Im Unterschied zu heute wird dies aber immer mehr im Hintergrund geschehen, sodass wir von den technologiebedingten Veränderungen in unserem Umfeld immer weniger mitbekommen. Die digitalen Plattformen der Zukunft dienen somit der Steigerung der Kundenzufriedenheit und verbinden die Akteure in den einzelnen Lebenszyklusphasen mit hochspezifisch aufbereiteten analytischen Informationen.
Vermutlich wird sich in den kommenden Jahren auch die Erkenntnis durchsetzen, dass sich aus der reinen Verfügbarkeiten von Daten ohne spezifischen Kundennutzen kein nachhaltiges kommerzielles Geschäftsmodell entwickeln lässt. Nur die intelligente Vernetzung einzelner, spezialisierter Datenpunkte kann einen echten Mehrwert für den Nutzer bieten.
Gebäude: Selbstoptimierung statt Sensor-Hype
Smart-Building-Technologien schaffen weitgehende Interaktionsmöglichkeiten für das Individuum jenseits von Smart Home und ermöglichen ein portfolioweites und eigentümerunabhängiges Nutzererlebnis. Die hier verwendeten Systeme lernen schneller selbständig aus Mustern und benötigen daher weniger Interaktion mit dem Nutzer, welcher sich dadurch nicht mit individuellen Lichteinstellungen und dem Mikroklima im Büro/Arbeitsraum beschäftigen muss, sondern sich voll und ganz auf seine Haupttätigkeit konzentrieren kann.
Unternehmen: Automatisiert zum Digital Twin
Auf Unternehmensebene werden die meisten Geschäftsfunktionen durch einen erhöhten Automatisierungsgrad und KI in einigen Bereichen hochgradig automatisiert ablaufen und die kaufmännisch relevanten Managed Services werden als Zusatzservices an die Plattform „angedockt“. Die Blockchain/Distributed-Ledger-Technologie kann dann das Vertrauen in die Datenqualität auf Transaktions-/Datenebene herstellen und somit die Zeiten für langwieriges Datenqualitätsmanagement bei allen Beteiligten drastisch reduzieren.
Erst durch die unternehmensübergreifende Orchestrierung von Daten und der Fähigkeit, diese zielgerichtet entlang der gesamten Nutzerkette qualitativ hochwertig zu verarbeiten, ist eine Schaffung eines ganzheitlichen Digital Twins möglich. Wir gehen davon aus, dass sich die Abbildung eines integrierten Datenhaushalts auch hier zuerst auf den benannten Einzelebenen etablieren wird und diese dann in einem zweiten Schritt zu einem integrierten Datenpool verbunden werden. Somit wird der kaufmännische Zwilling für die Werteflüsse und der technische Zwilling für Objektdaten langfristig um einen sozialen bzw. nutzerzentrierten Digital Twin ergänzt werden.
Veränderte Kompetenzprofile auf allen Ebenen
Doch auch in Zeiten von Quantencomputern benötigen Daten eine technologische Heimat. Diese wird im Gegensatz zu den heute bestehenden IT-Architekturen mit ihren monolithischen Kernsystemen auf eigenen Servern anders aufgestellt sein. Multi-Cloud-Plattformen und die damit einhergehende Veränderung von IT-Betriebsmodellen werden auch in der Immobilienwirtschaft vermehrt Einzug halten und den Umbau der IT-Abteilungen zu neuen Kompetenzfeldern im IT-Betrieb erfordern.
Aus dem technischen Serverspezialisten sollte in der Zukunft ein fachlicher Datenanalyst und organisatorischer IT-Provider-Manager werden. Seine Aufgabe wird es sein, einerseits die Integration der Daten und Systeme nach innen sicherzustellen und andererseits die durch die komplexen Produkte notwendige Offenheit nach außen für den Datenaustausch im Ökosystem der Ebenen Nutzer, Immobilien und Unternehmen bestmöglich zu managen. Diese Virtuosität im Umgang mit Daten müssen auch die Fachabteilungen beherrschen, die sich vom passiven Datenverwalter zum aktiven Datennutzer weiterentwickeln sollten.
Daten: Wie Öl, nur anders
Mit einem Blick auf den aktuellen Status quo der Digitalisierung (siehe auch unsere KPMG-Studie zur „Digitalisierung der Wohnungswirtschaft 2020“) kann man konstatieren, dass die größten Herausforderungen in der digitalen Unterstützung der Kundeninteraktion noch bevorstehen und daher Daten als Kraftstoff der Immobilienbranche erst am Anfang Ihres Lebenszyklus stehen – hoffentlich ganz im Gegensatz zum fossilen Brennstoff.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPMG
Erstveröffentlichung: KPMG Real Estate Bulletin, Das Fachmagazin für die Immobilienwirtschaft, Frühjahrsausgabe 2021