28.09.2022

Spannungsfeld Wohnungsmarkt

Hintergründe der angespannten Wohnungsmärkte und die Rolle des Zeitwohnens

Jan Hase, CEO und Co-Founder, Wunderflats GmbH
Jan Hase

Eigentlich ist es jedem klar: alle Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. Oftmals wird sogar von dem „Menschenrecht auf Wohnen“ gesprochen. So selbstverständlich es in einem Industrieland sein sollte, dass allen Wohnraum zur Verfügung steht, so selbstverständlich hat sich die politische Diskussion um Stadtentwicklung und Mietenregulierung immer weiter verschärft. Inzwischen sollen in Berlin große gewerbliche Vermieter sogar enteignet werden.

Auch Zeitwohnen wird regelmäßig angeführt und mit für fehlenden oder zu teuren Wohnraum verantwortlich gemacht. Und es stimmt ja auch, jede Wohnung, die Zeitwohnende nutzen, steht dem regulären Mietmarkt erst einmal nicht zur Verfügung. Doch sollte Zeitwohnen zum einen nicht mit touristischer Ferienvermietung verwechselt werden sowie zum anderen die Zielgruppe des Zeitwohnen einmal genauer betrachtet werden. Es handelt sich dabei zum Großteil um dringend benötigte ausländische Fachkräfte und Studierende sowie um Geflüchtete und Opfer von Naturkatastrophen, die eine temporäre Unterkunft benötigen.

Der Preis des Mietens - "Wahnsinn" oder "Markt"?

Zunächst die Fakten: Positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den letzten Jahren, steigende Baukosten, Zuzug, gestiegene Flächenverbräuche und die Sogwirkung von Großstädten haben trotz dämpfender Effekte der Corona-Pandemie zu stark steigenden Mieten in Deutschland geführt. Dabei haben sich die Angebotsmieten in einigen Großstädten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, während sich die Mieten in weniger nachgefragten Lagen unterhalb der Inflation entwickelten und damit sogar günstiger wurden.

Gerade in der politischen Debatte existieren beim Thema „Preis des Wohnens“ allerdings meist nur zwei kaum verrückbare Positionen. Entweder wird von „Mietenwahnsinn“ und der Vergesellschaftung des Wohnraums zur Wahrung des Menschenrechts Wohnen gesprochen oder auf den entstandenen Nachfrageüberhang in angespannten Wohnlagen verwiesen, der ohne eine - bislang ausbleibende - starke Ausweitung von Neubauaktivitäten zu steigenden Preisen führen muss.

Bei differenzierter Betrachtung ist zu erkennen, dass sich beide Positionen durch Daten erklären lassen: So haben sich einerseits die Angebotsmieten in Berlin seit 2010 mehr als verdoppelt; im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Angebotsmiete bei 12,50 Euro/qm. Andererseits rangiert Berlin als internationale Metropole im Ranking der Bestandsmieten in deutschen Städten nicht einmal unter den Top 50 und erreicht die selbstgesteckten Neubauziele meist nicht. In Ballungsgebieten herrscht daher oftmals ein zweigeteilter Mietmarkt: diejenigen mit alten Mietverträgen profitieren von günstigen Bestandsmietverträgen, die dank Mietpreisbremse auch nur langsam auf Marktniveau gehoben werden können. Zuziehende und Menschen, die aufgrund von Familie, Trennung oder Alter die Wohnung wechseln müssen, stehen jedoch oft vor finanziell kaum zu bewältigenden Herausforderungen – sofern sie denn bei durchschnittlich 137 Anfragen pro inserierter Wohnung in Berlin überhaupt die Chance auf eine Anmietung erhalten.

Möbliertes Wohnen – traumhafte Flexibilität oder alptraumhafte Preise?

