Wie 70 Meter Systemtrennwände auf eine große Reise in ein zweites Leben gingen
In allen Industrieländern ist die Bauwirtschaft die ressourcenintensivste Branche: Am Bau werden Materialien kaum wiederverwendet, sondern nach der ersten Nutzung wie selbstverständlich entsorgt. Daher ist die Baubranche für 55 Prozent der in Deutschland erzeugten Abfälle und weltweit für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Wirksamer Klimaschutz erfordert somit einen Übergang von einem Linear- zu einem Kreislaufmodell, in dem Baumaterialien wiederverwendet und einer weiteren Nutzung zugeführt werden. Denn insbesondere das Wiederverwenden von Materialien senkt den Ressourcenverbrauch, die Treibhausgasemissionen und die Abfallerzeugung: Während beim Recycling eines Stahlträgers wieder viel Energie für Einschmelzen und Schmieden aufgewandt werden muss, vermeidet das Wiederverwenden von Baumaterialien energieintensive Produktionsschritte und Emissionen. Die Erstproduktion des Stahlträgers wird damit nachhaltiger.
Trotz vieler Argumente wird einer möglichen Wiederverwendung von Bauelementen bislang zu wenig Raum gegeben. Enge Zeitpläne bei Abriss und Neubau sowie fehlende Dokumentationen lassen eine Erfassung potenziell geeigneter Bauteile meist nicht zu. Zudem wurde insbesondere in der jüngeren Vergangenheit oft mit nicht lösbaren Verbindungen gearbeitet. Bauschaum und -kleber halten zusammen, was irgendwann nicht mehr zusammengehört und treiben Abrisskosten und Müllaufkommen in die Höhe.
Hinzu kommen die stark fragmentierten Lieferketten im Bausektor, die das Wiederverwenden von Materialien verhindern. So braucht es vor allem eine sorgfältige Planung und viel technisches Know-how, um den sicheren Abbau von Materialien zu organisieren, diese ohne Beschädigung voneinander zu trennen und zur Nachverfolgung zu kennzeichnen. Dafür fehlen branchenweit noch etablierte Abläufe und Strukturen.
Erste Überlegungen, wie die Kreislaufwirtschaft mittels Digitalisierung und Erfassung der verbauten Materialen in der Baupraxis auf breiter Basis implementiert werden könnte, existieren allerdings bereits. Ebenso gibt es erste Vertriebe für „Gebrauchtes“ wie Concular, in deren Shops sich eine breite Palette an zirkulären Baumaterialien, darunter gebrauchte Lampen, Türen, Fenster und Abhangdecken, finden. Manchmal matcht es aber auch sehr rasch und Teile, die bei einem Projekt gerade ausgebaut wurden – kommen in einem neuen Vorhaben schnell wieder zur Anwendung.
Ein gutes Beispiel ist die Revitalisierung und Neupositionierung des Frankfurter Projekts „Prisma“. Dort wurde Concular rechtzeitig vor dem Rückbau durch Sonar Real Estate beauftragt, Materialien zu digitalisieren und in neue Bauvorhaben zu vermitteln. 70 Laufmeter Glas-Trennwände fanden so den Weg in ein Neubauprojekt der immobilien-experten-ag. im Ortsteil Adlershof in Berlin. Mieter dort ist das Bau- und Immobilienunternehmen MBN, das die Flächen im veredelten Rohbauzustand übernahm und mit dem Ausbauspezialisten UNDKRAUSS bedarfsgerecht finalisierte.
Logistik und Zwischenlagerung stellten sich dabei – wie so oft – als eine der größten Herausforderungen des zirkulären Bauens heraus. Die Systemtrennwände konnten im Urban Mining Hub Berlin im Herbst vergangenen Jahres für einige Wochen zwischengelagert werden, bevor sie am neuen Ort wieder eingebaut wurden.
Die modulare Konstruktion der Systemtrennwände und die enge Zusammenarbeit mit dem Hersteller und Circularity-Partner CLESTRA ermöglichten diesen Prozess, ohne Qualitätsverlust zu realisieren. Die Wiederverwendung der Trennwände ist ein tolles Beispiel dafür, wie Materialien zirkulär funktionieren und ReUse auch in größerer Breite in die Praxis umgesetzt werden kann.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2024