Revitalisierung – Chancen, Trends, Herausforderungen
Revitalisierung von Brachflächen verhindert die Zersiedlung der Landschaft, schließt „Wunden“ in der Stadtlandschaft und verhindert den Verbrauch bisher unberührter Flächen. Dies ist die Sicht der Politik und der Öffentlichkeit. Für den Flächeneigentümer steht allerdings der Werterhalt bzw. die Werterhöhung seiner Immobilien im Fokus. Insofern betrachtet er die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Finanzierungsmöglichkeiten sowie städtebauliche und regionalpolitische Fragen. Vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen, des demografischen Wandels, den Anforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes, den Ansprüchen an eine moderne Stadtquartiersentwicklung sowie den Flächenbedarfen der Kommunen für Gewerbe und Logistik ergeben sich neue Herausforderungen.
Situation und Chancen
Seit einigen Jahren stellen wir ein wachsendes Interesse an urbanen Orten zum Wohnen und Arbeiten fest. Dieser Nachfrage steht im Ruhrgebiet allerdings kein ausreichend attraktives Angebot gegenüber. Der Neubau hält sich in Grenzen, der Altbestand weist Defizite in Ausstattung und Qualität auf. Parallel konstatieren wir ein Defizit an Flächen für industrielle bzw. logistische Nutzung. Eine Analyse der regionalen Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (WMR) zum gewerblichen Flächenmanagement zeigt: Der Vorrat an sofort nutzbaren Industrie- und Gewerbeflächen reicht im Ruhrgebiet nur noch für sechs Jahre. Große ansiedlungsfähige Industrieflächen fehlen schon jetzt. Allerdings gibt es genügend vorgenutzte Flächen mit Entwicklungspotenzial, die jedoch aufgrund unterschiedlicher Hemmnisse nicht genutzt werden können. Was tun?
Transparente Planung
Die technischen Möglichkeiten zur Altlastenerkundung und -beseitigung sowie die ökologischen Zusammenhänge sind gut erforscht, die Sanierungskosten bekannt und die grundlegenden Aufbereitungsmaßnahmen geübte Praxis.
Doch um Flächen neu nutzen zu können, brauchen wir heutzutage auch die Akzeptanz der Bürger. Eine neue Nutzung alter Flächen bringt Veränderung mit sich und stößt häufig auf Vorbehalte. Deshalb sind transparente Planungsund Entscheidungsprozesse notwendig, möglicherweise inklusive direkter Beteiligung. In diesem Zusammenhang wünschen wir uns, dass die städtebaulichen und planungsrechtlichen Ansätze hinterfragt, vereinfacht und beschleunigt werden. Je länger sich ein Projekt hinauszögert, desto schwieriger ist es zu realisieren. Für Investoren spielt der Zeitfaktor eine nicht unbeträchtliche Rolle.
Restriktionen versus Rentabilität
Dies gilt auch für die wirtschaftlichen Aspekte der Revitalisierung. Restriktionen müssen transparent dargelegt werden, inklusive geringerer, aber durchaus stabiler Renditeerwartungen. Andernfalls verlieren Investoren und Eigentümer, Verwaltungen, Kreditsachbearbeiter der Banken usw. ihr Interesse an der Projektentwicklung.
Eine der wichtigen Fragen ist die Sicherung der Rentabilität. Vor allem in B-Regionen besteht Bedarf an öffentlicher Förderung, denn unstrittig ist, dass bei Projekten auf vorgenutzten Flächen ein erhöhtes Risiko besteht und meist mehr Aufwand in der Flächenentwicklung zu erwarten ist. Die Risiken werden bei derartigen Flächen aber nicht durch eine generell hohe Nachfrage ausgeglichen. Hier helfen die enge Kooperation der Entwickler mit Land und Kommune sowie manchmal auch eine Anschubfinanzierung durch die öffentliche Hand. Beispielgebend sind flankierende Maßnahmen, wie sie das Land 2014 NRW im Rahmen der Vereinbarung „Wandel als Chance“ für 20 Bergbauflächen in NRW initiiert hat. Mit ihr wird eine nachhaltige Folgenutzung regionalökonomisch und städtebaulich bedeutender, stillgelegter oder zur Stilllegung vorgesehener Bergbauflächen angestrebt, um die aus dem Rückzug des Bergbaus entstandenen wirtschaftlichen Einschnitte zu kompensieren. Im Rahmen dieser Vereinbarung fördert das Land anteilig zwei Machbarkeitsstudien.
