Prozessmodelle wie „Design & Build“ als Wettbewerbsvorteil
Die deutsche Bauwirtschaft hat in den vergangenen Jahren einen massiven Umbruch erlebt. Großkonzerne sind vom Markt verschwunden, wurden übernommen oder haben Geschäftsbereiche aufgegeben. Im Gegenzug prägt der Mittelstand noch stärker die ohnehin hohe Marktdynamik in Deutschland. Um sich gut im Markt zu positionieren, lohnt ein Blick ins angelsächsische Ausland: Gebündelte Leistungen von einem einzigen Auftragnehmer stoßen dort auf eine zunehmende Nachfrage. Die wichtigste Variante heißt „Design & Build“ – Planen und Bauen aus einer Hand.
Die Erfolgsmeldungen aus der deutschen Bauwirtschaft, getrieben insbesondere durch den Wohnungsbau in den Großstädten, ebben nicht ab. Laut einer Prognose der Unternehmensberatung Deloitte wird ein Umsatzplus in diesem Jahr von 2,7 Prozent erwartet, ein Zuwachs von 0,4 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Deutschland steht zudem mit 310 Milliarden Euro Investitionsvolumen an der Spitze in Europa. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gab in seinem Branchenbarometer von November 2017 bekannt, dass 95 Prozent der Bauunternehmen ab 20 Mitarbeitern für 2018 mit einem wachsenden oder zumindest konstanten Umsatz rechnen.
Nimmt man einen größeren Zeitraum ins Blickfeld, relativiert sich dieses Bild: Die 2016 vorgelegte Studie „Bauwirtschaft im Wandel“ von Roland Berger und der HypoVereinsbank hält fest, dass im Zeitraum von 2000 bis 2011 die Bauwirtschaft im Bundesgebiet ihre Produktivität um gerade einmal 4,1 Prozent steigerte. Zum Vergleich: Die gesamte Wirtschaft in Deutschland erzielte im selben Zeitraum einen Anstieg von elf Prozent. Branchenriesen wie Philipp Holzmann mussten entweder in die Insolvenz gehen oder trennten sich wie im Falle von Bilfinger von ihrer Bausparte.
Wettbewerbsvorteil Kompetenzbündelung
Durch diese Entwicklungen hat die mittelständische Prägung der deutschen Bauindustrie zugenommen. Aktuell erwirtschaften Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern 70 Prozent des gesamten Branchenumsatzes. Für diese kleinen und mittleren Unternehmen gilt es, ihr Geschäftsmodell kontinuierlich zu erneuern. Denn angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbs und der Flächenknappheit für Neubauten in Ballungsregionen steht die Baubranche unter einem erhöhten Innovationsdruck. Dabei fällt auf, dass die Unternehmen selbst drei Megatrends für die kommenden Jahre benennen, die auf effizientere Prozesse hinauslaufen. So rangieren den Angaben der Studie „Bauwirtschaft im Wandel“ zufolge Building Information (BIM), die Auswahl besserer Baumaterialien und der Fachkräftemangel an der Spitze der Zukunftsthemen.
Alle drei Punkte lassen sich durch interdisziplinäre Teams abdecken, die den gesamten Projektzyklus von Beginn an begleiten. Das damit verbundene Modell stammt aus dem angelsächsischen Ausland und firmiert hierzulande unter der Chiffre „partnerschaftliches Bauen“. Eine ihrer wichtigsten Varianten ist „Design & Build“, ein Modell zur Zusammenführung der traditionell getrennten Bereiche Planung und Ausführung. Mittelständische Unternehmen können sich durch den Aufbau eigener Planungsabteilungen entsprechende Kompetenzen aneignen und somit Wettbewerbsvorteile generieren. Für den Auftraggeber ergibt sich Möglichkeit, alle Leistungen von der ersten Idee bis zur schlüsselfertigen Übergabe aus den Händen eines einzelnen Auftragnehmers zu erhalten.
USA: Rund 40 Prozent aller Projekte durch „Design & Build“
Der Wegfall der Ausschreibungsphase und die Projektleitung durch einen zentralen Ansprechpartner haben sich im US-amerikanischen Bausektor bereits etabliert. Einer Erhebung des Immobiliendienstleisters RS Means zufolge stieg der Anteil der Design & Build-Projekte außerhalb von Wohnimmobilien von 29 Prozent im Jahr 2005 auf 39 Prozent im Jahr 2013. Zugleich sank der Anteil der traditionell realisierten Bauten mit getrennter Planung und Ausführung von 67 auf 52 Prozent. Auf der Seite des Auftragnehmers können im Design & Build-Verfahren ein einzelnes Bauunternehmen oder ein Joint Venture stehen. Auch Architektur- und Planungsbüros können sich durch entsprechende Verträge mit Subunternehmern in der Ausführung für Design & Build-Projekte qualifizieren.
Die Kompensationsvarianten in partnerschaftlichen Modellen setzen gemeinsame Vereinbarungen zwischen Bauherrn und Auftragnehmer voraus. Zu ihnen zählt beispielsweise der Garantierte Maximalpreis (GMP). Übersteigen die finalen Projektkosten den anfangs fixierten GMP, trägt der einzelne Auftragnehmer das volle Risiko. Im Falle einer Übererfüllung des Solls erfolgt eine Teilung der Einsparnisse zwischen den Projektparteien. Ähnlich partnerschaftlich ist das „Cost plus Fee“-Modell, das bei entsprechender Realisierung der gemeinsam getroffenen Projektvorgaben einen anteiligen Bonus für den Auftragnehmer umfasst.
Fazit: Bessere Baukultur durch partnerschaftliche Modelle
Partnerschaftliches Bauen wie bei „Design & Build“ bietet Chancen für Zeit- und Kostenersparnisse, die sich aus effizienteren Prozessen ergeben. Kompetenzen aus der Planungs-, Bau- und Betriebsphase werden frühzeitig zusammengeführt, der Bauherr hat durch ein zentrales Projektmanagement Vertragssicherheit und eine vollständige Kostenkontrolle. Für die Bauunternehmen ergibt sich eine Sicherung ihres Geschäftsmodells: Denn lokale Akteure können sich, wie auch die Studie „Bauwirtschaft im Wandel“ empfiehlt, durch gezielte Kooperationen auf Subunternehmertätigkeiten fokussieren. Nicht zuletzt wird BIM als Vernetzungsmethode für digitales Planen und Bauen Partnerschaftlichkeit befördern und somit für eine bessere, sprich konfliktärmere Prozesskultur in der deutschen Bauwirtschaft sorgen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Erstveröffentlichung: Der Bauunternehmer Februar 2018