Nachverdichtung durch gemischt genutzte Wohn- und Geschäftshäuser
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt europäischer Großstädte ist weiter angespannt. Auch in den besonders stark nachgefragten zentralen Lagen großer Metropolen kann neuer Wohnraum geschaffen werden, von dem Bewohner, Gewerbetreibende, Investoren und die Umwelt profitieren: durch Abriss wenig flächeneffizienter eingeschossiger, meist als Einkaufsmärkte genutzter Gebäude mit großen Parkplätzen und Neubau von gemischt genutzten Wohn- und Geschäftshäusern. Die Trei Real Estate nutzt dieses Flächenpotential bei insgesamt 20 Projekten in Deutschland, Polen und Tschechien.
Wohnen und Gewerbe innerhalb eines Gebäudes zu kombinieren, war bereits vor der Industrialisierung städtebaulicher Standard in Europa. Das Erscheinungsbild der meisten historischen Zentren ist bis heute davon geprägt. Die Industrialisierung sorgte einst für unerträgliche Lebensverhältnisse in den großen Städten: Es wurde laut, eng und unhygienisch. Es entstand das Bedürfnis, störempfindliche Nutzer von störungsverursachenden Nutzern räumlich zu trennen.
Der Wandel zur postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft, das steigende Umweltbewusstsein und technologische Errungenschaften zur Senkung von Lärm- und Schadstoffemissionen führten in der Stadtplanung schließlich zum Umdenken: Man sehnte sich wieder zurück zur vielfältigen kompakten Stadt mit kurzen Wegen.
Effizienzreserven in innerstädtischen Lagen
In vielen innerstädtischen Bereichen bieten der Abriss in die Jahre gekommener Supermärkte und der Neubau von gemischt genutzten Wohn- und Geschäftshäusern die Chance, dem neuen Leitbild der kompakten Stadt näherzukommen. Die meist eingeschossigen Objekte stammen teils noch aus den 1970er und 1980er Jahren, sind oft sanierungsbedürftig und entsprechen nicht mehr den Anforderungen des modernen Einzelhandels. Die Grundstücke, auf denen sie sich befinden, können durch kombinierte Wohn- und Geschäftshäuser deutlich effizienter genutzt werden. Anders als bei reinen Wohnbauten, bei denen die Erdgeschosswohnungen oft schwerer oder mit Preisabschlägen an den Mieter bzw. Eigentümer zu bringen sind, können Investoren stärker von den höheren Erträgen der ebenerdig gelegenen Einzelhandelsflächen profitieren. Die neuen Bewohner wohnen zentral und können ihre Besorgungen auf kurzen Wegen erledigen. Und auch die Umwelt profitiert: Verdichten ist nicht gleich Versiegeln. Der Anteil von Grün- und Freiflächen in der Stadt bleibt unverändert, und in die Höhe zu bauen senkt den Flächenverbrauch.
Das Potenzial für zusätzliche Wohnungen in zentralen Lagen ist hoch. In Berlin schätzt beispielsweise die Wohnungsbauleitstelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dass es 330 eingeschossige Einzelhandelsimmobilien gibt, die durch mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt werden können. Das entspricht in etwa 20.000 bis 30.000 zusätzlichen Wohnungen. Nach Berechnungen des Berliner Senats beträgt der Neubaubedarf in der Stadt bis 2030 rund 200.000 Wohnungen. Allein in Berlin könnten so 10 bis 15 Prozent des Neubaubedarfs durch Neubebauung der Supermarktgrundstücke gedeckt werden. Auch der politische Wille ist vorhanden: Im Koalitionsvertrag zur Bildung der Berliner Landesregierung soll das Ziel, jährlich 20.000 neue Wohnungen fertigzustellen, explizit und vorzugsweise durch „verträgliche Nachverdichtung, Aufstockung, Transformation und Nutzungsstapelung“ erreicht werden.
Trei baut auf 20 Supermarktgrundstücken
Allein in Berlin realisiert die Trei Real Estate sieben Projekte, bei denen eingeschossige Supermärkte durch Wohnhäuser mit integriertem Nahversorger ersetzt werden. Eines davon in der Pappelallee im Prenzlauer Berg ist seit Dezember 2020 abgeschlossen, zwei weitere an der Fürstenberger Straße und der Winsstraße stehen kurz vor der Fertigstellung. In Wiesbaden errichtet die Trei Studentenapartments der Marke Quartillon über einem Supermarkt an der Dotzheimer Straße. Auch in Tschechien und Polen setzt die Trei zehn bzw. zwei Projekte auf Supermarktgrundstücken um. Dabei verbindet die Trei zwei ihrer Kernkompetenzen: Als Immobiliengesellschaft des Einzelhandelskonzerns Tengelmann war das Unternehmen lange fast ausschließlich auf die Nutzungsart Einzelhandel fokussiert. Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung hat sich die Trei seit dem Jahr 2016 verstärkt den Wohnimmobilien zugewendet.
