Potenziale von Corporate Real Estate bleiben oft ungenutzt
Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Corporate Real Estate wird massiv unterschätzt. Das Corporate Real Estate umfasst ca. ein Drittel aller deutschen Immobilien und ist damit bereits wertmäßig wichtigster Posten der betrieblichen Infrastruktur. Die betriebliche Infrastruktur im Allgemeinen und deren Immobilien im Besonderen determinieren maßgeblich die Produktivität der deutschen Volkswirtschaft. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben gute Gründe, zukünftig die effiziente Versorgung der Unternehmen mit betrieblichen Immobilien verstärkt auf den Prüfstand zu stellen.
Immobilien sind seit jeher für jeden Betrieb als physischer Ort der Arbeit notwendige Bedingung der Leistungserstellung. Zur Bereitstellung ihrer physischen Arbeitsumgebung haben die Betriebe vielfältige immobilienwirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Sie entscheiden aus der Perspektive der Immobiliennutzung über das Verhältnis von Nutzen und Kosten immobiliarer Betriebsmittel. Aus der Perspektive der Immobilieneigentümer entscheiden Sie über die Kapitalbindung und die Wirtschaftlichkeit der Immobilien. Schließlich entscheiden die Betriebe aus der Perspektive der Planer, Entwickler, Errichter, Betreiber und Verwerter der Immobilie über Art, Umfang und den Erfolg der von ihnen initiierten immobilienwirtschaftlichen Immobilienprojekte und -prozesse. Die primären Entscheidungen über die volkswirtschaftliche Bedeutung von betrieblichen Immobilien treffen derzeit in Deutschland primär die Corporates und erst sekundär die Immobilienunternehmen.
Angesichts eines über den groben Daumen kalkulierten Werts des Corporate Real Estate von 3.000 Milliarden Euro ist zwingend, dass sich daraus erhebliche Implikationen für die deutsche Volkswirtschaft ergeben müssen. So sind die deutschen Betriebe wichtiger Marktpartner der Bau- und Immobilienwirtschaft. Auf zehn Mitarbeiter deutscher Unternehmen entfällt ein Mitarbeiter, der mit der Bereitstellung von Corporate Real Estate beschäftigt ist. Die Bereitstellung von Corporate Real Estate hat in den letzten 11 Jahren jährliche Neubauinvestitionen in Höhe von durchschnittlich 16 Milliarden Euro verursacht. Aufgrund eines Beschäftigungsmultiplikators von 2,6 ist daraus eine gesamtwirtschaftliche Nachfrage von durchschnittlich 43 Milliarden Euro p.a. hervorgegangen. Durchschnittlich sind je nach Branche 10 bis 20 Prozent der Gesamtkosten deutscher Betriebe immobilienbezogene Kosten. Immobilienkosten betragen je nach Branche durchschnittlich zwischen 3 und 5 Prozent der Umsätze. In vielen Unternehmen sind immobilienbezogene Kosten damit nach den Personalkosten der zweitwichtigste Kostenblock.
Befragungsergebnissen unter deutschen Corporate Real Estate Managern zufolge beträgt das Potenzial zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch ein optimiertes Management der betrieblichen Immobilien durchschnittlich 13 Prozent. Bezogen auf eine jährliche Lohnsumme von 1.200 Milliarden Euro entspricht das immobilienwirtschaftliche Potenzial der Corporates zur Steigerung der Arbeitsproduktivität einem absoluten Betrag von ca. 178 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Arbeitsproduktivitätssteigerungspotenzial entspricht dem kumulierten Arbeitsproduktivitätszuwachs der letzten 18 Jahre in Deutschland. Bei Fragen nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft ist bislang vordringlich über Lohnnebenkosten, Bildungsniveau, Innovationsfähigkeit, Energiekosten und die öffentliche Infrastruktur diskutiert worden. Angesichts eines demografiebedingt schwindenden Arbeitskräfteangebots wird der Steigerung der Arbeitsproduktivität eine zentrale Bedeutung zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zukommen. Auch wenn nur ein Bruchteil der von den CRE Managern identifizierten Potenziale realisiert werden sollte, so kann die Immobilienwirtschaft hier zukünftig einen wichtigen Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft leisten.
So groß wie die immobilienwirtschaftlichen Potenziale, so hoch sind auch die Hürden, diese zu heben. Dem Corporate Real Estate zu seiner wahren volkswirtschaftlichen Bedeutung zu verhelfen gleicht einem steilen Bergauflauf über folgende drei hohe Hürden.
Immobilien sind nicht nur überlebenswichtige betriebliche Ressource, sondern auch Lebensraum, in dem sich Mitarbeiter und sonstige Stakeholder des Unternehmens bewegen. Zudem ist die Kapitalintensität hoch und Restrukturierungsprojekte verlangen vielfältige, kerngeschäftsferne Expertise. Die zuständigen Vorstände können deshalb die Kollateraleffekte immobilienwirtschaftlicher Entscheidungen oft nur sehr schwer abschätzen und agieren entsprechend risikoavers. In der Folge ist der Gestaltungsspielraum des betrieblichen Immobilienmanagements eng begrenzt.
