08.04.2024

Stranded Assets

Gefährdungspotenzial und Handlungsbedarf auf dem Berliner Büromarkt steigt

Marcus Buder, Bereichsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung, Berliner Sparkasse
Marcus Buder

Mobiles Arbeiten, die fortschreitende Digitalisierung der Bürowelt, strengere Anforderungen an die Nachhaltigkeitsbilanz von Gebäuden und eine Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik sind am Berliner Büromarkt nicht spurlos vorübergegangen. Das Risiko, dass ältere Büroimmobilien abseits der Top-Lagen zu Stranded Assets werden steigt und sorgt für Unruhe.

Eine genaue Kenntnis des Marktes, seiner Herausforderungen und seiner zukünftigen Entwicklung ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen essentiell. Anfang des Jahres haben sich mit der Berliner Sparkasse und der Immobilienberatungsgesellschaft Colliers zwei starke Partner in der Region zusammengefunden, um den Status Quo auf dem Berliner Büroimmobilienmarkt zu analysieren. Ihre im März 2024 veröffentlichte Studie legt einen besonderen Schwerpunkt auf Stranded Assets und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Berliner Büroimmobilienmarktes.

Fast die Hälfte des Berliner Bürobestands von Überalterung bedroht
Im Rahmen der Studie wurde der Gesamtbestand von ca. 22,7 Mio. m² in über 4.700 Gebäuden ausgewertet. Für das Obsoleszenzrisiko wurde dabei das auf Objektebene zur Verfügung stehende Mietpreissteigerungspotenzial von der aktuellen Ist-Miete zur Marktmiete für sanierte Objekte analysiert, damit durch Modernisierungen die Nachhaltigkeitsziele im Gebäudesektor erreicht werden können. Das Ergebnis: Rund  43 % (ca. 9,8 Mio. m²) der analysierten Bürofläche sind von Veralterung bedroht, sobald die notwenigen Modernisierungsausgaben (CapEx-Kosten) 7,00 €/m² übersteigen. Auf der anderen Seite stehen für über 90 % des Berliner Bürobestands Investitions-Budgets von mindestens 5,00 €/m² zur Verfügung (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Gefährdungspotenzial Berliner Büroflächenbestand nach CapEx-Kosten

Quelle: Colliers, Berlin, 2024

 

Büroflächen außerhalb der Ringbahn und am Innenstadtrand sind besonders gefährdet
Während sich in den Top-Lagen CapEx-Kosten von 7,00 €/m² bei lediglich nur 11 % der Büroflächen wirtschaftlich nicht darstellen lassen, steigt dieser Anteil in den Innenstadtrandlagen und der Peripherie deutlich auf 42 % bzw. 62 % an. Maßgeblich dafür ist das in den Top-Lagen deutlich höhere Mietpreissteigerungspotenzial nach entsprechenden Modernisierungen auch gegenüber  älteren Bestandsgebäuden in der gleichen Lage. Diese Möglichkeit ist in Innenstadtrandlagen und der Peripherie signifikant eingeschränkt.
„Berlin hat die vergangenen Jahre das größte Mietwachstum aller Top 7-Standorte erzielt“, sagt Kemal Zeyveli, FRICS Regional Manager bei Colliers. „Das Mietsteigerungspotenzial durch Refurbishments ist in vielen Bestandsgebäuden groß und es stehen vergleichsweise hohe Budgets für CapEx-Maßnahmen zur Verfügung.“

Berliner Bürobestand mit großem Sanierungsbedarf und geringer Sanierungsquote
Trotz der starken Bauaktivität besteht auch im Berliner Büromarkt ein Sanierungsstau. 87 %, also rund 20 Mio. m², der Berliner Büroflächen wurden vor 2014 gebaut oder zuletzt davor umfassend modernisiert. „Seit 2014 wurden im Durchschnitt 264.000 m² Bürofläche pro Jahr saniert. Das entspricht einer Sanierungsquote von 1,3 % p.a. Für die Erreichung der Klimaziele wäre jedoch eine Quote von 2,0 % p.a. notwendig – hier besteht dringend Nachholbedarf“, so Marc Steinke, Associate Director Market Intelligence & Foresight bei Colliers.

Hohe Nachfrage nach ESG-konformen Flächen treibt Spitzenmieten
Gerade die hohe Nachfrage nach taxonomiekonformen Neubauten in Top-Lagen lässt aktuell die Spitzenmieten in Berlin weiter steigen. Das längerfristige Wachstumspotenzial wird in etwa auf Höhe des Inflationsziels von 2,0 % p.a. gesehen, sodass die stabilisierte Spitzenmiete die kommenden Jahre von aktuell 44,70 €/m² weiter in Richtung der 50,00 €/m² steigen dürfte.

Steigender Leerstand dämpft die Durchschnittsmiete, insbesondere unsanierter Bestand ist unter Druck
Die Durchschnittsmiete befindet sich hingegen aktuell in einer Seitwärtsbewegung. Der Anpassungs- und Angebotsdruck ist hier besonders hoch. In weniger gut angebundenen Lagen, mussten unsanierte Bestandsobjekte bereits auch erste Mietpreisreduktionen hinnehmen.
Insgesamt standen im 1. Quartal 2024 rund 1,45 Mio. m² Bürofläche zur kurzfristigen Anmietung zur Verfügung, was einer Leerstandsquote von 6,3 % entspricht. Bis Ende 2025 prognostiziert Colliers weiter steigende Leerstände. Eine Quote von rund 8,0 % ist möglich. Während im Bestand unter anderem durch Flächenreduzierungen das Angebot wächst, kommt 2024 zudem noch viel neugebaute Bürofläche auf dem Markt. Erst ab 2025 sollten die Fertigstellungen deutlich zurückgehen und sich der temporäre Angebotsüberhang langsam auflösen.

Die vier „R“ – Repositionierung, Refurbishment, Repurpose, Rebuild
Struktureller Leerstand von nicht mehr marktgängigen Büroflächen kann dabei bereits durch verschiedene Maßnahmen wie einer gezielten Repositionierung und ohne eine umfassende Kernsanierung realisiert werden. Bei einem Refurbishment und Repurpose wird hingegen umfangreich in die Gebäudestruktur und -technik eingegriffen. Denkbar sind Umnutzungen von Büroimmobilien z.B. in Wohnimmobilien, in Flächen für Bildung und Kultur oder in Rechenzentren. Hier muss Objekt für Objekt vorgegangen werden, denn es muss jeweils geprüft werden, was technisch und baurechtlich möglich ist. Die vierte Option – Rebuild bzw. Abriss und Neubau, ist vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit schwierig und sollte nur als letzte Option in Betracht gezogen werden.

Gemeinsam für eine starke Zukunft und ein starkes Berlin
Die Studie zeigt, der Berliner Büromarkt steht vor zahlreichen Herausforderungen und strukturellen Veränderungen. Um diesen begegnen zu können, muss in den kommenden Jahren erheblich in die Modernisierung und Nachhaltigkeit von Büroimmobilien investiert und durch kluge und innovative Ideen die Umnutzung von Gebäuden vorangetrieben werden. Dazu bedarf es der gemeinsamen Anstrengung aller Marktteilnehmer - von Projektentwicklern, Bestandshaltern, Finanzierern, Mietern und Nutzern sowie der Politik.
Dabei stehen ihnen mit der Immobilienberatungsgesellschaft Colliers und der Berliner Sparkasse als größtem Finanzierer gewerblicher Immobilien in Berlin zwei starke und in der Region tief verwurzelte Partner mit ihrer Expertise zur Seite.

 

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Berliner Sparkasse
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2024

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