Wie können Einkaufszentren weiterhin erfolgreich sein?
Die mit COVID-19 verbundenen Geschäftsschließungen haben die teilweise prekäre Lage des Einzelhandels ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Erste Insolvenzen sowie eine Vielzahl von Hilferufen in den Medien machen auf die Not der Einzelhändler aufmerksam. Vor diesem Hintergrund haben auch erste Finanzierungsinstitute medienwirksam verkündet, keine Neufinanzierungen von Einzelhandelsimmobilien mehr durchzuführen. Daraus resultiert die Frage, ob Shopping-Center nach der Pandemie eine Zukunft haben, und wenn ja, welche.
Die Analyse der stationären Einzelhandelsumsätze in Deutschland zeigt seit dem Jahr 2000 ein durchschnittliches Wachstum von 0,7 %.2 Wenn man der Umsatzsteigerung die allgemeine Preissteigerung gegenüberstellt, wird deutlich, dass die Verbraucherpreise zwischen 2000 und 2019 um durchschnittlich 1,5 % p.a., und damit deutlich stärker gestiegen sind. Daraus resultiert ein realer Umsatzrückgang des stationären Einzelhandels zwischen 2000 und 2019 von rund 14 %.
Erschwerend für die Profitabilität der einzelnen Geschäfte kommen zu den real sinkenden Umsätzen steigende Verkaufsflächen: Zwischen 2000 und 2019 ist die Verkaufsfläche in Deutschland um rund 15 % gestiegen.3 Wenn man nun die Umsätze des stationären Einzelhandels auf die Verkaufsfläche bezieht, zeigt sich zwischen den Jahren 2000 und 2019 ein Rückgang von real rund 25 %.
Als Treiber des Produktivitätsverlustes kann eindeutig der E-Commerce identifiziert werden. Die Onlineanteile sind zwischen 2000 und 2019 um durchschnittlich 22,3 % p.a. gewachsen. Während im Jahr 2000 rund 0,3 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes durch E-Commerce erwirtschaftet wurden, lag der Umsatzanteil 2019 bei rund 10,9 %.4
Dabei gibt es zwischen den einzelnen Branchen massive Unterschiede. Während die E-Commerce-Umsätze im Lebensmittelbereich nach wie vor nur bei rund 2,5 % liegen, werden in den Sektoren Mode und Consumer Electronics E-Commerce-Anteile von 30 % und mehr generiert.
Diese ungleiche Verteilung hat logischerweise massive Auswirkungen auf die tatsächliche Verteilung der Flächenproduktivität. So kann davon ausgegangen werden, dass die Flächenproduktivität insbesondere in den Bereichen mit hohen E-Commerce-Anteilen deutlich stärker gesunken ist.
Vor dem Hintergrund der steigenden E-Commerce-Anteile steht der stationäre Einzelhandel vor der Herausforderung, dass die Kunden zunehmend für den stationären Einzelhandel begeistert werden müssen.
Um die Kunden zu begeistern, ist es in erster Linie relevant, ihre Bedürfnisse im Detail zu verstehen. Lange Zeit wurden Innenstädte und Shopping-Center auf einen möglichst hohen, möglichst internationalen Modeanteil ausgerichtet, da dies als Garant für eine hohe Anziehungskraft galt. Ergänzend dazu wurde seit den 2000er Jahren versucht, die Aufenthaltsqualität durch mehr und besser platzierte Gastronomieangebote zu verbessern.
Die aktuellen Bedürfnisse der Konsumenten entwickeln sich jedoch laufend weiter. Sie erwarten immer stärker ein Erlebnis, das über den reinen Konsum hinaus geht.
Das Konzept des „Naturmode“-Anbieters Deerberg beinhaltet ganz bewusst den Aufenthalt im Ladengeschäft, in dem Kunden gerne verweilen, einen Kaffee trinken und eine Zeitschrift lesen sollen.5 Ein anderer Anbieter, der schon seit Jahren konsequent auf Erlebnis setzt, ist Globetrotter. Das Unternehmen bietet in den Ladengeschäften neben Neuware unter anderem auch Ausrüstungsverleih, aufbereitete gebrauchte Ware und Impfberatungen an.6
Eine Konsumentenbefragung nach Anlässen für den vermehrten Einkauf im stationären Einzelhandel zeigt, dass Kunden mit einer Zustimmungsquote von mehr als 40 % die folgenden Gründe angeben:
Ein umfassendes Omni-Channel-Angebot der Einzelhändler kann zur Erfüllung eines Großteils der oben genannten Wünsche führen. Digitale Portale, die klar zeigen, welche Artikel zu welchem Preis wo direkt verfügbar sind, idealerweise mit der Option zur Reservierung, führen dazu, dass die oben genannten häufigen Kundenwünsche befriedigt werden.
Für die Eigentümer (und Finanzierer) von Einzelhandelsimmobilien ist es inzwischen unabdingbar, das Einzelhandelskonzept insgesamt, aber auch das Konzept und die Zukunftserwartungen der einzelnen Mieter zu verstehen. Eine detaillierte Analyse des aktuellen Konzeptes sowie der historischen Umsatzentwicklung der einzelnen Mieter sollten Ausgangslage jeder Betrachtung sein. Weiterhin ist es unerlässlich, die Zukunftschancen des Konzeptes insgesamt, aber auch des Konzeptes am Standort realistisch einzuschätzen. Darauf aufbauend ist es möglich, den zukünftigen Flächenbedarf im Objekt detailliert zu beurteilen und für zukünftig mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr benötigte Einzelhandelsflächen sinnhafte Alternativnutzungen zu analysieren.
Eine frühzeitige Analyse ermöglicht die realistische Einschätzung von nachhaltig erzielbaren Mieteinnahmen und die Beurteilung der notwendigen Planungs- und Umbaukosten. Zudem bieten frühzeitige Untersuchungen die Möglichkeit, die gegebenenfalls notwendigen Änderungen im Planungsrecht umzusetzen, bevor die Immobilie leer steht.
Es ist zu erwarten, dass aufgrund der teilweise stark rückläufigen Flächenproduktivitäten massive Konsolidierungen einzelner Branchen eintreten werden. Allerdings zeigen die Analysen deutlich, dass die Ursache der aktuellen Entwicklung nicht die COVID-19-Pandemie, sondern das anhaltende Wachstum des E-Commerce ist. Umso wichtiger ist es, die jeweiligen Immobilien im Detail zu verstehen, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen. So können Leerstände vermieden und Cashflows langfristig gesichert werden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPMG
Erstveröffentlichung: KPMG Real Estate Bulletin, Das Fachmagazin für die Immobilienwirtschaft, Frühjahrsausgabe 2021