Jedes Gewerbeimmobilienunternehmen – gleichgültig ob Finanzierer, Investor, Projektentwickler, Realisierungsunternehmen, Immobilienbetreiber oder sonstiger Dienstleister – ist von den Aufträgen der Corporates existenziell abhängig. Diese reagieren aus einer Tradition der klassischen Ausschreibung von Bauaufträgen kommend zumeist reaktiv auf die von den Corporates ausgelobten Leistungsverzeichnisse. In der Folge ist die Bau- und Immobilienwirtschaft von den im Hinblick auf Innovationskraft wesentlich dynamischer verlaufenden anderen Wirtschaftszweigen, die von Sekundärprozessen der Corporates leben wie der Informations- und Kommunikationswirtschaft oder der Logistik weitgehend abgehängt worden. In diesen Branchen schaffen Konzepte wie User Innovation, Open Innovation und innovative Wertschöpfungspartnerschaften positive Umfelder für Produkt- und Prozessinnovationen. Um es deutlich zu sagen: Die immobilienwirtschaftlichen Unternehmen sind es, die den Verantwortlichen auf Seiten der Corporates Auswege aus ihrer immobilienwirtschaftlichen Handlungsstarre aufzeigen sollten. Angesichts der Wertschöpfungspotenziale auf Seiten der Corporates kann das ein gutes Geschäftsfeld werden. Erste Unternehmen haben diese Hürde mit innovativen Konzepten für verschiedenste Marktsegmente bereits in Angriff genommen, weitere werden folgen.
Die Frage wie mit einem optimierten Immobilienmanagement und einer optimierten Ausstattung an immobiliaren Ressourcen die Produktivität des Unternehmens gesteigert werden kann, ist noch nicht einmal in den Grundzügen geklärt. Beispielsweise folgt das Immobilienportfoliomanagement der Corporates ebenso wie Workplace Konzepte, Immobilienfinanzierungskonzepte und Institutionalisierungen des betrieblichen Immobilienmanagements zumeist den Erfahrungen einzelner Professionals oder eher bruchstückhaften Ansätzen. In vielen Situationen fehlt es an wissenschaftlich abgesicherten und praktisch erprobten Konzepten. Dieser breite Mangel an Expertise bestärkt das Topmanagement der Corporates in ihrer Verweigerungshaltung vor dem Sprung über Hürde 1 und sollte Ansporn sein für die immobilienwirtschaftlichen Dienstleister, die Hürde 2 zu nehmen.
Neben Hürden, die es zur Steigerung der Effizienz von Corporate Real Estate in Deutschland zu überwinden gilt, kann auch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen durch den Staat zu mehr Effizienz im betrieblichen Immobilienmanagements beitragen. Dabei geht es zum Beispiel um die Kapitalmarktregulierung. Am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt ist die Kapitalmarktkultur, anders als in den USA und Asien, nur schwach ausgeprägt. So befinden sich von den rund 3.000 Milliarden Euro Corporate Real Estate nur verschwindend geringe 46 Milliarden in den Händen geschlossener Fonds und 37 Milliarden in Händen offener Fonds. Der Buchwert der Immobilien in den Bilanzen der DAX Konzerne beträgt durchschnittlich 20 Prozent ihrer Börsenkapitalisierung. Diese starke Bindung von Kapital der Corporates in Immobilien ist nach dem als wissenschaftlich gesichert anzusehenden Kenntnisstand der Corporates Finance Forschung finanzwirtschaftlich inneffizient. So sind die Eigentumsquoten in Nordamerika (30 Prozent) und in Asien (20 Prozent) erheblich geringer als in Deutschland. Hier beträgt die Eigentumsquote bei Großunternehmen ca. 66 Prozent und im Mittelstand 75 Prozent der genutzten Immobilien. Für eine Reduktion der Eigentumsquoten fehlen den Unternehmen in Deutschland die Marktpartner am Immobilienkapitalmarkt, weil die Immobilienbestände offensichtlich hinsichtlich Standort, Nutzungsart und Nutzungskonzept nicht zu den tradierten Präferenzen der Immobilieninvestoren passen. In anderen Ländern wie Australien übernehmen REITs die Aufgabe der Eigenkapitalfinanzierung dieser Immobilien. Ein entsprechend optimiertes REIT-Regime könnte vermutlich auch in Deutschland den Corporates zu höherer Effizienz und der Immobilienwirtschaft zu großer Prosperität verhelfen. Hier sind Politik, Corporates und Immobilienwirtschaft gefordert, den deutschen REIT nachzubessern.
Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie: Andreas Pfnür (2014), Volkswirtschaftliche Bedeutung von Corporate Real Estate, Berlin. Die Herkunft der Zahlen, Fakten und Ergebnisse werden darin erläutert und vertieft. Die Studie wurde vom ZIA gemeinsam mit CoreNet Global, BASF, Siemens Real Estate und Eurocres Consulting in Auftrag gegeben und kann über den ZIA bezogen werden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2013/2014