06.03.2015

Schriftformmängel im Mietvertrag

Seit Jahren ein strittiges Thema

Dr. Klaus Knipschild, Partner und Notar, Ernst & Young Real Estate GmbH
Dr. Klaus Knipschild

Seit Jahren ein strittiges Thema: Ein Investor erwirbt eine vermietete Immobilie – der Mietvertrag aber genügt der gesetzlichen Schriftform nicht, wobei sich die ursprünglichen Parteien zur Heilung der Schriftformmängel verpflichtet hatten. Darf der neue Eigentümer die mangelhaften Mietverträge aufkündigen?          

BGH kippt Rechtsprechung zahlreicher OLGs

Bislang lautete die Antwort vieler Oberlandesgerichte: Grundsätzlich nicht. Denn mit Blick auf die gesetzliche Schriftform (§ 550 BGB): wurde eine Kündigung von Mietverträgen durch Grundstückserwerber für treuwidrig gehalten, wenn sich die ursprünglichen Parteien des Mietvertrags verpflichtet hatten, Schriftformmängel zu heilen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun jedoch anders entschieden. Ist bei einem Mietverhältnis die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten, ist ein Grundstückskäufer trotz einer anderslautenden Klausel im Mietvertrag nicht verpflichtet, Schriftformmängel durch einen formgerechten Nachtrag zum Mietvertrag zu heilen. Der Erwerber kann den Mietvertrag vielmehr kündigen. (Urt. v. 22.1.2014 – Az. XII ZR 68/10).

Der ausschlaggebende Fall

Vermieter und Mieter schlossen am 20. September 2005 einen Mietvertrag über eine Apotheke. Vereinbart war eine Festlaufzeit von 10 Jahren mit zwei Optionen des Mieters zur Verlängerung um jeweils 5 Jahre. Der Mietvertrag enthielt die typische Schriftformheilungsklausel: Die Parteien verpflichten sich, „alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen“. Bereits kurz nach Abschluss des Mietvertrags verlangte der Mieter die Verkürzung der Festmietzeit auf 6 Jahre. Gleichzeitig sollten insgesamt drei Optionen zur Vertragsverlängerung um jeweils 5 Jahre eingeräumt werden. Der Vermieter kam dem Mieter entgegen und bestätigte diese Vereinbarung in einem entsprechenden Schreiben. Einen von beiden Parteien unterschriebenen Nachtrag zu dieser Vertragsänderung gab es nicht. Kurz darauf wurde das Grundstück veräußert. Der Erwerber, der das Mietverhältnis kraft Gesetzes (§ 566 BGB) automatisch übernahm, kündigte den Mietvertrag mit der Begründung, dass die Schriftform bei der Änderung der vertraglichen Laufzeit nicht eingehalten sei.

Der rechtliche Hintergrund

Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr müssen schriftlich geschlossen werden (§ 550 BGB). Wird die Schriftform nicht eingehalten, führt dies allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Mietverhältnisses. Vielmehr fingiert § 550 BGB in einem solchen Fall, dass es sich um ein Mietverhältnis mit unbestimmter (unbefristeter) Laufzeit handelt. Ein solches Mietverhältnis kann mit den gesetzlichen Fristen ordentlich gekündigt werden. Bei gewerblichen Räumen heißt das: zum dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ende den nächsten Kalendervierteljahres (§ 580 a Abs. 2 BGB) – damit gilt eine Frist von knapp 6 Monaten zu jedem Quartalsende.

Um die Schriftform einzuhalten, müssen die für einen Mietvertrag wesentlichen Regelungen (insbesondere Parteien, Mietobjekt, Mietzins und Mietzeit) in einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde festgehalten werden. Das Schriftformerfordernis gilt nicht nur bei Abschluss des Mietvertrages, sondern auch bei späteren Änderungen, wenn sie wesentliche Regelungen des Mietvertrages betreffen. Das war hier in dem vom BGH zu entscheidenden Streit der Fall.

Warum überhaupt ein Schriftformerfordernis?

