Potenzial und Nutzen von städtischem Grün
Wie kann eine Stadt aussehen, deren Energiebalance ausgeglichen ist und die gleichzeitig effizient mit ihren Ressourcen umgeht? Wie muss eine Stadt gestaltet sein, die sich den Auswirkungen der Erderwärmung vorausschauend anpasst und zugleich hilft, weiteren Klimawandel zu stoppen? Wie sichert Stadtentwicklung Lebensqualität und schafft damit Raum für Familien und sich weiter ausdifferenzierende Lebensstile? Fragen, auf die städtisches Grün Antworten geben kann. Denn lebendiges Grün leistet einen wichtigen Beitrag zur zukunftsgerechten Entwicklung der Städte.
Das hat auch die aktuelle Bundesregierung erkannt und setzt aktuell neue Akzente im Städtebau. Erstmals wird dabei besonders das Thema Grün in der Stadt stärker berücksichtigt. Schließlich werden 40 Prozent der deutschen Treibhausgase im Gebäudebereich erzeugt und 80 Prozent der Energie und Ressourcen in Städten verbraucht. So ist die Entscheidung des Bundesbauministeriums, einen Schwerpunkt auf Investitionen in Klimaschutz und Stadtentwicklung zu legen, deshalb nur konsequent. Von 2016 bis 2018 sind insgesamt 859 Millionen Euro alleine für diese beiden Bereiche im Haushalt des BMUB vorgesehen – der damit auf 4,05 Milliarden Euro anwächst.
Überdies werden demografische Veränderungen den steigenden Zuzug in die Städte noch weiter befördern und damit einhergehend auch zwangsläufig die Flächenversiegelung in den städtischen Ballungsgebieten. Deshalb ist es umso wichtiger, urbane Lebensräume zu entwickeln, denen sowohl eine ökologische als auch soziale Qualität innewohnt, die aber auch ökonomisch funktionsfähig bleiben. Ein für alle Städte zutreffendes Leitbild kann es nicht geben – zu unterschiedlich sind die finanziellen und strategischen Möglichkeiten zwischen wachsenden und schrumpfenden Städten, zwischen solchen, die in Ballungsräumen liegen, oder in zersiedelter Lage.
Grün in der Stadt – städtische Grünflächen und gemeinschaftlich genutzte Gärten
Inwieweit können nun städtische Grünflächen bei der Bewältigung der Herausforderung, denen sich die Städte zukünftig ausgesetzt sehen, helfen. Grundsätzlich übernehmen Gärten und Grünflächen in den Städten vielfältige Aufgabe – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Sie reichern die Luft mit Feuchtigkeit an und fangen Regenwasser auf, das sonst ungenutzt in die Kanalisation fließen würde. Sie können das Stadtklima positiv beeinflussen, extreme Temperaturen ausgleichen und Feinstäube binden. Auch Insekten und andere Stadtbewohner haben etwas von den Grünflächen und Gärten, da die vielfältige Vegetation zum Erhalt von Sortenvielfalt und Biodiversität beiträgt.
Aus sozialpolitischer Sicht beleben insbesondere städtische Grünflächen den öffentlichen Raum und schaffen neue Orte der Begegnung und des Austauschs. Parks und Grünflächen haben deshalb eine wichtige Bedeutung für das städtische Zusammenleben. Denn die Akzeptanz für gepflegte städtische Grünflächen innerhalb der Stadtbevölkerung ist hoch. Nebenbei und auch gezielt entstehen praktische Lernorte für Kinder und Jugendliche. Die Nutzung dieser Grünflächen ist zudem eine aktive Auseinandersetzung und Einmischung in die Gestaltung der Stadt. Denn grundsätzlich fühlen sich Menschen in grünen Städten wohler und gesünder. Öffentliche Grünräume, die als Treffpunkt für Spiel und Sport dienen, nehmen hier eine besonders wichtige Funktion ein – zu Integration und zur Erhöhung der Lebensqualität. Dies bestätigt nicht zuletzt die Forsa-Umfrage aus dem November 2014, in der sich eine deutliche Mehrheit der Bürger dagegen aussprach, dass Grünanlagen von Einsparungen in kommunalen Haushalten ausgenommen werden sollen. Denn für immer mehr Menschen ist echtes Grün inzwischen unverzichtbar für eine gute Atmosphäre und ein höheres Wohlbefinden im öffentlichen, gewerblichen und privaten Umfeld.
