04.06.2019

Sehenden Auges gegen die Wand

Grundsteuerreform ist verfassungswidrig

Dr. Peter H. Eggers, Partner, Baker Tilly GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Peter H. Eggers

Die Politik will in die reformierte Grundsteuer unbedingt eine „Wertkomponente“ einfügen und die Abgabe damit sozial gerechter machen. Dies ist jedoch nicht mit den Vorgaben von Grundgesetz und Rechtsprechung vereinbar. Schlimmstenfalls kann die Steuer bald gar nicht mehr erhoben werden.

Wird der Gesetzgeber mit der Reform der Grundsteuer gegen die Wand fahren? Derzeit sieht es ganz so aus. Eine Bemessung der Grundsteuer, die den Wert der Immobilie stärker berücksichtigt, wird über kurz oder lang wieder vom Verfassungsgericht gekippt werden. Denn eine stärkere Koppelung an den Wert ist nicht mit den Vorgaben von Grundgesetz und Rechtsprechung vereinbar. Dennoch haben sich die Finanzminister von Bund und Ländern im Februar 2019 auf einen Reformvorschlag geeinigt, der ein wertabhängiges Modell zur Ermittlung der Grundsteuer vorsieht. Das Hauptargument der Befürworter: Die Grundsteuer soll künftig „sozial gerechter“ sein und Höhe der Miete sowie den Wert der Immobilie stärker berücksichtigen.

Dem entgegen steht das Grundgesetz. Dort regeln die Artikel 105 und 106, dass ein „steuerbegründender Tatbestand“ nicht doppelt besteuert werden darf. Genau dies würde jedoch passieren, wenn eine wertabhängige Komponente im Grundsteuerrecht eingeführt würde. An den Wert der Immobilie knüpft bereits die Vermögensteuer an (auch wenn sie derzeit nicht erhoben wird), an die Mieterträge knüpft die Einkommensteuer des Vermieters an. Beide Steuerarten entfalten eine steuerrechtliche Sperrwirkung. Aber beide Messgrößen fließen – zusammen mit anderen Parametern – auch in die neue Grundsteuer nach dem Modell des Bundesfinanzministers ein. Anders ausgedrückt: Im Gewand der neuen Grundsteuer würde eine Art zweite Vermögen- und Einkommensteuer eingeführt. Dies wäre eine Doppelbelastung, die nicht mit der Verfassung vereinbar ist.

Problematisch ist eine weitere Vorgabe des Verfassungsgerichts: Die Grundsteuer ist eine Äquivalenzabgabe. Das heißt, der Steuerzahler bekommt für seine Geldleistungen äquivalente Leistungen von der Kommune – etwa in Form von Straßen, Telefonnetz, Schulen, Kultur- und Sportstätten. Die neue Grundsteuer muss bei der Bemessung diesem Ziel und Zweck der Besteuerung Rechnung tragen. Die Nutzung von kommunalen Leistungen hat jedoch nichts mit der Höhe der Miete oder dem Immobilienwert zu tun. Ein Mieter in Wohnung mit niedriger Miete nutzt die Infrastruktur genauso wie ein Mieter in einer Wohnung mit teurer Miete. Daher ist eine zu starke Berücksichtigung von Wertkomponenten nicht möglich.

Unterm Strich entspricht der Gegenvorschlag zum wertorientierten Modell – das Flächenmodell – den Anforderungen des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BFH deutlich besser. Wenn die Politik dies ignoriert, droht schlimmstenfalls ein noch größeres Problem. Wenn das neue Grundsteuergesetz wieder beim Verfassungsgericht durchfällt und die Steuer nicht mehr erhoben werden kann, drohen den Kommunen Steuerausfälle von rund 14 Mrd. Euro pro Jahr. Die Zeit drängt. Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik eine Frist bis Ende 2019 gesetzt, um die Grundsteuer neu zu regeln.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Baker Tilly Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH & Co. KG
Erstveröffentlichung: ImmobilienZeitung, April 2019

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