Das Schriftformerfordernis soll in erster Linie den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, dass er an ein Mietverhältnis gebunden wird, dessen genauen Inhalt er nicht kennt – eben weil der bisherige Eigentümer/Vermieter mit dem Mieter bestimmte Regelungen nur mündlich getroffen hat. Der Erwerber/Investor kann die betreffenden Inhalte daher bei der Prüfung der Mietvertragsunterlagen (zum Beispiel im Rahmen einer rechtlichen Due Diligence) nicht erkennen. Der Schutz eines Käufers als Hauptzweck des § 550 BGB wird vom BGH auch in dem oben dargestellten Fall noch einmal hervorgehoben. Heilungsklauseln sind daher laut BGH für den Käufer nicht bindend – denn dies widerspräche besagtem Hauptzweck des Schriftformerfordernisses, den Käufer zu schützen. Der BGH hat allerdings ein kleines Hintertürchen zu Gunsten des Mieters für den Fall offengelassen, dass dem Erwerber die Vereinbarung, bei der das Schriftformerfordernis nicht eingehalten wurde, vor dem Erwerb bekannt war. Hier sei es im Einzelfall denkbar, dass eine Kündigung des Erwerbers rechtsmissbräuchlich sei. Obwohl das BGH-Urteil einen Hinweis darauf enthält, dass auch hier dem Erwerber zumindest das Schreiben des Vermieters bekannt war, in dem die besprochenen Änderungen festgehalten waren, sah der BGH die Voraussetzungen für einen solchen Rechtsmissbrauch hier offensichtlich als nicht erfüllt an. In den Urteilsgründen wurde allerdings nicht näher darauf eingegangen.

Die wirtschaftliche Bedeutung

Der Einhaltung der Schriftform kommt aus wirtschaftlicher Sicht eine überragende Bedeutung zu. Denn Investoren sind bei einer Grundstückstransaktion in der Regel nicht daran interessiert, ein bloßes Grundstück oder Gebäude zu erwerben, sondern daran, die bestehenden Mietverhältnisse zu übernehmen. Sie sind es, die dem Investor über die laufenden Mietzahlungen einen regelmäßigen und stabilen Cash-flow bringen sollen. Je länger die Restlaufzeit und die Höhe des Mietzinses sind, desto größer ist das Interesse des Investors, dass sich der Mieter nicht unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig (mit oben dargestellter 6-Monats-Frist) vom Mietvertrag lösen kann. Aber auch Mieter haben oftmals ein Interesse daran, dass langfristige Mietverträge vom Vermieter nicht unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig gekündigt werden. Dies gilt beispielsweise dann, wenn der Mieter umfangreiche Investitionen in das Mietobjekt getätigt oder einen besonders günstigen Mietzins vereinbart hat. Gerade bei Industrieunternehmen gilt: Betreibt der Mieter umfangreiche Produktionsanlagen, wird eine Standortverlagerung häufig nicht ohne großen finanziellen und möglicherweise auch bürokratischen Aufwand (zum Beispiel umweltrechtliche Genehmigungen am neuen Standort) möglich sein.

Fazit und Ausblick

Der BGH stellt noch einmal klar, dass das Schriftformerfordernis bei Mietverträgen künftige Käufer schützen soll – sie müssen in der Lage sein, die relevanten Inhalte bestehender Mietverträge nachzuvollziehen. Eine Schriftformheilungsklausel zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien gilt somit nicht für einen späteren Käufer – die Mängel in den Verträgen hätten vorher geheilt werden müssen. Dennoch sind Klauseln zur Schriftformheilung damit (zumindest noch) nicht überflüssig. Der BGH hat ausdrücklich offengelassen, ob sich auch die ursprünglichen Parteien eines Mietverhältnisses auf die Unwirksamkeit einer solchen Klausel berufen können. In jedem Fall gilt: Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu denen in aller Regel auch die Schriftformheilungsklausel gehört, wird bei einer einheitlichen Klausel vom Grundsatz her nicht zwischen einem zulässigen und einem unzulässigem Teil unterschieden. Damit die Klausel nicht als Ganzes unzulässig wird, sollte sie zukünftig eindeutig darauf abstellen, dass sie nur zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien gilt. Bisherige Klauseln könnten zu diesem Zweck zum Beispiel um folgende Formulierung ergänzt werden: „Klargestellt wird, dass diese Verpflichtung für Erwerber im Sinne von § 566 BGB nicht gilt.“ Klauseln, die dies nicht klarstellen, sollten nicht mehr verwendet werden. Auch laufende Mietverträge sollten zur Sicherheit entsprechend angepasst werden. Offen bleibt, wie der BGH Fallkonstellationen entscheidet, in denen nicht der Erwerber kündigt, sondern sich eine Partei vom Mietvertrag lösen will, die den Mietvertrag und die Schriftformklausel selbst geschlossen hat. Ebenso bleibt abzuwarten, unter welchen konkreten Umständen die Rechtsprechung und insbesondere der BGH eine Kündigung des Erwerbers ausnahmsweise dann für rechtsmissbräuchlich hält, wenn der Erwerber vor dem Erwerb trotz Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses Kenntnis von den Änderungen des Mietvertrages hatte.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Ernst & Young Law GmbH
Erstveröffentlichung: September 2014, Ernst & Young Real Estate Trends