ESG-Strategie für Immobilien-Assetmanager
Der Handlungsdruck auf Immobilien-Assetmanager hin zu verbindlicher Nachhaltigkeit steigt. Wer die ESG-Konformität seines Bestandsportfolios künftig nicht stichhaltig nachweisen kann, riskiert den Verlust von Immobilienwerten. Die Zeit drängt, eine Strategie zu entwickeln, die Spielräume für proaktives Handeln eröffnet. Denn am 1. Januar 2022 treten die weitreichenden Anforderungen der Taxonomie-Verordnung in Kraft.
Bisher haben freiwillige Instrumente wie Gebäudezertifizierungen definiert, über welche Qualitäten eine Immobilie verfügen muss, um als nachhaltig zu gelten. Mit der am 21. April 2021 von der EU-Kommission im Rahmen des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums („Action Plan On Sustainable Growth“) veröffentlichten Taxonomie-Verordnung ist die Zeit der Freiwilligkeit für Finanzmarktteilnehmer vorbei. Erstmals existiert ein einheitliches und verbindliches Regelwerk für die Nachhaltigkeitsbeurteilung von Immobilien, mit dem institutionelle und private Kapitalanleger grüne Investments erkennen sollen. In der Theorie ist das Klassifikationssystem ein Meilenstein. In der Praxis ist es für Immobilien-Assetmanager ein zentnerschwerer Hinkelstein.
Denn selbstverständlich ist die Integration von Nachhaltigkeit in Prozesse und Ziele vom Investment- über das Portfolio- und Asset- bis zum Property- und Facility-Management nicht. Zumal die dazu notwendigen Schritte in der Regel auf mehrere Unternehmen verteilt sind, die alle eigene Interessen haben. Im Alleingang wird es für die meisten Akteure daher kaum möglich sein, die mit ESG verbundenen Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen. Ziele noch dazu, die, anders als die bisher verkündeten weichen Nachhaltigkeitsziele, rechtsverbindlich und sanktioniert werden.
Erforderlich ist die Entwicklung einer handlungsebenenübergreifenden ESG-Strategie, die Asset-Managern die Implementierung der Ziele in die betroffenen Handlungsfelder Bestandshaltung, Ankauf, Neubau und Renovierung erleichtert und, einmal eingeführt, viele Optionen bietet, in Gebäuden schlummernde Potenziale zu erkennen und zu wecken.
Der strategische Ansatz beginnt auf der Portfolioebene mit einem CO2-Screening, bei dem die Treibhausgasemissionen jedes Gebäudes ermittelt werden. Eigentlich sollte man denken, dass institutionelle Bestandshalter die CO2-Werte ihrer Immobilien kennen, doch die Praxis zeigt, dass dem längst nicht so ist. Laut einer Umfrage der Ratingagentur Scope unter 42 Assetmanagern liegen für knapp 30 Prozent der Fondsobjekte derzeit keine CO2-Daten vor . Dabei ist CO2 die neue Währung. Noch mag der Preis pro Tonne CO2 mit 25 Euro niedrig sein. Auch die veranschlagten 55 bis 65 Euro im Jahr 2025 erscheinen gering. In der Komfortzone zu verharren und auf möglichst moderate Strafzahlungen zu spekulieren, dürfte jedoch nach hinten losgehen. Weder Kapitalanleger noch Mieter werden für CO2-Zwangsabgaben aufkommen wollen, nur weil der Assetmanager nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Ebenso wenig werden Investoren künftig Immobilien kaufen, die Klimasünder sind. Ganz abgesehen davon, dass es mit der Einklassifizierung als Artikel-8-Fonds, wofür ökologische und/oder soziale Merkmale in der Investitionsentscheidung zu berücksichtigen sind, nicht klappen wird. Besser ist es, in eine optimierte Gebäudeperformance zu investieren.
Was auf Bestandshalter nicht oder unzureichend CO2-konformer Gewerbeimmobilien zukommen kann, zeigen die Niederlande: Dort müssen alle Bürogebäude bis zum 1. Januar 2023 wenigstens das Energielabel C haben, wonach der fossile Primärenergieverbrauch maximal 225 kWh/m² pro Jahr betragen darf, um nach der Gebäudeverordnung weiterhin als Büro genutzt werden zu können . Davon betroffen sind laut einer aktuellen Studie der Deutsch-Niederländischen Handelskammer 62.000 der insgesamt 97.000 Bürogebäude. Im Juli 2020 hatten jedoch erst 34 Prozent der Objekte das Energielabel C .
