Angst vor vermeintlichem Reputationsverlust
Derzeit bietet der Immobilienmarkt günstige Bedingungen für Kreditinstitute, sich von notleidenden Krediten zu trennen. Doch aus vermeintlichen Reputationsgründen bringen die Banken ihre NPL-Portfolios nur stückchenweise auf den Markt. Da ihnen aber die notwendige Immobilienexpertise für ein effizientes Workout fehlt, könnte sich das noch als Fehler erweisen.
Notleidende Kredite – darunter auch Immobilienkredite – sind in den Bankbilanzen einiger Länder Europas ein nicht zu unterschätzendes Problem und belasten die Profitabilität der Banken. Insgesamt schlummern in den Bilanzen der Banken notleidende Kredite im Umfang von 600 Milliarden Euro. Die größten Anteile von Non-Performing Loans (NPL) innerhalb Europas gibt es in Griechenland, Irland und Italien. Laut der europäischen Bankenaufsicht (EBA) betrugen die NPL-Quoten in diesen Ländern im vergangenen Jahr 34,4 Prozent, 18,8 Prozent und 16,9 Prozent. In Spanien ging die Quote von 2013 bis 2015 von 9,4 Prozent auf sieben Prozent zurück. In Frankreich schwankte sie in den vergangenen zehn Jahren ziemlich konstant zwischen 4,5 Prozent (2013) und 2,7 Prozent (2007) und in Deutschland zwischen 3,4 Prozent (2006) und 2,3 Prozent (2014).
Hohe Quoten von Problemkrediten sind oft makroökonomisch bedingt. Sie hängen zusammen mit dem Wirtschaftswachstum, der Staatsverschuldung, der Arbeitslosigkeit, dem Zinsniveau, der Entwicklung am Immobilienmarkt, den Kreditvergabe-Standards, der steuerlichen Anerkennung von Wertberichtigungen und der juristischen Durchsetzbarkeit von Forderungen. Gerade der letzte Punkt ist in vielen Ländern ein Problem, etwa in Italien. Dort dauert der Zwangsverkauf einer Immobilie acht bis zehn Jahre, während es in Deutschland ungefähr zweieinhalb Jahre sind.
Günstige Bedingungen für Banken
Derzeit bietet der deutsche Immobilienmarkt günstige Bedingungen für Banken, ihre NPLs mit geringen Verlusten zu veräußern. Denn der Immobilienmarkt verzeichnet weiterhin steigende Preise. Investoren weichen auf der Suche nach attraktiven Investitionsmöglichkeiten mangels Angeboten zunehmend auf B- und C-Städte sowie Nischenprodukte wie Student Housing oder Rechenzentren aus. Doch die Finanzinstitute verkaufen ihre notleidenden Immobilienkredite nur stückchenweise auf dem Markt. Aus vermeintlichen Reputationsgründen verzichten die Finanzinstitute oft auf einen Paketverkauf ihrer NPLs. Dahinter steht die Sorge, es könne der Eindruck entstehen, die Bank habe in der Vergangenheit zu sorglos neue Kredite vergeben.
Zudem deckt sich die eigene Bewertung der notleidenden Immobilienkredite nicht mit denen am Markt zu erzielenden Preisen. Zwar gibt es theoretisch kaum Spielraum bei der Bewertung von NPLs. Doch die Praxis sieht anders aus. Die Bewertung umfasst nämlich häufig einen Blick in die Zukunft. Muss beispielsweise eine Sicherheit verwertet werden, stellt sich die Frage, welchen Verkaufspreis eine Immobilie in einigen Jahren wirklich am Markt erzielen kann. Hier kalkulieren viele Banken zu optimistisch.
Den Verzicht auf die Veräußerung ihrer NPL-Portfolios können sich die Banken und Sparkassen eigentlich nicht leisten. Zum einen geht die umfassende Regulierung des Bankensektors durch Basel III mit höheren Eigenkapitalanforderungen und stärkerem Kostendruck einher. Zum anderen binden notleidende Immobilienkredite in den Banken sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, die an anderer Stelle benötigt werden. Daher wären die Finanzinstitute besser beraten, sich von ihren NPL-Beständen zu trennen. Stattdessen werden jedoch problembehaftete Bestände weiter in den Büchern gehalten und auf eine weitere Markterholung gehofft.
Bisher ging die Strategie auf. Aber wie wollen die verantwortlichen Vorstände argumentieren, dass sie immer noch NPLs aus der Finanzkrise 2008 halten, wenn der deutsche Immobilienmarkt anfängt zu stagnieren und eine neue Welle an NPLs hinzukommt? Daher sollten der Verkauf leistungsgestörter Kredite und die damit verbundene Bereinigung der Bilanzen grundsätzlich der favorisierte Lösungsweg sein.
Banken sollten ihre Scheu verlieren
Ein Blick auf die Probleme, die zum „Distressed“-Status führen, zeigt, dass die Mängel der Immobilien in der Regel bekannt sind – und damit grundsätzlich behebbar. Aber Banken und Sparkassen fehlt häufig die notwendige eigene Expertise für ein effizientes Asset-Management von Immobilien. Die betroffenen Portfolios weisen meist mehrere Problemherde auf. Sie sind häufig sehr heterogen zusammengesetzt und enthalten Immobilien an verschiedenen Standorten und mit unterschiedlichen Nutzungsarten. Die einzelnen Objekte werden dabei häufig von mehreren externen Dienstleistern verwaltet. Außerdem sind bei den einzelnen Liegenschaften fast immer unterschiedliche Finanzierungspartner involviert und auch die Finanzierungsstrukturen unterscheiden sich in vielen Fällen. Hier mangelt es oft an der notwendigen Konsequenz, mit anderen Finanzinstituten oder Schuldnern eine Lösung voranzutreiben. Das erschwert die erforderliche Einigung darüber, notwendige Umbau- oder Repositionierungsmaßnahmen an den Objekten durchzuführen oder die Schuldner zu einer kooperativen Lösung zu bewegen. All diese Umstände machen das Management solcher Bestände zu einer Herausforderung, die Banken nicht kurzfristig bewältigen können. Das führt dazu, dass sich die Abwicklung notleidend gewordener Immobilienkredite verzögert, die Finanzinstitute noch jahrelang unnötig Geld kostet und ihre Bilanzen belastet. Großvolumige NPL-Transaktionen, wie sie im europäischen Ausland bereits geschehen, wären dagegen ein echter Schritt hin zur Bilanzbereinigung und Befreiung von Altlasten aus der Finanzkrise. Denn viele deutsche Banken und Sparkassen weisen noch immer einen überdurchschnittlichen NPL-Anteil von über 2,5 Prozent auf, den es zu reduzieren gilt. Die deutschen Finanzinstitute sollten daher ihre Scheu verlieren, denn NPL-Servicer bzw. -Investoren haben sich längst am Markt etabliert, arbeiten professionell und haben die früher gelegentlich auftretenden Anfangsschwierigkeiten in diesem Segment längst überwunden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Engel & Völkers Investment Consulting
Erstveröffentlichung: Immobilien &. Finanzierung, November 2016