In solchen Fällen kommt das Zeitwohnen ins Spiel. In den vergangenen Jahren ist das Angebot von möblierten Wohnungen in Ballungszentren stark gestiegen. In Hamburg und Berlin wird bereits jede dritte, in Stuttgart jede zweite Wohnung möbliert angeboten, meist mit Befristung. Auch die Mietpreise sind beachtlich: die durchschnittliche Monatsmiete für über Wunderflats in Deutschland vermittelte Wohnungen beträgt 1.497 Euro bei einer Mietdauer von durchschnittlich 4,5 Monaten. Im Vergleich zu den Marktmieten regulärer Wohnungen stiegen die Preise für möblierte Wohnungen mit 78,2% in den letzten 15 Jahren deutlich stärker als die Mieten regulären Wohnraums mit 30,6%.

Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Angebotsentwicklung aufgrund der steigenden Nachfrage nach der Wohnform „Zeitwohnen“ erfolgt. Hauptnachfragende für Zeitwohnen sind ausländische Fachkräfte und Studierende. Aber auch Opfer von Naturkatastrophen und Geflüchtete benötigen mangels eigener Wohnungsausstattung oftmals eine möblierte Unterkunft für wenige Monate. Ferner kann eine Inklusivmiete für eine möblierte Wohnung nicht mit einer Kaltmiete einer regulären Mietwohnung verglichen werden. Kosten für Möblierung, Internet, Reinigung sowie weitere Services werden im Mietpreis berücksichtigt. Auch muss insgesamt festgehalten werden, dass der Anteil an Wohnungen, die für Zeitwohnen genutzt werden, weiterhin äußerst gering ist. In Berlin werden beispielsweise von insgesamt 1,9 Millionen Wohnungen lediglich 65.000 für Zeitwohnen genutzt. Somit spiegelt der hohe Anteil der möbliert angebotenen Wohnungen weder den „Schattenmarkt“ der regulären Vermietung sowie die Tatsache, dass möblierte Wohnungen mehrfach pro Jahr vermietet werden, wider.

Lösungsansätze

Eine naheliegende Strategie zur Entlastung der angespannten Wohnungsmärkte könnte die Vergrößerung des Angebots sein. Dabei gilt es jedoch nicht – wie oft zu beobachten – am Bedarf vorbei zu bauen. Es braucht bezahlbaren Wohnraum für die Mitte der Gesellschaft, nicht noch mehr zweigeschossige Penthäuser. Aktuell wird der Neubau jedoch durch die teilweise enormen Preissteigerungen stark gehemmt, da zu teurer gebaute Wohnungen zwangsweise zu nicht leistbaren Mieten führen.

Auch wird ein modernes Mietrecht für moderne Mietmärkte benötigt. Mietenregulierung dient dem Ausgleich zwischen ungleich mächtigen Marktteilnehmern. Es braucht eine Novelle des Mietrechts, die das Verhältnis von Vermieter und Mieter auf Augenhöhe gewährleistet, verschiedene Mietmodelle abbildet und dabei die richtige Balance zwischen Markteingriff und Effizienz findet. Ein wichtiger Aspekt im Zeitwohnen-Bereich ist dabei die Transparenz. Die ohne Frage teilweise hochpreisig wirkenden Angebote sollten durch transparenten Ausweis der Kostenpositionen vergleichbarer gemacht werden. Das schafft Vertrauen für Mietende und verhindert unseriöse Angebote. Im Sinne der Nachhaltigkeit könnte zusätzlich auch der Ausweis des Energieverbrauchs der Wohnung im Sinne einer CO2-Ampel erfolgen.

Auf regulierender Ebene ist es weiterhin wichtig, zu verhindern, dass Wohnraum der für reguläre unbefristete oder befristet möblierte Vermietung genutzt werden kann, für touristische Zwecke missbraucht wird. Dies führt zu einer unnötigen Verknappung des Wohnraums bei gleichzeitiger Schwächung der Tourismusbranche. Als Abgrenzungskriterien zwischen touristischer Ferienwohnungsvermietung und befristeter Vermietung eignen sich dabei bspw. die Verlegung des Wohnsitzes, eine Mindestmietdauer, der Abschluss eines regulären Mietvertrags sowie monatliche Zahlung der Miete.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Wunderflats GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2022

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