Während das Portfoliomanagement den Bestand systematisch auf etwaige CO2-Risiken untersucht, führt das Investmentmanagement bei jedem Ankauf grundsätzlich eine ESG-Due Dilligence durch.
Mit wenigen Klicks ist erkennbar, wann eine Immobilie zum sogenannten "Stranded Asset" wird, also mit Wertverlusten zu rechnen ist, oder ob und welche Anforderungen der Taxonomie bereits erfüllt sind. Darauf aufbauend kann eine Potenzialanalyse und Zertifizierung erfolgen oder es wird ein Energieaudit durchgeführt. Das Ganze lotet sehr pragmatisch die Zukunftsfähigkeit eines Immobilieninvestments aus, selbst wenn die Datenlage dürftig und die Bearbeitungszeit knapp ist. Überdies ist die regelmäßige Durchführung eines Performancemonitorings vorgesehen, um zeitnah Schwachstellen zu eruieren und zu beheben.
Diese systematische Vorgehensweise auf der Portfolioebene ist deshalb elementar, weil die dort gesammelten Informationen relevant für gezielte Verbesserungsmaßnahmen auf der Objektebene sind. Kernelement der ESG-Strategie ist daher die Verzahnung der Akteure auf der Portfolio- mit denen auf der Objektebene, wo die wichtigen und wertvollen dynamischen Daten generiert werden, etwa CO2-Emissionswerte oder Energie- und Wasserverbräuche, die zwingend an das Asset- und Portfolio-Management zurückgespiegelt werden müssen, damit ein sich ständig veränderndes Gesamtbild von einem Gebäude entsteht und nicht - wie es derzeit in vielen Fondshäusern der Fall ist - lediglich eine unvollständige Momentaufnahme. Nur wenn das Asset-Management weiß, welche Stellschrauben nachjustiert werden müssen, diese Erkenntnis an das Property-Management kommuniziert wird, das wiederum mit dem Facility-Management spricht, kann die Nachhaltigkeits-ausrichtung eines Bestandsportfolios gelingen. Neben einem Green FM, das idealerweise nach GEFMA 160-1 zertifiziert ist, sieht die Strategie den Einsatz intelligenter Messsysteme und IoT-basierter Anwendungen zur situativen Prozesssteuerung in Gebäuden vor. Ebenso enthalten ist die Beschaffung klimafreundlicher Energien. Last but not least kommt der Nutzer ins Spiel, ohne den kein Gebäude ESG-konform zu bewirtschaften ist. Auch hier setzt die Strategie auf Integration und Kommunikation.
Insgesamt sind unternehmenspezifisch konkrete Schritte zu unternehmen, auf der Portfolioebene ebenso viele wie auf der Objektebene, um die mit ESG verbundenen Umwelt- und Klimaschutzziele handlungsebenenübergreifend zu implementieren. Zugegebenermaßen ist das bis zum Jahresende 2021 ambitioniert. Doch es geht um mehr, als möglichst schlank die Anforderungen der Taxonomie-Verordnung umzusetzen. Genau genommen geht es beim Thema ESG darum, integrierte organisatorische und technische Strukturen für die Realisierung von Nachhaltigkeitszielen zu schaffen und zu etablieren, die vorausschauendes Handeln ermöglichen, um bei der nächsten Gesetzesänderung nicht wieder von vorne beginnen zu müssen. Die Daten zur Umsetzung der mit ESG verbundenen Umwelt- und Klimaschutzziele sind eigentlich alle vorhanden. Die Frage ist nur, wo und in welcher Form. Die wirkliche Herausforderung ist das Aufbrechen der vielen verschiedenen Datensilos, was mit einer ESG-Strategie jedoch gelingen sollte, damit die Datenflut gleich in die richtigen Bahnen gelenkt wird und Immobilien-Assetmanager vor die Welle kommen.
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Erstveröffentlichung: The Property Post