Bauliche Herausforderungen
Allerdings müssen Einzelhandelsimmobilien in der Regel zunächst abgerissen werden, um deren Grundstücke anschließend dichter bebauen zu können. Denn die Baustatik von eingeschossig konzipierten Gebäuden lässt in der Regel keine Aufstockungen zu. Sie wurden zudem so geplant, dass der Nutzer eine möglichst große ebenerdige freie Fläche zum flexiblen Ausbau nach eigenen Ansprüchen und Vorstellungen erhält. Stützen oder tragende Zwischenwände sind aus Gründen der Statik bei mehrstöckigen Gebäuden unverzichtbar, waren bei den Flachbauten aber weder erwünscht noch in allzu hoher Zahl notwendig. Nachträglich tragende Elemente einzufügen, um das Gebäude aufstocken zu können, wäre im Vergleich zum Abriss und Neubau unwirtschaftlich.
Die unterschiedlichen Grundrissanforderungen von Einzelhändlern und Wohnungsmietern bzw. -eigentümern an die Immobilie machen auch den Neubau zur Herausforderung. Der Einzelhandel benötigt große Flächen, möglichst ohne störende Säulen oder Zwischenwände, und er legt keinen allzu großen Wert auf große Fensterflächen. Die Bewohnerschaft benötigt dagegen eine kleinteilige Raumaufteilung und bevorzugt viel Tageslicht und kurze Zugangswege. In ihrer Privatsphäre und ihrem Sicherheitsempfinden möchte sie möglichst ungestört sein und teilt Hauseingänge, Treppenhäuser und Fahrstühle nur ungern mit allzu vielen anderen Bewohnern oder gar Kunden und Lieferanten des Einzelhändlers. Zumindest teilweise können diese unterschiedlichen Ansprüche gestalterisch gelöst werden: Das klassische Rechteck für den Einzelhandel im Erdgeschoss kann für möglichst flach ausgeführte Eingangsbereiche und Treppenhäuser für die Bewohner unterbrochen werden oder die Ecken werden für die Erschließungswege zu den Wohnungen verwendet.
Als Gebäudehöhe haben sich fünf bis sechs Geschosse in der Praxis von Architekten und Stadtplanern als guter Kompromiss erwiesen. Wird höher gebaut, sind durch die gegenseitige Verschattung der Gebäude höhere Abstandsflächen notwendig und die Flächeneffizienz geht in ähnlichem Maße zurück wie bei Gebäuden mit weniger als fünf Geschossen. Der Preis für die Mehrgeschossigkeit ist wiederum eine Mindestanzahl von Stützen auf der Einzelhandelsfläche. Die Lärmbelästigung durch den Lieferverkehr lässt sich zwar nicht vollständig vermeiden, aber durch Berücksichtigung im Gebäudeentwurf und durch technische Lärmschutzmaßnahmen für die Bewohner zumindest so weit minimieren, dass er ähnlich wie die Lärmemissionen durch den ÖPNV nicht sonderlich störend, sondern eher als normaler Teil der urbanen Geräuschkulisse wahrgenommen wird. Die Bewohner werden dafür immerhin durch die kurzen Versorgungswege und den schnellen Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sozusagen entschädigt. Ein Kompromiss zwischen dem Eigentümer und den Nutzern muss auch für die Frage der Parkplätze gefunden werden. Im Idealfall werden die ebenerdigen Parkplätze in den Untergrund verlagert und über Fahrstühle und Rolltreppen an das Gebäude angeschlossen. Das erhöht allerdings die Baukosten erheblich. Zu regeln ist außerdem eine Trennung von Kunden- und Bewohnerparkplätzen. Ein erhöhter Aufwand entsteht auch für die Erfüllung von Brandschutzauflagen, insbesondere wenn so verschiedene Nutzungen wie Tiefgarage, Einzelhandel und Wohnen in einem Gebäude miteinander kombiniert werden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von TREI Real Estate
Erstveröffentlichung: IREI, Sommer 2022