Gewerbeflächenmanagement
Ein weiteres zentrales Element für die Revitalisierung von Industriebrachen ist ein gemeinschaftliches Gewerbeflächenmanagement, bei dem die unterschiedlichen Nutzungsmuster verzahnt werden. Es muss zum einen die soziale und funktionale Verzahnung der Brach- und Problemflächen mit der Standortnachbarschaft (insbesondere Quartiersentwicklung und abgestimmte Regionalplanung bei der Entwicklung von Gewerbe- und Industrieflächen) gewährleistet sein. Und es muss zum anderen zu einer Einbettung der Flächenbausteine in eine langfristige und interregionale Strategie kommen (vor allem hinsichtlich Imageverbesserung). Die entsprechende Initiative der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (WMR) für ein regionales Gewerbeflächenmanagements im Ruhrgebiet ist zu unterstützen und bietet die Chance, die ökonomische Entwicklung mit dem durchaus starken Eigeninteresse der Einzelkommunen und der Stärkung der Metropolregion Ruhr zu kombinieren und so die Wiedereingliederung und im mobilienwirtschaftliche Aufwertung solcher Flächen in den Wirtschaftskreislauf hin zu bekommen.
Gute Gründe für Brachflächenrecycling
Industriell vorgenutzte Brachen finden wir im Ballungsraum Ruhrgebiet vorwiegend als Hinterlassenschaften der Stahlwerke oder des Bergbaus. Früher am Stadtrand, sind sie inzwischen in zentraler Lage in den Innenstädten oder Kern von Stadtteilen. Solche Flächen bieten die Möglichkeit, bestehende städtebauliche Mängel zu beheben: Hier können neue Arbeitsplätze und neue Wirtschaftskraft entstehen und die traditionell engen Verflechtungen zwischen Wohnen und Arbeiten in moderner Form wiederhergestellt werden. Ein aktuelles Beispiel sind die Planungen für die Fläche des stillgelegten Opel-Werks in Bochum.
Beispiele, wie durch Umnutzungsprojekte auf Brachflächen die hochverdichteten Städte wirtschaftlich und sozial aufgewertet werden, gibt es im Ruhrgebiet einige:
Aus der ehemaligen Zeche und Kokerei in Essen wurde das UNESCO-Welterbe Zollverein, inzwischen Zentrum für Kultur und Design und attraktiver Museums-, Erlebnis und Freizeitstandort. In den kommenden Jahren folgen dort der Bau der Folkwang Akademie der Künste, eines Hotels und der Bau der RAG-Unternehmenszentrale.
Am Nordrand des Ruhrgebietes wächst auf dem ehemaligen Zechengelände „Ewald Fortsetzung“ das Calluna-Quartier mit generationsübergreifenden Wohnangeboten, einem Einzelhandelsund Gesundheitszentrum mit Ärztehaus sowie großzügigen Grünflächen.
Ausblick
Die erfolgreiche Revitalisierung ehemaliger Industrieareale ist – nicht nur im Ruhrgebiet – sowohl gelebte Praxis als auch erfolgreiches Geschäftsmodell. Allerdings müssen wir uns auch in Zukunft den komplexen Herausforderungen solcher Projekte stellen. Dies ist nur möglich durch den engen Schulterschluss von Unternehmen, Politik, Verwaltung und Bürgerschaft in Verbindung mit einem strategischen Flächenmanagement sowie einer abgestimmten Regionalplanung über die kommunalen Grenzen hinweg. Brachflächenrecycling in B-Lagen ist eine Gemeinschaftsaufgabe im Schnittpunkt von Gesellschaft und Wirtschaft, die über die rein immobilienwirtschaftliche Betrachtungsweise hinausgeht. Die Wiedernutzung von Brachen mit dem Ziel, den Flächenverbrauch in Deutschland nachhaltig zu reduzieren, wird zunehmend im Mittelpunkt der Regional- und Stadtentwicklung stehen. Mit tradierten Ansätzen aus dem Instrumentenkasten „Strukturwandel“ sind die Probleme kaum in den Griff zu bekommen. Vielmehr müssen alte Strukturen aufgebrochen und durch neue, leistungsfähigere Lösungen ersetzt werden. Koordinierte Projekte zur Stadtteil- und Quartiersentwicklung oder gemeinsame Projektgesellschaften zur Entwicklung ehemaliger Industrieflächen, können dabei wichtige Bausteine für die Zukunftsfähigkeit der Städte darstellen. Parallel schafft das geforderte regionale Flächenmanagement ein strategisches Steuerungsinstrument, das die Flächenentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen marktgerecht steuert und somit zum wirtschaftlich Erfolg der Revitalisierungsprojekte beiträgt.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RAG Montan Immobilien GmbH
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/ 2015