Grün in der Stadt: Mehr als nur Parks
Beispiel 1: Vertikale Gärten, „Living Walls“
Die Verwendung „grüner Bauweisen“ von z.B. vertikalen Gärten oder Dachund Fassadenbegrünung wird in Zukunft eine größere Rolle in der Stadtentwicklung und Stadtplanung einnehmen. Denn aufgrund der dichten Bebauungssituation in den Innenstädten sind diese „grünen“ Technologien oft die einzige Alternative um neue Vegetationsflächen im Stadtbild zu integrieren. So können vertikale Gärten ohne den Verbrauch von Grund und Boden geplant und gebaut werden. Überdies ist unstrittig, dass vertikale Vegetationsflächen in den „Häuserschluchten“ für bessere Luft sorgen können. Planerisch geht es dabei nicht nur um ästhetische Aspekte, sondern vielmehr um Nachhaltigkeit und Lebensqualität in den Städten. Vertikale Begrünungen stellen gleichzeitig einen neuen Lebensraum für Fauna und Flora sicher und somit auch die Artenvielfalt in der Stadt.
Beispiel 2: Grüne Dächer in der Stadt
Dass Dach- und Fassadenbegrünung mehr als nur ein Trend ist, zeigen die Metropolen Südostasiens, wo die grünen Technologien fester Bestandteil der Stadtplanung und -entwicklung sind und gezielt eingesetzt werden. Aber auch in Deutschland lohnt sich die Anlage von Dach- und Fassadengrün. Die KfW-Bank hat 2014 beispielsweise die Förderung der Dachbegrünung in ihr Förderprogramm „Energieeffizient Sanieren“ aufgenommen. Überdies fördern einige Städte und Kommunen die Dach- und Fassadenbegrünung durch verschiedene Subventionsmodelle. So müssen z.B. die Besitzer von begrünten Dächern in vielen Regionen deutlich weniger Niederschlagswassergebühren bezahlen. Denn: Als „grüne“ Technologien leisten begrünte Dächer- und Fassaden einen wirksamen Beitrag zum Regenwassermanagement in Siedlungsräumen. Sie kompensieren die Flächenversiegelung, reinigen das Regenwasser, speichern bzw. verdunsten ganz oder teilweise die Niederschläge und entlasten dadurch die Kanalisation. Grüne Bauweisen leisten aber nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum Regenwassermanagement, sie sorgen auch für ein angenehmeres Stadtklima.
Angesichts des beschränkten Raumes in den Städten wird die Nutzung von naturnahem Wohnraum immer wichtiger – kreative Lösungen sind hier gefragter denn je. Für Bauherren und Planer bieten grüne Dächer vielfältige Möglichkeiten. Besonders multifunktional genutzte Dächer werden in Zukunft das Stadtbild moderner Metropolen prägen. So können privat genutzte Dächer mit Pflanzbeeten, Heckenelementen, Rasenflächen, Teichanlagen und ebenerdigen Gärten als zusätzlicher naturnaher Wohnraum genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist u.a. das „urban farming“. Aber auch für gewerbliche oder öffentliche Gebäude wie z.B. von Industrieunternehmen, Krankenhäusern und Pflege- und Wohnheimen können grüne Dächer als Kommunikationsplattformen und zusätzliche Begegnungsstätten dienen.
Hier kommt der Gestaltung von begehbaren Wegen und Terrassenflächen mit barrierefreien Übergängen eine besondere Bedeutung zu. Überdies wird der Bedarf nach Einrichtungen für Spiel, Sport und Spaß in Zukunft weiter wachsen. Grüne Dächer können bei Berücksichtigung der Anforderungen und Statik als Freizeitanlagen mitten in der Stadt genutzt werden. Besonders eignen sich grüne Außenanlagen auf Dächern von Kindertagesstätten, die aufgrund des Platzmangels immer öfter in die Planung mit einbezogen werden. Die Themen Lebensqualität und multifunktionale städtische Infrastruktur in der Stadt werden in Zukunft immer wichtiger. Grün kann hier eine entscheidende Rolle spielen und wichtige Funktionen übernehmen.
Die Stadt der Zukunft ist grün
Wir brauchen in unseren Städten und Gemeinden einen politischen Willen und höhere Prioritäten für mehr lebendiges Grün. Denn Grün sichert unsere Lebensgrundlage. Es gilt deshalb, heute die Weichen für die Stadt der Zukunft zu stellen. Gerade Politik und Verwaltung wissen um die Bedeutung von nachhaltiger Stadtentwicklung. Sie wird bisher aber viel zu einseitig diskutiert und auf technische Lösungen zur Energieversorgung reduziert. Das darf nicht sein, denn nur Städte mit lebendigem Grün sind echte grüne Städte!
Städte brauchen ein grünes Gesicht. Die Charta „Zukunft Stadt und Grün“ zeigt das Potenzial und den Nutzen von städtischem Grün auf. Denn Stadtgrün ist nicht nur schön anzusehen, es schafft einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Mehrwert.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e. V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015